Dortmund. . Borussia Dortmund hat sein Auftaktspiel gegen Werder Bremen in einer sehenswerten Art und Weise gewonnen und dabei einige positive Glanzlichter gesetzt. Das darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass nicht alles „Glanz und Gloria“ war beim Meister, der mit dem Gast aus der Hansestadt mehr Mühe hatte als erwartet.
Schon lange vor dem Spiel herrschte Riesenstimmung. Erwartungsvolle Gesichter, wohin man auch blickte. Es ist einfach immer wieder großartig, wenn Borussia nach der langen Sommerpause wieder ruft und sich alle wieder in gewohntem Umfeld einfinden. Ob Stunden vor dem Spiel an den gewohnten Treffpunkten, ob in der letzten Stunde vor dem Anpfiff auf den angestammten Tribünenplätzen: Dieses großes „Hallo“ ist eine Mischung aus Familienfeier und Klassentreffen, endlich endlich, hockt man wieder zusammen, lässt die unfassbare Doublesieger-Saison und die Tage Revue passieren, nach der längsten Sommerpause aller Zeiten und freut sich unbändig darauf, dass es endlich wieder losgeht.
Doch bevor der erste Ball rollt, hat der liebe Gott uns alle vor eine harte Prüfung gestellt. Das ist der (einzige) Nachteil daran, die Saison als Titelverteidiger zu beginnen. Denn scheinbar reicht es nicht, dass nach mehr als 100 Tagen wieder Bundesligafußball dargeboten wird, nein, die Veranstaltung muss schon mit sogenannten Eventhäppchen angereichert werden. Und so mussten die 80.000 im natürlich ausverkauften Stadion eine aufgeblähte Auftaktveranstaltung über sich ergehen lassen, die die wenigsten von ihnen gebraucht hätten. Alle möglichen weißgekleideten Menschlein flitzten über den Rasen, fanden sich zu Formationen zusammen, schwenkten Fahnen, zeigten Plakate mit Botschaften. Und stahlen dem Publikum Zeit, denn leider verzögerte sich durch das Rahmenprogramm auch der Anpfiff. Und so dürfen sich die Verantwortlich nicht darüber beschweren, dass es neben höflichem Applaus auch nicht zu überhörende Pfiffe gab. Die Geschmäcker mögen da verschieden sein, mir war das alles eine Spur zu aufgesetzt, eben der berühmte Tick zu viel. Und die Reaktionen im weiten Stadion-Rechteck lassen mich zumindest hoffen, dass es mir nicht allein so ging.
Kommen wir aber zum Wesentlichen, dem Spiel unserer Borussia und einem hart erarbeiteten Sieg über einen Gast, den sicher viele Besucher nicht so stark erwartet hatten, zumal die Bremer in der Woche zuvor beim Drittligisten Preußen Münster im Pokal einen herben Dämpfer hatten hinnehmen müssen. Davon war am Freitagabend davon nichts mehr zu spüren, die Hanseaten kickten nicht nur gut mit, sondern brachten den BVB ein ums andere Mal in Schwierigkeiten. Zweierlei fiel auf: Zum einen fehlt es noch an der Feinabstimmung zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen bei Borussia, denn trotz aller Bemühungen konnten unsere beiden Sechser den Laden nicht wie gewohnt zusammenhalten und teilweise klafften große Lücken zwischen den Mannschaftsteilen, die Bremen zu nutzen wusste.
Abwehr nicht immer sattelfest
Und die umformierte Abwehr stand nicht wie gewohnt sattelfest, sondern schwamm mehr als einmal. Oliver Kirch mühte sich redlich, den verletzten Lukasz Piszczek zu ersetzen, doch mehr als großer Einsatz und einige gute Ansätze kamen allerdings nicht dabei heraus. Verdammt weit scheint der Weg, den Mittelfeldmann als Außenbahnspieler “neu zu erfinden“. Auch Marcel Schmelzer auf der anderen Seite hat sicher schon bessere Spiele gemacht. Ihm blieb allerdings größeres Unheil erspart, weil Kevin Großkreutz mit großem Einsatz nach hinten arbeitete und somit sein unauffälliges Spiel nach vorn weitgehend kompensierte.
Ein absolut gelungenes Debüt bei seiner Rückkehr in die Heimat feierte Marco Reus (Zitat Beckenbauer:„der neue Superstar der Liga“), nicht nur wegen seines fein herausgespielten und klasse vollendeten Führungstreffers. Mehr als einmal deutete er sein ungeheures Potenzial an, das Zusammenspiel mit den Kollegen klappt bereits erstaunlich gut – wenn da noch mehr an Laufwegen „auswendig gelernt“ ist und sitzt, werden sich wohl noch einige Gegner warm anziehen müssen. Von Reus, diese Erkenntnis kommt nicht allzu überraschend, dürfen wir einiges erwarten.
Absolut erfreulich ist, dass sich der BVB auch in dieser Saison nicht von Rückschlägen aus dem Konzept bringen lässt. Der Bremer Ausgleich – einerseits verdient, andererseits aber wie aus dem Nichts – wurde umgehend weggesteckt, ein paar Minuten später hatte der eingewechselte Mario Götze den Betriebsunfall repariert. Mit einem feinen Treffer, der ihm nach seiner langen Leidenszeit besonders gutgetan haben dürfte.
Reaktion des Publikums hat gutgetan
Gut getan hat mir persönlich nach dem Bremer Ausgleich nicht nur die Reaktion der Mannschaft, sondern auch die des Publikums. Nur ein ganz kurzes Schütteln, dann folgte das ganze Stadion dem Aufruf „Deutsche Meister steht auf“ und peitschte die Schwarz-Gelben wieder nach vorn. Das war nicht immer so in Dortmund, es wäre schön, wenn wir diese Tugend konservieren könnten. Denn auch wenn wir Double-Sieger und Titelverteidiger sind – es wird Rückstände und Rückschläge geben. Diese Mannschaft kann das wegstecken, das hat sie immer wieder bewiesen. Aber vielleicht fällt es ihr einfach ein bisschen leichter, wenn wir Fans sie dabei unterstützen. Das sollten wir unbedingt so beibehalten!
Uli Vonstein (www.gibmich-diekirsche.de), 27. August 2012