Bad Ragaz. Michael Zorc bringt gute Laune mit. Und Zeit. Der dienstälteste Sportdirektor der Bundesliga spricht über Propheten und Kardinalfehler, das Grundgesetz und eine Gebührenordnung, Gier und Sexappeal.

Herr Zorc, wie oft muss man eigentlich nacheinander Deutscher Meister werden, um im folgenden Jahr den Anspruch zu formulieren, wieder Meister werden zu wollen?

Michael Zorc: Ich verdiene mein Geld nicht mit Prophezeiungen. Das ist auch nicht unser Ansatz. Was haben wir davon, wenn wir sagen, dass wir Deutscher Meister werden wollen? Nichts! Wir kriegen keinen Punkt mehr, keinen Vorsprung – es wird nicht besser dadurch. Die Fans und das Umfeld müssen erkennen, dass das zwei außergewöhnliche Spielzeiten waren. Zweimal mit acht, neun Punkten Vorsprung Deutscher Meister zu werden, ist nicht die Normalität.

Was ist normal?

Zorc: Wir halten uns ganz gern an Fakten. Im Fußball gibt es die Abhängigkeit von sportlichem Erfolg und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die ist eine Zeit lang außer Kraft zu setzen. Aber auf Grund der wirtschaftlichen Stärke muss Bayern München der Topfavorit Nummer eins sein. Das steht zwar noch nicht im Grundgesetz, auch wenn man zwischendurch den Eindruck hatte, das ist aber so. Die haben nunmal die besten wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Der BVB hat seine Möglichkeiten stark verbessert.

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Zorc: Das ist auch so. Wir haben unsere Rahmenbedingungen in den letzten Jahren erheblich verbessert. Nun wollen wir uns nachhaltig in der Champions League etablieren. Das heißt zum einen: auch mal überwintern. Und zum anderen: immer wieder qualifizieren. Das ist für uns auch wirtschaftlich elementar wichtig.

Anders gesagt: Der BVB ist wieder richtig groß. Die Entwicklung des Vereins von der Quasi-Insolvenz hin zum Ist-Zustand ist rasant. Macht Ihnen das manchmal auch Angst?

Zorc: Nein, wir haben keine Angst. Und wir empfinden unseren eigenen Erfolg auch nicht als Belastung oder Drucksituation. Wir haben die letzte Saison analysiert und festgestellt: Mit dieser Mannschaft muss es möglich sein, sich in der Spitzengruppe der Bundesliga zu etablieren. Das bedeutet: auf Platz eins bis vier abzuschließen.

Vermutlich war es nie angenehmer, Sportdirektor des BVB zu sein – und wahrscheinlich auch nie gefährlicher. Es heißt, im Erfolg macht man die meisten Fehler.

Zorc: Natürlich ist das Arbeiten angenehmer als vor fünf Jahren. Das heißt nun aber nicht, dass man sich gemütlich zurücklehnt. Das ist der erste Fehler, den man machen kann.

Zorc will beim BVB „die Gier nach Erfolg bewahren“ 

Welche noch?

Zorc: Der Kardinalfehler ist, dass man vergisst, wie man den Erfolg errungen hat. Nämlich, indem man gierig darauf war. Sich die Gier nach Erfolg zu bewahren, ist das A und O. Das Talent ist ja zweifelsohne da.

Wie kann man dem Verlust von Gier vorbeugen?

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Zorc: Sie erfordert ein hohes Maß an Hingabe und Leidenschaft. Das setzt ein Zusammenwirken von Mannschaft, Trainer und Trainerstab in der täglichen Arbeit voraus. Alle müssen sich immer wieder vor Augen halten, wie wir unsere Spiele gewonnen haben.

Erfolg macht bekanntlich sexy. Stapeln sich auf Ihrem Schreibtisch die Angebote an den BVB?

Zorc: Das ist in der Tat so. Wir haben uns aber gesagt, dass wir diese junge Mannschaft, die in ihrer Entwicklung noch lange nicht am Ende ist, so sinnvoll und gut wie möglich zusammenhalten. Es ist nicht nur immer England und die große, weite Welt. Borussia Dortmund als Klub ist eben auch sexy. Hier haben unsere Spieler angefangen, Geschichte zu schreiben.

Spüren Sie, dass der Erfolg auch teuer ist? Zum Beispiel durch höhere Ablöseforderungen, die andere Vereine nun stellen?

Zorc: Diese Gefahr gibt es, ja. Weil man erfolgreich war, entsteht der Eindruck, dass man bereit ist, chronisch höhere Ablösesummen zu bezahlen. Da muss man lernen, auch mal Nein zu sagen.

Ein Nein hören Spielerberater gar nicht gerne. Sie verdienen bei solchen Transfers kräftig mit. In der Bundesliga ist eine Debatte über eine Art Gebührenordnung für Spielerberater entbrannt. Ist so etwas realistisch?

Zorc: Ich glaube ja. Eine Gebührenordnung wie zum Beispiel bei Rechtsanwälten würde einen Großteil der Transfers und Vertragsverlängerungen, bei denen die Provisionen auch anfallen, regeln. Natürlich wird es immer Ausnahmesituationen geben. Da darf man nicht blauäugig sein. Wenn sich drei Klubs um einen Spieler balgen, wird schon mal die Gebührenordnung außer Acht gelassen. Der Ansatz aber ist sinnvoll, weil man etwas hat, an dem man sich orientieren kann.

Wie wäre eine solche Gebührenordnung umsetzbar?

Zorc: Das ist relativ einfach: Prozentsatz X vom vermeintlichen Jahresgehalt. Es ist jetzt schon so, dass nicht die Transfersumme als Maßstab gilt, sondern das Jahresgehalt.