Dortmund. . Nach der Niederlage gegen den FC Bayern stand für die BVB-Profis am Sonntag der nächste Pflichttermin an: Jahreshauptversammlung. Trainer Jürgen Klopp und sein Team wurden mit minutenlangem Applaus bedacht - und mit besten Ratschlägen für das wichtige Spiel am Dienstag gegen den SSC Neapel bedacht.
An den Wänden hängt der Erfolg der Vergangenheit. Überdimensionierte Poster mit Helden von damals, die unter anderem wegen der abgelichteten Momente auch Helden von heute sind. Männer wie Michael Zorc, wie Jürgen Kohler, wie Wolfgang Paul, die Gelb vor Schwarz Trophäen in die Höhe recken. Zwischen den Postern erhebt sich auf dem Podium Hans-Joachim Watzke von seinem Platz. Die Jahreshauptversammlung von Borussia Dortmund läuft fast schon ein Bundesligaspiel lang, als der Geschäftsführer an das Redner-Pult tritt. Er legt sein Sakko ab, fehlt nur, dass er die Hemdärmel hochkrempelt.
Zu Höchstleistungen getrieben
„Mir ging es gestern Abend besch...en! Und heute Morgen ist es nicht viel besser“, sagt Watzke am Sonntagmittag wenige Stunden nach dem 0:3 gegen Bayern München. Es war die dritte Pflichtspielniederlage des BVB in Folge, die Bayern sind dadurch mit sieben Punkten in der Tabelle enteilt, Bayer Leverkusen ist ebenfalls vorbeigezogen und liegt nun anstelle der Borussia auf dem zweiten Platz. Und am kommenden Dienstag steht gegen den SSC Neapel (20.45 Uhr, live in unserem Ticker) der Verbleib in der Champions League auf dem Spiel. Mächtig viel für einen Klub, für den es in den vergangenen Jahren so schnell nach oben ging, dass der Druck auf den Ohren noch zu spüren ist.
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Aber Watzke ist in solchen Phasen ganz Sauerländer: ruhig, bedacht, realistisch. Er bittet um das rechte Maß: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht ausschließlich über den Vergleich mit Bayern definieren. Das ist die beste Mannschaft der Welt. Wir haben sie zu Höchstleistungen getrieben und den Abstand zu den anderen deutlich ausgebaut“, bilanziert er und stellt zufrieden fest: „Borussia Dortmund ist die zweite Kraft des deutschen Fußballs - nicht mehr, aber auch nicht weniger.“
Dass diese zweite Kraft eine erstaunliche Energie entwickeln kann, mussten die Bayern in den 90 Minuten Fußball am Samstagabend feststellen. Dortmund erarbeitete sich viele Chancen, vergab sie aber unabhängig von ihrer Qualität allesamt. Ein schwarz-gelbes Problem, das in den vergangenen Jahren regelmäßig auftauchte. Ein Problem, das überdeutlich wurde, weil München seine Gelegenheiten nutzte. Die eisige Effizienz von Mario Götze, Arjen Robben und Thomas Müller obsiegte über Dortmunder Zaudern.
„In allen guten Phasen haben wir gezeigt, dass wir nicht so weit weg sind“, stellte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp in einer seltsamen Mischung aus Zufriedenheit und Enttäuschung fest: „Das Problem ist: Wir haben die Bayern zu oft geärgert. In den Spielen gegen uns sind bei ihnen nun alle Sinne geschärft.“ Und die derart sensibilisierten Bayern fuhren mit beeindruckender Ballsicherheit einen Sieg ein, der weniger souverän war als er sich anhört, aber dennoch redlich verdient.
Märchen fortschreiben
Und während die Super-Super-Bayern von Pep Guardiola vor ihren Fans hüpften und feierten, fanden sich die Verlierer vor der Südtribüne ein. Schon das 0:3 hatte der schwarz-gelbe Anhang einfach übersungen als habe es nicht stattgefunden. Nun wurden die Verlierer von den eigenen Fans mit Ovationen bedacht, dass es beinahe ein rührendes Bild war wie sie dastanden: gesenkten Hauptes, geschlagen, gefeiert.
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Der nächste Tag, das gleiche Bild: Beim Einzug der Mannschaft in die Westfalenhalle applaudierten die Mitglieder im Stehen minutenlang. „Ich hoffe, Sie nehmen dieses Votum der Fans in Form von Selbstbewusstsein mit in das Spiel gegen Neapel“, sagte Reinhard Rauball, für drei Jahre wiedergewählter Präsident des nun wieder schuldenfreien Vereins. Und Watzke, ohne Sakko, mit Pathos, sagte: „Wem Kohle und Stahl wegbrechen, der verfügt nicht über diese Mia-san-Mia-Mentalität, der lernt aber, mit Rückschlägen umzugehen und Kraft daraus zu ziehen.“
Es klingt nicht nach Hoffnung, sondern nach einem Befehl an die Mannschaft. Schließlich sollen in der Gegenwart Bilder produziert werden, die in Zukunft Gelb vor Schwarz zu Postergröße taugen. „Wir haben in den vergangenen Jahren ein modernes Märchen geschrieben“, sagt Watzke und verspricht: „In diesem Buch sind noch einige Kapitel offen.“