Dortmund. . Wäre der BVB doch auf allen Positionen so gut besetzt wie im Mittelfeld. Doch der Ausfall von Linksverteidiger Marcel Schmelzer und dessen Vertreter Kevin Großkreutz verdeutlicht, dass die BVB-Reserven von der Bank nicht überall gleich stark sind. Ein Geständnis von HSV-Spielmacher Rafael van der Vaart geriet in die Kritik.
Scheppernd fällt im Erdgeschoss des Dortmunder Stadions die schwere graue Brandschutztür ins Schloss. Zurück bleiben das grelle Licht, die Kameras, die Mikrofone, kurz: die Szenerie, in der die Spieler erklären, wie passieren konnte, was passiert ist. Auf der anderen Seite der Tür steht nun Nuri Sahin im Dunkeln eines eisig kalten Abends.
Sahins Abgang ist ein Sinnbild für diesen Tag im Stadion von Borussia Dortmund, der eine ernüchternde 1:4-Niederlage gegen den Hamburger SV gebracht hatte - anstatt der schönen schwarz-gelben Gefühls-Geschichte über Nuri Sahin, die sich die BVB-Fans erhofft hatten. Ihr Plot ging grob skizziert so: Der verlorene Sohn spielt zum ersten Mal von Beginn an und führt - als sei er nie weg gewesen - seine Mannschaft zum Sieg. Doch die 18 Monate ohne regelmäßigen Wettbewerbsfußball waren spürbar. Sahin fehlte die Sicherheit, was nachvollziehbar ist. Dem Dortmunder Spiel fehlte mehr als nur Sicherheit. Das machte die Sache gegen den - zugegebenermaßen erstaunlich mutigen und entschlossenen - HSV so schwierig.
Leise Fragen an der Strobel-Allee
Sahin wurde im Winter verpflichtet. Einen wie ihn heimzuholen, wenn die Möglichkeit besteht, ist vermutlich nie ein Fehler - obwohl er der sechste hochbegabte Mitarbeiter in der Spielzentrale ist. Und doch fragte man sich leise rund um die Strobel-Allee, warum nicht auf anderen Positionen nachgearbeitet wurde. Zum Beispiel auf den Außenverteidigerpositionen. Oder auf der des Stürmers. Eine Frage, die nie angebrachter schien als nach diesem Spiel.
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Denn BVB-Trainer Jürgen Klopp hatte Sven Bender auf die linke Verteidigerposition beordert, dorthin, wo normalerweise Marcel Schmelzer seinen Dienst verrichtet. Doch den legte eine Grippe lahm, sein auf der Position zwar erprobter, aber nicht ausgebildeter Ersatzmann Kevin Großkreutz verbrachte die zurückliegenden Tage wegen des Verdachts auf Lungenentzündung im Krankenhaus und wird auch nicht mit zum Champions-League-Spiel am Mittwoch bei Schachtjor Donezk reisen. So wurde Bender wie schon bei der Heimniederlage gegen Schalke Teil eines scheiternden Experiments und lieferte nicht nur bei zwei Toren der beiden Doppeltorschützen Heung-Min Son und Artjoms Rudnevs Argumente, ihn zukünftig doch eher wieder an anderer Stelle zu berücksichtigen.
Sechs Gegentore in 135 Minuten
Wesentlich besser machte es Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek - wie schon eine Woche zuvor gegen Leverkusen - allerdings auch nicht. Auch er ist konkurrenzlos auf seiner Position, die Woche über plagte er sich mit einer Verletzung herum, trainierte nur einmal mit der Mannschaft. Und weil sich dann auch noch Fehler von Männern wie Mats Hummels hinzugesellten, stand am Ende die dritte Heimniederlage der Saison und sechs Gegentore in den vergangenen 135 Bundesliga-Minuten. „Das darf nicht passieren“, äußerte Kapitän Sebastian Kehl, „darüber wird zu reden sein.“ Als er das sagte, hatten viele seiner Kollegen den Ort des Geschehens schon verlassen. Wortlos. Wütend. So wie Mats Hummels. So wie Robert Lewandowski.
Der war nach einer halben Stunde des turbulenten Spiels in den Mittelpunkt gerückt, weil er seinem Gegenspieler einen rücksichtslosen Tritt verpasst hatte. Die Emotionen kochten hoch, Rafael van der Vaart wollte Lewandowski an die Wäsche, als Kehl dazwischen ging, sank van der Vaart zu Boden - und bewarb sich auch nach dem Spiel nicht um Auszeichnungen in Sachen Fairness.
Kritik an van der Vaart - Klopp: "Der schlechteste Satz"
Sein unüberlegtes Geständnis ging im Jubel über den 4:1-Coup bei Borussia Dortmund zunächst fast unter, sorgte aber am Tag danach für kontroverse Diskussion. "Das ist der schlechteste Satz, den ich jemals gehört habe. Warum sagt er so etwas nachher?", klagte BVB-Trainer Jürgen Klopp im WDR-Hörfunk und reagierte damit auf den Auftritt des Niederländers nach dem mit Rot bestraften Foul von BVB-Torjäger Robert Lewandowski an HSV-Profi Per Ciljan Skjelbred. Van der Vaart hatte sich danach vehement beim Polen beschwert und entscheidend zur Rudelbildung und Aufregung beigetragen.
Für den eigentlichen Eklat sorgte jedoch erst sein Statement in der "Bild am Sonntag": "Der Schiedsrichter wollte keine Rote zeigen. Da habe ich ein wenig Theater gemacht. Dann hat er sich mit seinen Assistenten besprochen und dann doch die gerechte Rote gegeben."
Allerdings muss man dem Routinier zugutehalten, dass er die tumultartigen Szenen im weiteren Verlauf der Partie nicht zu weiteren Schauspiel-Einlagen nutzte. Vor der Südtribüne des brodelnden Dortmunder Stadions wurde er von einem Feuerzeug getroffen. Für die wütenden Reaktionen der Fans äußerte van der Vaart nach der Partie sogar Verständnis.
Keine belastbaren Zeugenaussagen
Lewandowski also musste den Platz verlassen. Ausgerechnet im ersten Spiel, nachdem die Meldungen über einen Wechsel zu Bayern München Fahrt aufgenommen hatten. Einen neuen Zwischenstand in dieser Sache gibt es nicht.
HSV-Fans beschädigen Regionalexpress
Fakt aber ist: In den kommenden Bundesligaspielen wird der Meister ohne seinen gesperrten Torjäger wieder in die Erfolgsspur finden müssen. Sein Ersatz heißt Julian Schieber und ist den Anforderungen nach bisherigem Kenntnisstand nicht gewachsen. Möglich, dass Jürgen Klopp einen seiner trickreichen Mittelfeldspieler in den Sturm beordert. Denn Mittelfeldspieler hat er sehr viele in seinem Kader. (Mit Material von dpa)