Dortmund. . Die mediale Berichterstattung zum 1:1 des BVB beim VfB verwundert: Stuttgart ist schließlich, um es mal in Trainer-Neudeutsch zu sagen, „keine Laufkundschaft“. Und ob wir nun erster Bayern-Jäger sind oder nicht, was macht das schon?

Als ich am Morgen nach dem 1:1 der Borussia beim VfB Stuttgart einen Blick auf die mediale Berichterstattung warf, traute ich meinen Augen kaum. „Der Meister verliert den Anschluss“, las ich da, oder „BVB vergibt Sieg und ist nicht mehr erster Bayern-Jäger“. Im Videotext des WDR sind die Kollegen der Ansicht: „BVB muss sich mit Remis begnügen“. Das mag zwar in der Sache alles stimmen, dennoch frage ich mich angesichts solcher Darstellungen, in welcher Welt diese Berichterstatter eigentlich leben, von welchem Erwartungshorizont diese Menschen eigentlich ausgehen.

Nur mal zur Klarstellung: Diese Mannschaft hat in der Bundesliga vier Mal hintereinander gewonnen, sich am Dienstag einer ungenehmen Pokalaufgabe souverän entledigt und jetzt in einem vorzüglichen Spiel ein bisschen ärgerlich nicht gewonnen. Ist das etwa nichts, wie die Tendenz der Berichterstattung zumindest unterschwellig suggeriert?

Darf man denn jetzt als Borussia Dortmund nicht mehr aus Stuttgart mit einem Punkt im Gepäck heimkehren, ohne sich deswegen zu grämen? Das finde ich ziemlich überzogen! Stuttgart ist schließlich, um es mal in Trainer-Neudeutsch zu sagen, „keine Laufkundschaft“. Nach einem durchwachsenen Start hat sich die Labbadia-Truppe in der oberen Hälfte festgesetzt, lediglich zwei Punkte weniger auf der Uhr als der Dortmunder Ballspielverein. Da kann man als Gast auch mal mit einem Unentschieden zufrieden sein, zumindest wenn man normale Maßstäbe anlegt.

Und ob wir nun erster Bayern-Jäger sind oder nicht, was macht das schon? Meiner Kenntnis nach gehört Bayern-Jäger nicht zu jenen Titeln, für die man seinen Briefkopf ändert. Auch die Tatsache, dass nun ein anderer Revierverein Platz zwei der Tabelle ziert, ist im Moment doch so unerheblich wie der Beitrag von Sepp Blatter zur guten Stimmung in einem WM-Finale.

Vielleicht das bisher beste Spiel dieser Saison

Wer die Begegnung in Stuttgart gesehen hat, wird es vermutlich nicht so schnell vergessen. Es was das vielleicht beste Spiel, das diese Bundesliga-Saison in ihren bisher elf Spieltagen hervorgebracht hat, es war eine Werbung für diesen Sport, reihenweise Torchancen - jeder neutrale Zuschauer durfte seine helle Freude an dem Treiben auf dem Rasen haben. Auch die Gastgeber dürfen sich zufrieden wähnen, weil der Punkt aus ihrer Sicht ein gewonnener ist, weil er vom Glück begünstigt wurde.

Trotzdem ist das Remis aus Dortmunder Sicht im Umkehrschluss kein verlorener Punkt, denn es gibt eine Menge an Positivem, das die Borussen aus diesem Spiel mitnehmen dürfen. In erster Linie die Tatsache, dass sich die Mannschaft von widrigen Begleiterscheinungen nicht aus der Spur bringen lässt. Das zeigt sie, als sie trotz der Stau-Anfahrt von Beginn an das Heft des Handels auf dem Feld ergreift. Diese Mannschaft lässt sich auch nicht durch einen ärgerlichen Rückstand aus der Spur bringen, sondern zieht ihren Streifen durch.

Beherztes Angreifen

Sie lässt auch den Kopf nicht hängen, als der Schiedsrichter ihr einen glasklaren Strafstoss verweigert, sondern greift weiter beherzt an und belohnt sich mit dem hochverdienten Ausgleichstor noch vor der Pause. Dass Schiri Gräfe den Elfmeter verweigert, ist sicher ärgerlich. Aber ob das Spiel deswegen einen anderen Verlauf genommen hätte? Zum einen waren danach noch mehr als 50 Minuten Zeit für Tore, zum anderen lehrt ein Blick in die jüngere Dortmunder Bundesliga-Historie, dass ein Elfer alles andere als eine Torgarantie darstellt… Also Schwamm drüber!

Natürlich hätte die Borussia das Spiel für sich entscheiden können, an den fehlenden Gelegenheiten lag es sicher nicht. Aber man muss einfach auch mal anerkennen, dass im Stuttgarter Tor ein Sven Ulreich in Galaform seinen Dienst versah. Was dieser Bursche an besten Möglichkeiten zunichte machte, verdient schlichtweg das Prädikat ‘Weltklasse’. Und deswegen ist es auch Unfug, die gute Leistung der Dortmunder deswegen kleinzuschreiben und zu bemäkeln.

Enormes Pensum

Zudem muss auch mal nebenbei gesagt werden, dass der Truppe keine Sekunde lang anzumerken war, dass der Spielplan ihr derzeit ein enormes Pensum abverlangt. Einsatz, Laufbereitschaft und Siegeswille waren bis zum Schlusspfiff spürbar, das stimmt hoffnungsfroh.

Schließlich steht in wenigen Stunden schon das nächste wichtige Spiel auf dem Programm, die definitiv letzte Gelegenheit, in der Champions League wenigstens noch ein bisschen was zu reißen. Wenigstens das zarte Pflänzchen Hoffnung zu nähren, aus der scheinbar ausweglosen Lage doch noch überraschend auf Platz zwei in der Gruppe F zu kommen. Oder vielleicht zumindest den dritten Platz und damit das Überwintern in der Euro League zu schaffen. Im Idealfall gelingt das mit einer Leistung wie der in Stuttgart und einem Spielausgang wie dem vor einer Woche gegen Köln - dann bin ich auf die Lobeshymnen derer gespannt, denen der Punkt in Stuttgart zu dürftig war.

Uli Vonstein (www.die-kirsche.com)