Essen. Christian Schöler, Mitgründer der von BVB-Fans ins Leben gerufenen Initiative “Kein Zwanni - Fußball muss bezahlbar sein“ spricht über die hohen Eintrittspreise in Deutschlands Stadien, den Boykott in Hamburg und die jüngsten Proteste der Schalker Fans.

Die Eintrittspreise in Deutschlands Fußball-Stadien steigen immer weiter. Christian Schöler, Mitgründer der von BVB-Fans ins Leben gerufenen Initiative "Kein Zwanni - Fußball muss bezahlbar sein" spricht über die Anfangszeiten der Initiative, die Boykotts in Gelsenkirchen und Hamburg sowie die jüngsten Proteste der Schalker Fans.

Wie lief der Boykott des Revierderbys 2010 und die Gründung von „Kein Zwanni“ ab?

Christan Schöler: Wir wollten das Derby in Gelsenkirchen aufgrund der durch den Topzuschlag extrem hohen Ticketpreise boykottieren. Es gab im Internet eine Ankündigung. Anschließend haben wir uns mit Fans, Ultra-Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengesetzt und überlegt, wie wir die Idee umsetzen können. Innerhalb von 48 Stunden waren 300 von insgesamt 500 BVB-Fanclubs mit dabei und haben die Aktion unterstützt. Wir waren selbst überrascht, dass der BVB so flexibel war und die durch Fanclubs gekauften Tickets sowie die Auswärtsdauerkarten zurückgenommen hat.

Ist die Abschaffung des Top-Spiel-Zuschlags auf Schalke Resultat Ihrer Initiative?

Schöler: Wir sehen es insoweit als unseren Erfolg an, als dass wir als erstes auf die Preisproblematik in Gelsenkirchen aufmerksam gemacht haben. Bei einem Treffen mit Verantwortlichen von „Supporters Club“, Fanbetreuung und Ticketing konnten wir unsere Sorgen bezüglich der Preisentwicklung mitteilen und darauf hinweisen, dass es sich bei der Initiative keineswegs um eine Aktion gegen Schalke handelt. Sondern viel mehr um günstigere Ticketpreise im Allgemeinen – für alle Fans. Wir freuen uns, dass nun auch die Schalker Protest formulieren und aktiv in den Vereinsgremien darauf hinarbeiten, dass Fußball als Volkssport erhalten bleibt.

Unterstützen die Schalker Fans die Initiative ebenfalls?

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Schöler: Offiziell unterstützt keine Schalker Fangruppierung die Aktion. Das liegt vielleicht daran, dass es ursprünglich eine BVB-Aktion ist. Generell sind die Schalke-Fans aber auch gegen die überteuerten Eintrittspreise. Es könnte auch sein, dass ihnen der Name nicht gefällt. Bei ‚Kein Zwanni’ liegt das Augenmerk auf den ersten Blick zu sehr auf dem festen Preis von 20 Euro. Das war keine Absicht. Es geht um Ticketpreise im Allgemeinen. Der Name „Kein Zwanni für nen Steher“ war der Name in der Anfangszeit, wo alles sehr schnell gehen musste. Mit 50 Leuten einen Namen zu finden, der jedem gefällt war ohnehin schwer. Heutzutage ist „Kein Zwanni - Fußball muss bezahlbar sein’ der Name unserer Initiative, wobei ‚Kein Zwanni’ bald wegfallen könnte.

In Hamburg haben die BVB-Fans den Block zu Beginn des Spiels verlassen. Trainer Jürgen Klopp sah vor dem Spiel „keinen Gewinner dieser Aktion“. Was war Sinn und Zweck?

Schöler: Das stimmt so nicht ganz. Klopp hat seine Aussage einen Tag später auf der Freitags-Pressekonferenz revidiert. Auch er hat großen Respekt vor unserer Aktion. Wir haben ja auch Kontakt zur Mannschaft, die unsere Initiative ebenfalls unterstützt. Allerdings nicht öffentlich. Für den Verein ist das eine knifflige Situation.

