Dortmund.. Es gäbe viel Positives, das man nach diesem Fußball-Wochenende aus Fansicht über die Borussia berichten könnte. Man hat Werder Bremen dominiert und verdient gewonnen, ist damit sagenhafte 20 Spiele in Folge ungeschlagen. Doch leider ist Fremdschämen angesagt.

Es gäbe viel Positives, das man nach diesem Fußball-Wochenende aus Fansicht über die Borussia berichten könnte. Man hat Werder Bremen dominiert und verdient gewonnen, ist damit sagenhafte 20 Spiele in Folge ungeschlagen. Auch die mit jedem Gegner ohne Gegenwehr wachsende Hybris an der Isar hätte Stoff für eine Fankolumne geliefert. Doch leider gab es ein Vorkommnis, das den Fußballsport etwas überschattet hat. Und es gab Anlass, sich für einige Dortmunder Anhänger zu schämen.

Beschämende Spruchbänder

Zu Beginn und gegen Ende der zweiten Halbzeit „zierten“ zwei Spruchbänder die Südtribüne, die in dieser Form, von ihrer Intention unabhängig, absolut unzumutbar waren. Es ist zwar diskutabel, ob es sinnvoll ist, den auf diesem Wege transportierten Inhalten hier noch einmal eine Bühne zu bieten, aber man kann sie unter keinen Umständen unkommentiert lassen. Und wenn man darüber redet, muss man wissen, über was man redet.

Eine Gruppe Dortmunder Fans, die sich selbst als Ultra-Gruppierung versteht, hielt in dieser Reihenfolge folgende Botschaften für politisch linksliberal orientierte Bremer Ultras parat: „Gutmenschen, Schwuchteln und Alerta-Aktivisten, wir haben euch im 20 vs. 100 gezeigt, was Fußball ist“ und „Lieber eine Gruppe in der Kritik als Lutschertum & Homofick“.

Bitterer Beigeschmack

Nicht nur für alle anwesenden Gib mich DIE KIRSCHE-Redakteure, sondern für eine überragende Mehrheit der BVB-Fans hatte der Erfolg über Werder deshalb einen bitteren Beigeschmack. Der Fangruppe, aus der die Urheber dieser beiden menschenfeindlichen Entgleisungen stammen, wurde in der Vergangenheit, nicht zuletzt aus der in Teilen lobenswerter Weise gegen Rassismus und Homophobie engagierten Bremer Fanszene, immer wieder vorgeworfen, „nach Rechts offen“ oder bereits eine rechtsradikale Gruppe zu sein.

Obwohl man mit solchen Pauschalisierungen sehr vorsichtig sein sollte und obwohl sich die Gruppe erst Anfang dieser Spielzeit via Internet und Handzetteln von solchen Unterstellungen und entsprechenden Inhalten distanziert hat, muss man konstatieren, dass eine solche Art von Hassbannern schon beinahe einem Offenbarungseid gleich kommt und sich die Gruppe auf diese Weise mit ziemlicher Sicherheit selbst massiv geschadet hat.

Prahlerei mit Prügelei

Von der intolerablen Homophobie beider Spruchband-Äußerungen, mit der man eben nicht nur eine kleine Gruppe gegnerischer, sondern auch eine noch größere Gruppe heimischer Fans, sowie unzählige Mitglieder dieser Gesellschaft beleidigt, abgesehen, lassen die Äußerungen besagter Dortmunder Fangruppe weitere Rückschlüsse auf dort herrschende oder im schlimmsten Fall sogar vorherrschende Einstellungen zu.

So wird auf dem ersten Spruchband offen mit einer aktiv aufgesuchten bzw. selbst inszenierten körperlichen Auseinandersetzung auf einem Rastplatz geprahlt, die zwischen Anhängern besagter Gruppe und Bremer Anhängern stattfand, als es zu gar keinem Aufeinandertreffen zwischen beiden Vereinen kam. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzt: Sinngemäß wird behauptet, das „ist Fußball“! Ein ungeheurer Fehlglaube, der da vorherrscht. Das hat mit Fußball nämlich gar nichts zu tun.

Allgemeine Vorwürfe gegen „die Ultras“ sind unangemessen!

Den vereinzelt auf dem Heimweg vom Stadion vernehmbaren Äußerungen à la „die Ultras wieder…“ möchten wir an dieser Stelle aber trotzdem entschieden entgegentreten. Die ohnehin eher fußballzentrierte Gruppe „The Unity“ hatte damit ebenso wenig zu tun, wie die „JuBos“, die – ganz im Gegenteil – auf ihrem Spruchband zuvor Timo Konietzka geehrt und damit gezeigt hatten, dass man sich auch im Konsens und dem Verein und seiner Historie würdig auf der Tribüne äußern kann.

Tu was, Borussia!

Mit Sicherheit ist dies auch mitnichten ein Aufruf zu einer wie auch immer gearteten Kollektivstrafe gegen die Gruppe, aus der die Verursacher stammen. Es ist nicht bekannt, ob wirklich alle Gruppenmitglieder oder vielleicht eben auch „Gruppen-Externe“ daran beteiligt waren. Wir möchten aber die Hoffnung ausdrücken, dass sowohl das offene Eingeständnis von Hooliganismus, als auch die in hohem Maße homophoben Schmähungen, nicht nur auf pädagogischem Wege bestraft werden.

Wir freuen uns, dass sich der Verein und allen voran die Fan-und Förderabteilung, bereits klar distanziert haben, hoffen aber trotzdem, dass es dabei nicht bleibt. Der Fanbetreuung sind alle ausschlaggebenden Personen bekannt. Tu was, Borussia! Denn wenn man an einen Punkt gelangt, wo man sich richtig gehend schämen muss, ein Borusse zu sein, ist das alarmierend.

Ebenso alarmierend, wie die Schlägerei auf der Süd, als es für Fans, die beim Stand von 1:0 in der 80. Spielminute lieber das Geschehen auf dem Feld verfolgen wollten, als von hinten auf das Hass-Banner zu schauen, Schläge mit Fahnenstangen setzte. Wenn das Image eines ganzen Vereins so negativ in Mitleidenschaft gezogen wird, muss es vielleicht irgendwann mal heißen „DES Maß ist voll!“

Der Fußball ist bei einigen in den Hintergrund getreten

Und zwar nicht nur wegen Gewalt, Homophobie und dem Verdacht des Rassismus, sondern auch wegen des in hohem Maße mangelnden Respekts vor der ganzen Fanszene. Die Südtribüne als Kulisse für solche Botschaften zu missbrauchen, legt den Verdacht nahe, dass die Täter schon so weit in eine nur bedingt existente Parallel-Welt abgerückt sind, dass sie die Tragweite ihrer Handlungen gar nicht mehr einschätzen können.

Die große Bühne Westfalenstadion zu nutzen, um auf so umfassend beleidigende Art und Weise einen „Privatkrieg“ auszufechten, an dem keiner außerhalb zweier kleiner Gruppen beteiligt ist, zeugt jedenfalls ganz sicher von einem: Der Fußball ist für einige längst in den Hintergrund getreten – ganz entgegen der eigenen Aussagen auf dem kritisierten Banner.

19.03.2012, Gib mich DIE KIRSCHE, Redaktion