Dortmund. Der BVB fordert Branchenprimus Bayern München heraus – doch anders als früher ist die Konkurrenz auf Dauer angelegt. In den 90er Jahren versuchte Borussia Dortmund mittels horrender Millionensummen den Bayern-Weg zu optimieren. Nun hat der Klub ein Alternativmodell entwickelt.

Die Situation ist nicht neu für den FC Bayern München, den Rekordmeister, den Vorzeigeklub, den Fixstern des deutschen Fußballs. Immer mal wieder erhob sich ein Rivale, der den Branchenprimus herausforderte. Zu Beginn der 80er Jahre war es der HSV, dann kam die Zeit des SV Werder Bremen, schließlich durfte sich auch Borussia Dortmund als ernstzunehmender Konkurrent verstehen.

Nun ist der BVB erneut zum Herausforderer aufgestiegen. Doch anders als in den 90er Jahren, als der BVB mittels horrender Millionensummen schlicht versuchte, den Bayern-Weg zu optimieren (und ihm neben drei Meistertiteln und einem Champions-League-Sieg auch beinahe die Insolvenz gelungen wäre), hat der Klub nun ein Alternativmodell entwickelt. Und die Republik staunt – und fragt sich: Wie ist das möglich? Und: Wäre das nicht auch in München möglich? Schließlich hätte ja vor gut vier Jahren alles anders laufen können...

Die Trainer: Jürgen Klopp, so erzählt man es sich in Mainz, sei etwas niedergeschlagen gewesen an jenem Tag im Januar 2008, als ihn im Hotel Barcelo in Andalusien der Anruf von Uli Hoeneß erreichte. Der damalige Bayern-Manager teilte dem damaligen Mainzer Trainer in warmen Worten mit, dass sich der Rekordmeister für einen „ähnlichen Trainer“ entschieden habe. Sein Name: Jürgen Klinsmann... Und während Klopp mit dem BVB geradewegs auf die Titelverteidigung zusteuert, blieb von dem so ähnlichen Trainer neben amüsanten Buddha-Statuen reichlich verbrannte Erde. Inzwischen gestand Hoeneß, dass die Einschätzung, der Zweitliga-Trainer aus dem kleinen Mainz sei noch nicht reif für seinen Weltklub, wohl „ein Fehler“ war.

Das Umfeld: Doch hätte es mit Jürgen Klopp bei den Bayern wirklich geklappt? So einfach ist die Geschichte nicht – denn Jürgen Klopp war ja auch in Dortmund keineswegs sofort der Erlöser, der „Königstransfer“, wie BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ihn nennt. In Klopps erster Saison wurde die Europacup-Teilnahme am letzten Spieltag verdaddelt, und nach dem schlechtesten Saisonstart seit 21 Jahren war der BVB im Spätsommer 2009 nur Tabellen-15. – das mediale Rumoren setzte ein. Doch Watzke blieb gelassen: „Das Vertrauen zu Klopp war und ist grenzenlos. Es gibt nicht ein Promille Unsicherheit“, sagte Watzke damals. Der BVB wurde am Saisonende Fünfter – und der Höhenflug begann.

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In der gleichen Situation wäre beim FC Bayern vermutlich a) Uli Hoeneß mit hochrotem Kopf in die Kabine gestürmt und hätte vernehmlich gezetert, b) hätte Karl-Heinz Rummenigge dem Trainer seine Klamottenwahl oder wahlweise seine Einwechslungen vorgeworfen („Fußball ist keine Mathematik“) und c) hätte Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer in seiner Kolumne für eine, nun ja, etwas größere Boulevard-Zeitung angemerkt, dass der einstige Zweitliga-Trainer vielleicht Akklimatisierungsprobleme mit der Höhenluft beim FCB hätte. Ruhig zumindest wäre es in München niemals geblieben. Ist es nie. Und nicht einmal Platz zwei garantiert einem Bayern-Trainer seinen Arbeitsplatz. Diese Kurzatmigkeit aber verträgt sich nicht mit der Suche nach . .

. . . einer Philosophie: Klopp implantierte den Borussen einen unvergleichlichen Spielstil. Schnell, offensiv, mit extrem hoher Laufbereitschaft, am Ende dem Kollektiv verpflichtet. Der FC Bayern dagegen sucht verzweifelt nach einem erweiterten Kulturbegriff – denn die einzige und zudem unvergleichlich erfolgreiche Bayern-Kultur heißt: gewinnen. Das Experiment, die reine Effizienz mit Attraktivität zu paaren, wurde unter Louis van Gaal begonnen – und, nachdem sich van Gaal in den Augen der Bayern-Führung disqualifiziert hatte, wieder auf den Müllhaufen der Klubgeschichte gekippt. Es greift der Bayern-Reflex: Nach einem Revoluzzer auf der Bank (Klinsmann, van Gaal) muss ein Konservativer (Hitzfeld, Heynckes) die gute alte Bayern-Welt wiederherstellen.

Die Mannschaft: Die mangelnde Geduld der Bayern, teils auch der Mangel an Kreativität, gilt auch für den Aufbau einer Mannschaft. Der BVB kaufte sehr zielgerichtet ein – und nahm dafür im Zweifel durchaus Geld in die Hand. Erst kam Neven Subotic; dann wurde Mats Hummels, dessen Potenzial bei den Bayern offenbar verkannt wurde, für eine Millionensumme direkt aus München importiert – auch Sven Bender lockte der BVB sprichwörtlich aus der Höhle des Löwen. Dazu kamen Eigengewächse (Schmelzer, Götze) und immer wieder junge Spieler mit Perspektive (Leitner, Bittencourt) – die Bayern dagegen bedienen sich gern am Feinschmecker-Regal der nationalen Konkurrenz (Neuer, Gustavo, Boateng, Gomez). Inzwischen aber ist der BVB so weit, einen Spieler wie den gebürtigen Dortmunder Marco Reus, der ins Profil passt, auch aus dem Hochpreissegment zu fischen. Dafür sorgt das frische Geld aus der Königsklasse.

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Die Finanzen: BVB-Chef Watzke weist unaufhörlich auf den Standortvorteil der Bayern hin, die unbehelligt von regionaler Konkurrenz die Kohle einsammeln können. Das Argument ist nicht falsch – doch die Borussen haben, im Vergleich zu früheren Bayern-Rivalen, den Vorteil, dass der Quell Champions League schneller sprudelt als je zuvor. Selbst in der total verpatzten Champions-League-Saison erlöste der BVB rund 20 Millionen Euro – und gewann nicht nur Planungssicherheit, sondern auch Ressourcen.

Dennoch: Der BVB wird die Bayern nicht einholen können, kann nicht der FC Bayern sein – er will es auch nicht. Und so wie die Münchner nicht zum Borussen-Vorbild taugen, so wenig wird der FC Bayern den Dortmunder Weg kopieren können. Es sind zwei unterschiedliche Modelle – und genau das macht auch den Reiz dieses Duells aus.