Dass es bei der Aktion keinen Gewinner gibt, ist uns auch klar. Hamburg hat die Stehplätze im Vergleich zur letzten Saison für zwei Euro weniger verkauft, der günstigste Stehplatz kostete aber immer noch 40 Euro. Das ist ein Witz, eine Alibi-Aktion. Bei den 900 Stehplätzen sind das 1800 Euro. Die Verantwortlichen halten uns Fans teilweise für naiv. Aber 900 mal zwei können wir auch noch rechnen. Wir hatten bereits zuvor zum Boykott aufgerufen. Der BVB hat die Auswärtsdauerkarten jedoch dieses Mal nicht zurück genommen. Deswegen mussten wir den Leuten, die schon Karten gekauft hatten, die Möglichkeit geben, am Boykott teilzunehmen. Die rund 1000 Fans im Stehplatzblock haben vor dem Spiel ihre Interessen mit Gesängen wie „Fußball muss bezahlbar sein“ öffentlich gemacht und anschließend – vor Anpfiff - den Block verlassen. Sie haben das Spiel außerhalb des Hamburger Stadions geguckt oder sind nach Hause gefahren. Das war während des Spiels deutlich zu hören: Von unseren Fans ging überhaupt keine Stimmung aus. Das hat man vor allem gemerkt, als die Mannschaft in Rückstand war.

Mit dieser Aktion wollten wir zeigen, was die Vereine verlieren, wenn die Fans nicht ins Stadion kommen. Junge Fans, Schüler oder Studenten, sind oftmals hauptverantwortlich für die gute Stimmung im Block. Und gerade diese Leute können sich überteuerte Tickets auf Dauer nicht leisten.

Hat die Aktion Sinn und Zweck erfüllt?

Schöler: Ja. Ich bin der Meinung, dass es uns gut gelungen ist, auf unsere Aktion aufmerksam zu machen. Wir haben im Sportstudio, bei Sky und in der Tagespresse Präsenz gezeigt. Für die ‚Süddeutsche’ waren wir sogar das Highlight des Spieltags.

Was passiert, wenn die Karten immer teurer werden?

Schöler: Das liegt doch auf der Hand. Nehmen wir England als Beispiel. Dort spielen super Fußballer in tollen Stadien. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Stadien, wenn überhaupt, nur bei den Top-Teams voll sind. Als Dortmund bei Manchester City gespielt hat, war das Stadion auch nicht voll. Atmosphäre, Stimmung – all das ist im Mutterland des Fußballs gar nicht mehr vorhanden. Die Engländer drehen durch, wenn wir deutschen Fans kommen und sie daran erinnern, welche Atmosphäre zu einem Fußballspiel gehört. Richtige Fans gehen in England immer weniger in Stadien, da es zu teuer ist. Sie sitzen in den Pubs. Wenn wir in Deutschland so weitermachen, habe ich Angst, dass Fußball, ähnlich wie in England, eine Touristenattraktion wird. Da müssen wir aufpassen. Wenn sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Tickets nicht mehr leisten können, ist das ein Problem. Wenn ich mit 20 keine Dauerkarte kaufe, tue ich das mit 40 auch nicht.

Sind auch die Dauerkarten überteuert?

Schöler: Das preisliche Niveau für Dauerkarten ist okay. Wir zahlen 187 Euro für einen Stehplatz auf der Südtribüne, das sind elf Euro pro Spiel.

Können Sie die Transparente der Schalke-Fans nachvollziehen?

Schöler: Ja, in jedem Fall. Die Leute, die mit Herz und Seele dabei sind, verzeihen der Mannschaft ein Unentschieden. Auch zwei. Wer allerdings kein Herzblut-Fan ist und wie im Kino unterhalten werden will, der kann es vielleicht auch nicht leiden, wenn der Held am Ende des Tages stirbt.