Madrid. Borussia Dortmund wird im Finale der Champions League am 25. Mai gegen den FC Bayern München als Außenseiter antreten. Jürgen Klopp will dennoch etwas mitnehmen: „Jeder wird sehen, dass wir nicht damit zufrieden sind, im Finale zu sein“, sagt BVB-Trainer Jürgen Klopp: „Wir wollen den Cup.“
Kurz vor der 83. Minute hatten die Fans des BVB in Madrids Estadio Santiago Bernabeu ihren beschwingten Einsatz. Sie haben den Schneewalzer gesungen, weil das in die Nacht passte, die in den Mai hineinführte, und weil sie endlich den Moment für ausgelassene Fröhlichkeit gekommen sahen.
Dass das Tor von Karim Benzema in der 83. Minute aus heiterstem Flutlichthimmel fiel, dass Sergio Ramos in der 88. Minute auf 2:0 erhöhte, dass Schiedsrichter Howard Webb sechs Minuten Nachspielzeit gewährte und den Madrilenen nur noch ein Treffer fehlte, um die Champions-League-Traumreise der Dortmunder Borussen jäh zu beenden: Es war unfassbar, es war so Nerven zerfetzend spannend, dass Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer der Schwarzgelben, berichtete, er habe um den Gesundheitszustand seines Herzens gefürchtet und sei deshalb weggerannt, hinab zum stilleren Örtchen.
Unfassbar war dann auch, dass Jürgen Klopp am Tag danach, am Mittwoch, mit den Haaren schön und einem Grinsen auf den Lippen zum Besten gab, er sei fit, keine Probleme: „Ich habe sechs Stunden geschlafen.“ Sechs Stunden.
Der Mannschaft hatte der Trainer eine verantwortungsbewusste Alkoholzufuhr erlaubt. Sie dauerte in den meisten Fällen bis in den Morgen hinein. Um knapp nach zehn Uhr früh tauchte Sebastian Kehl am Flughafen von Madrid auf. Eine Kamera, die sich dem Kapitän näherte, sorgte für mächtiges Zurückzucken: „Uah, so früh. Lekkofanni.“ Und Klopp behauptete sogar, ebenfalls an den Festlichkeiten beteiligt gewesen zu sein.
Dramaturgie mit brachialer Wucht
Sechs Stunden. Sind denn die Bilder dieser historischen Partie nicht durch den Trainerkopf gerast, wieder und wieder? Ist denn nicht einmal eine kleine Restunruhe mit ihm ins Bett gestiegen? Ein beeindruckendes 4:1 gegen Real Madrid in der ersten Begegnung, eine dramaturgisch mit brachialer Wucht aufgeladene 0:2-Niederlage in der zweiten.
Resultat: Erstmals seit dem Titelgewinn im Jahr 1997 steht der BVB nun ausgerechnet gegen den FC Bayern wieder im Finale der Königsklasse, der auf dem höchsten Gipfel angesiedelten Fußballklasse Europas und damit der Welt. Und das, nachdem der Klub 2005 beinahe von der Insolvenz aufgefressen worden wäre. „Historisch“ war das Wort, das anschließend schon Verschleißerscheinungen zeigte. Klopp selbst erklärte: „Man versucht ja während des Spiels zu verdrängen, dass es möglicherweise die einzige Chance im Leben ist, da hin zu kommen.“
Und dann, nach dem Schlusspfiff, nach dem großen Schritt für den schwarzgelben Teil der Menschheit (Klopp: „Das ist die außergewöhnlichste Leistung, von der ich seit langen, langen Jahren im Sport gehört habe“) und dem beachtlichen Schritt für Deutschland (BVB-Präsident Reinhard Rauball: „Der deutsche Fußball wird davon profitieren“)? Es wurde noch reichlich aufgearbeitet. Die Rolle von Torhüter Roman Weidenfeller, der mit Glanzparaden die Mannschaft auf dem Weg ins Wembleystadion von London gehalten hatte. Die Turm-in-der-Brandung-Rolle von Mats Hummels, dessen Patzer in Dortmund dem Gegentor voraus gegangen war, das beinahe verhängnisvoll gewirkt hätte. Die schmale Rolle von Mario Götze, der bereits nach 14 Minuten mit einem Muskelfaserriss den Platz verlassen musste. Die Rolle des (von Ramos) mies Geschlagenen und (von Fabio Coentrao) brutal Getretenen Vier-Tore-Hinspiel-Helden Robert Lewandowski.
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All das. Und das, was die Zukunft bringen wird. Ob er denn schon einmal in Wembley gewesen sei, wurde Klopp von einem englischen Journalisten gefragt. Of course not, antwortete der Trainer, natürlich nicht: „I watch Wimbledon.“ Wenn er aber am 25. Mai in Wembley aufschlägt, will der Wimbledon-Freund auch etwas mitnehmen, egal, dass sein immer noch so junges Trüppchen schon wieder als Außenseiter antreten wird: „Jeder wird sehen, dass wir nicht damit zufrieden sind, im Finale zu sein. Wir wollen den Cup.“ Und danach gleich ein paar Stündchen aufs Ohr. Denn guter Fußball kann, guter Schlaf muss sein.