Dortmund. . Der Rückhalt von Borussia Dortmund darf mit 33 Jahren in der Nationalmannschaft debütieren. Das ist der verdiente Lohn für über Jahre konstant nachgewiesene Klasse. Sogar die WM-Teilnahme ist für Roman Weidenfeller nun in Sichtweite.

Wer Roman Weidenfeller früher den Tag verderben wollte, der musste ihn nur auf die Nationalmannschaft ansprechen. Über viele Jahre war dies ein hochsensibles Thema, auf das der Torhüter von Borussia Dortmund genervt oder stocksauer reagierte. Er musste erst lernen, gelassen damit umzugehen, auch wenn es schwerfiel. Denn obwohl er konstante Klasse nachwies, obwohl er blitzschnell reagierte, spektakulär flog, routiniert Ruhe ausstrahlte – vom Bundestrainer wurde er beharrlich ignoriert.

Anteil am Aufstieg des BVB

Joachim Löw bevorzugte stets andere Torhüter-Typen, auch erfahrene wie Jörg Butt und Tim Wiese. Er gab den Nachwuchskräften Marc-Andre ter Stegen und Ron-Robert Zieler Chancen, er holte René Adler zurück. Hinter der unumstrittenen Nummer eins Manuel Neuer gab es immer einen lebendigen Konkurrenzkampf. Nur Roman Weidenfeller hätte sich schon einen Arm vor der Brust festbinden müssen, um auch dem Bundestrainer aufzufallen.

Vorbei und vergangen. Seit Freitag darf sich der Routinier befördert fühlen, Löw berief Weidenfeller ins Aufgebot für die beiden Länderspiele am kommenden Freitag in Italien und am darauf folgenden Dienstag in England. Der längst überfällige Lohn für Leistung, die berechtigte Aussicht auf spätes Glück im Alter von 33 Jahren: Denn diese Länderspiele gelten als Sichtungstests im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.

Weidenfeller sei „seit längerer Zeit beobachtet“ worden, sagt Löw. „Wir freuen uns darauf, ihn nun bei uns zu haben und näher kennenzulernen.“ Nun, das hätte er eher haben können, es ließ sich schließlich nicht mehr übersehen, welchen Anteil der Mann auf dem Posten zwischen den Pfosten an Borussia Dortmunds rasantem Aufstieg hatte. Vorzüglich verrichtete Roman Weidenfeller selbst bei schwersten Prüfungen seine Handarbeit. Auch Joachim Löw scheint jetzt erkannt zu haben, dass es sich mit Blick auf die WM lohnen dürfte, auf diese gereifte Spitzenkraft und damit auf Sicherheit zu setzen.

Löw befürchtete früher Wohl Unruhen durch Weidenfeller-Nominierung

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Roman Weidenfeller, der einst seinem Groll auch schon mal öffentlich Luft machte, zeigte sich einfach nur glücklich, als er am Freitag kurz vor dem Aufbruch zum heutigen BVB-Spiel in Wolfsburg von der Berufung erfuhr. Artig bedankte er sich „für das Vertrauen“, Joachim Löw habe seinen „Traum wahr werden“ lassen. Natürlich wird es das Ziel des Dortmunders sein müssen, die Hierarchie hinter Manuel Neuer neu zu sortieren, aber er bewirbt sich dafür mit leisen Tönen, er fordert nichts. „Ich lasse alles in Ruhe auf mich zukommen“, sagt er.

Er weiß offensichtlich: Es war auch seine Emotionalität, die ihm früher den Weg nach ganz oben versperrte. Weidenfeller galt als impulsiv, explosiv und wenig diplomatisch. Löw hat die Gründe für seinen jahrelangen Verzicht auf diesen Klassekeeper nie offen dargelegt, aber natürlich dürfte es eine Rolle gespielt haben, dass der Bundestrainer befürchtete, sich mit der Öffnung der Tür für den ehrgeizigen und selbstbewussten Weidenfeller auch Unruhe ins Haus zu holen. Zweite und dritte Torhüter sollen sich bei Turnieren nicht kampfeslustig geben, sondern kompatibel.

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Weidenfeller aber gibt sich längst ausgleichend statt aufbrausend, gefestigt statt gefährlich. Kampfansagen an Neuer sind nicht zu befürchten, Oldie-Neid ist nicht zu vernehmen. Im Verein entwickelte er sich zum geachteten Führungsspieler. „Selten war eine Nominierung so gerechtfertigt“, meint BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, „von Flensburg bis Garmisch gibt es dazu keine zweite Meinung.“ Er hätte auch „bis Freiburg“ sagen können. Da wohnt Löw.