Dortmund. . Vor kurzem haben BVB-Boss Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc ihre Unzufriedenheit über die eigene Nachwuchsarbeit deutlich geäußert. Der BVB habe zu wenige Nachwuchs-Nationalspieler und stehe in den Junioren-Bundesligen zu schlecht da. Jetzt äußert sich Dortmunds Nachwuchskoordinator Lars Ricken zu den Vorwürfen.
Am Freitagabend eröffnet Borussia Dortmund mit dem Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg den 19. Bundesliga-Spieltag. In der Startelf des BVB könnten, wie beim Rückrundenauftakt in Bremen, Mario Götze, Marco Reus, Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz stehen: Vier Spieler, die schon in der Jugend für den Klub gespielt haben.
Kein Grund, sich freudig zurückzulehnen. Vor kurzem haben BVB-Boss Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc ihre Unzufriedenheit über die eigene Nachwuchsarbeit deutlich geäußert. Der BVB habe zu wenige Nachwuchs-Nationalspieler und stehe in den Junioren-Bundesligen zu schlecht da. Jetzt äußert sich Dortmunds Nachwuchskoordinator Lars Ricken exklusiv in dieser Zeitung zu den Vorwürfen.
Herr Ricken, warum sind die A-Junioren des BVB nur Siebter in der Bundesliga West und stehen hinter Arminia Bielefeld?
Lars Ricken: Vorab, Hans-Joachim Watzke hat Recht, wenn er mit den Tabellenständen unzufrieden ist. Wir sind es selbst auch. Es ist nicht unser Anspruch, hinter Bielefeld, Bochum oder Schalke zu stehen. Aber bei den A-Junioren fehlen uns die drei deutschen Top-Talente Jeremy Dudziak, Koray Günter und Marvin Ducksch wegen Verletzungen, oder weil sie für unsere U23 in der Dritten Liga spielen. Mittelfristige individuelle Förderung steht vor dem kurzfristigen Teamerfolg. Aber das ist keine Rechtfertigung dafür, dass wir nicht um die Meisterschaft mitspielen. Wir haben nicht die Breite, um solche Ausfälle aufzufangen. Zur neuen Saison wird sich da aber einiges ändern.
Was genau?
Lars Ricken: Auf unserem Trainingsgelände wird ein neues Jugendhaus gebaut. Ein Riesenschritt des Vereins, der eine Menge Geld in die Hand nimmt. Bisher hatten wir zehn Plätze, damit standen wir in der Bundesliga weit unten. Künftig haben wir 20 bis 22 Plätze. Damit können wir deutsche und ausländische Nachwuchs-Nationalspieler holen, über die wir bislang nicht mal nachdenken konnten. Das erzeugt schon jetzt unglaubliche Aufbruchstimmung.
Ein weiterer Kritikpunkt lautet, dass der BVB zu wenige deutsche Nachwuchs-Nationalspieler hat.
Lars Ricken: Zum deutschen U-21-Kader gehören Marc Hornschuh, Tolgay Arslan, Lasse Sobiech, Daniel Ginczek und Antonio Rüdiger, die alle beim BVB ausgebildet wurden. Mario Götze könnte auch noch in der U21 spielen. Das soll uns mal jemand nachmachen. In der U16 und in der U17 ist das sicher ein Problem, da haben wir nur einen türkischen und einen deutschen Nationalspieler. Das ist deutlich zu wenig. Aber auch das wird sich ändern. Unsere U15 ist nicht gut – die ist sogar fantastisch! Dazu wollen wir wieder eine U16 aufbauen. Wir werden mehr Spieler intensiver ausbilden, sind künftig breiter aufgestellt und wollen mittelfristig Titel holen. Und zwar nicht den Westfalenmeister-Titel.
Ihre A-Junioren haben gerade in einem Format gespielt, in dem sich Teams europaweit messen.
Lars Ricken: Die Next-Gen-Series. Auch das hat uns in der Bundesliga Punkte gekostet, aber unsere Jungs in ihrer Entwicklung erheblich weitergebracht. Und wir konnten über die freie Ansetzung Spiele in die Ferien legen. Ab der nächsten Saison will die Uefa mit einem neuen Format die Spiele an die Termine der Champions League koppeln. Wir müssten die Spieler häufig aus den Schulen nehmen. Das sehe ich sehr kritisch.
Ihre Klubführung wünscht sich mehr Spieler für den Profikader. Sie erwähnten Jeremy Dudziak, Koray Günter und Marvin Ducksch. Werden die in die Bundesliga kommen?
Lars Ricken: Eines vorab: Die Qualität unserer ersten Mannschaft ist inzwischen auch in der Breite immens hoch. Der Nachwuchs muss extrem hohe Qualität mitbringen. Aber Durchschnitt bringt uns auch nicht weiter, und es wird unser Ziel bleiben, eigene Spieler zu den Profis zu bringen. Man sieht doch, wie wichtig das in Dortmund für die Identifikation zwischen Spielern und Fans ist. Schauen Sie auf Mario Götze, Marcel Schmelzer, Nuri Sahin, die aus unserer Jugend kommen, oder die Dortmunder Jungs Kevin Großkreutz und Marco Reus. Jeremy Dudziak, Koray Günter und Marvin Ducksch gehören zu den größten Talenten Deutschlands. Ich kann und will nichts versprechen. Aber ich bin bei ihnen sehr optimistisch. Das Potenzial ist da. Koray Günter bildet mit Marian Saar, der gerade aus Leverkusen zu uns gekommen ist, das beste Innenverteidiger-Duo dieser Altersklasse in Europa.
Heißt in Summe: Ganz so schlimm steht es um die Nachwuchsarbeit beim BVB nicht?
Lars Ricken: Die Aussagen über die unbefriedigenden Tabellenstände decken sich mit unserer Wahrnehmung. Aber nicht alles ist schlecht. Schauen Sie mal, welche Manager und Scouts von anderen Bundesligisten bei den Spielen unserer U23 in der Dritten Liga auf der Tribüne sitzen. Wir sind neben dem VfB Stuttgart der einzige Profiklub, dessen U23 in der Dritten Liga spielt. Meiner Meinung nach muss man festhalten: Der BVB ist Ausbildungsverein Nummer eins in Deutschland. Kein anderer Klub hat in den letzten fünf Jahren so viele Spieler in die Bundesligen gebracht. Ich bin sicher, dass wir dieses Niveau in den nächsten Jahren halten werden.