Dortmund. . Trotz gutem Saisonstart im Angriffsmodus: Der BVB-Coach äußerte sich zur Kritik an Abwehrspieler Mats Hummels und holte dabei gegen Günter Netzer und die Sportjournalisten aus: „Ihr solltet anfangen, die Tore an den Tatsachen zu diskutieren. Einfach mal nachfragen bei Leuten, die was davon verstehen.“
Wer sich gerade auf der Suche nach einem nicht zu knappen Stück heiler Welt befindet, der sollte eigentlich unbedingt den Raum Dortmund ins Auge fassen. Der dort ansässige BVB hat mit einem 2:1 gegen Eintracht Braunschweig die Tabellenspitze der Bundesliga erklommen. Das hebt die Stimmung im schwarzgelben Land nicht nur, weil man im Fußball generell gern von oben herab schaut, sondern auch, weil in einem Dutzend von Jahren zuvor nie die ersten beiden Begegnungen einer Saison gewonnen wurden. Der letzte Trainer, der das Konto so schnell mit sechs Punkten füllen konnte wie nun erstmals Jürgen Klopp, war Matthias Sammer. Und zwar in der Spielzeit 2001/2002, die mit dem Titelgewinn endete. Dem Titelgewinn!
Neuzugänge fügten sich nahtlos beim BVB ein
Natürlich handelte es sich bei den bisherigen Borussen-Gegnern nur um den Aufsteiger und das ständig unter Abstiegsverdacht stehende Augsburg (4:0). Doch unterhalb der Statistikebene sind ebenfalls hübsche Erfolge registriert worden. Vor dem Start in die Saison musste man sich in Dortmund fragen, ob sich die rund 50 Millionen Euro, die nach dem Abschied von Mario Götze zu den Bayern für neues Personal ausgegeben wurden, im Ernstfall als gut angelegt erweisen würden. Pierre-Emerick Aubameyang zerstreute Bedenken in der ersten Partie mit drei Treffern. Am Sonntagabend dann durften die beiden weiteren Neuen Sokratis und Henrikh Mkhitaryan erstmals mitmachen. Und der Ex-Bremer und der Armenier, der aus Donezk kam und rund 27 Millionen Euro gekostet haben soll, mehr als jeder BVB-Spieler zuvor, fügten sich gegen das nicht einfach zu stürmende Braunschweiger Bollwerk nahtlos in das Ensemble ein.
Auch interessant
Alles rosig also im westlichen Westfalen, östlichen Ruhrrevier. Manchem sogar zu rosig. Sammer, mittlerweile Sportvorstand bei den Bayern, hätte ganz sicher einen Ansatzpunkt gefunden, um das Idyll aus den Angeln zu heben. Sammer aber versteht sich als Mann für die Attacke auf Wohlfühloasen. Dass Jürgen Klopp die Kuschelatmosphäre mit einem Hammerhieb im Brachialstil des Donnergottes Thor pulverisierte, befremdete dagegen, weil es zeitlich überraschte. Der Trainer lobte mit strahlendem Kloppo-Lächeln die Arbeit, die zum Sieg führte, die Neuen und vor allem Jonas Hofmann, diesen 21-Jährigen, der sich über die drittklassige Zweite des BVB in den Profibereich vorgearbeitet hat, und der mit seinem 1:0 das Tor zum Dreier öffnen musste, weil alle Angriffe der Etablierten zwischen den vielen Braunschweiger Beinen stecken geblieben waren. (Tor zwei erzielte Marco Reus per Elfmeter, verschuldet an Hofmann.) Mit strahlendem Kloppo-Lächeln holte der Trainer dann allerdings zum Schlag aus.
Der Anlass für die Medienschelte: die Kritik an Nationalspieler Mats Hummels
Warum? Um das zu klären, ist ein Blick zurück notwendig. Nach dem Test der Nationalmannschaft gegen Paraguay am vergangenen Mittwoch (3:3) war Innenverteidiger Mats Hummels heftig kritisiert worden. Klopp fand, ungerechterweise. Bei „Sky“ warf er deshalb unter anderem dem alt-internationalen Verfasser kritischer Kolumnen Günter Netzer den Fehdehandschuh hin: „Wenn die ganze Nation über eine Person diskutiert und Netzer sich bemüßigt fühlt, einen Abwehrspieler zu nennen und zu sagen, dass der häufig Fehler macht, da verstehe ich die Welt nicht mehr.“ Auch die Sportjournalisten erwischte es: „Ihr solltet anfangen, die Tore an den Tatsachen zu diskutieren. Einfach mal nachfragen bei Leuten, die was davon verstehen.“
BVB besiegt Braunschweig
So einfach, wie der Trainer es sich vorstellt, wird das jedoch nicht sein. Bereits bei der Pressekonferenz zwischen Nationalpartie und Eintracht-Auftritt hatte Klopp verkündet, dass er „einen Großteil“ seines Geldes verdienen würde, „weil so wenige Leute Ahnung von Fußball haben“. Gnädig hatte er da noch eingeräumt, dass das für ihn so in Ordnung wäre, ein Problem sei lediglich, „dass so viele dieser Menschen über Fußball schreiben“. Wenn nun aber die Masse inklusive der Journalisten keine Ahnung hat, wenn gar die gesamte Nation über Hummels-Fehler diskutiert und sogar ein Netzer als disqualifiziert gelten muss, ist die Zahl der Ansprechpartner klein. Übrig bleibt nur Klopp, der der tabellarischen Situation seines BVB entsprechend von ganz weit oben herab Auskunft erteilen könnte: Hallo, Fußballgott, wie ist das doch gleich, existiert der individuelle Fehler noch? Oder muss absolut immer vom vielleicht verheerend wirkenden Schmetterlingsflügelschlag in China oder sonst wo ausgehend analysiert werden?