Dortmund. .
Am Rande des Pokalspiels zwischen dem BVB und Dynamo Dresden kam es zu den erwarteten schweren Ausschreitungen von Fans der Sachsen. Mit diesem Verhalten machen sich die Anhänger das Leben selbst schwer.
Als wenn wir es nicht längst schon geahnt hatten: Das als „Hochrisikospiel“ eingestufte Pokalspiel zwischen Borussia Dortmund und Dynamo Dresden wurde - wie nicht anders zu erwarten war - von schweren Fanausschreitungen am Rande der Begegnung begleitet. Bereits vor der Partie, die mit einer Viertelstunde Verspätung angepfiffen wurde, kam es zu Zusammenstößen zwischen Dresdner Anhängern und der Polizei in der Dortmunder City.
Schiedsrichter Peter Gagelmann aus dem beschaulichen Bremen musste das Spiel in beiden Halbzeiten gar dreimal unterbrechen, weil wiederholt Gegenstände auf den Platz geworfen wurden und Pyrotechnik und Kanonenschläge eingesetzt worden waren. Doch wenn es das „nur“ gewesen wäre... Dem Land Sachsen, der Stadt Dresden und insbesondere ihrem Aushängeschild „Dynamo“ haben sie einen Bärendienst erwiesen und sich selbst nachhaltigen Schaden zugefügt.
Nicht nur, dass sie es sich damit selbst schwer machen, nach Amnestie für Stadionverbotler zu schreien, sie stehen sich und ihrer Bewegung selbst im Weg, weil sie kein Klischee ausgelassen haben, um als Rüpel, Rowdys und Hooligans abqualifiziert werden zu können. Und niemand wird da einen Unterschied machen zwischen den Ultras und den Hooligans, denn es konnte in der bösartigen Stimmung, die auf der ganzen Tribüne Raum griff, kaum unterschieden werden, wer nur um des Fußballs Willen nach Dortmund gereist war und wer Krawalltourist ist.
Dynamo Dresden nur auf den Rängen mit Feuer
Dresdens Trainer Ralf Loose, der sich regelrecht auf seine Reise in die Vergangenheit und ein Wiedersehen mit seiner Heimatstadt gefreut hat (“Ich bin ein echtes Dortmunder Eigengewächs, fühle mich in der Stadt sauwohl, kenne und liebe die Mentalität. Schon als Steppke ging ich mit meinem Vater ins Stadion Rote Erde, stand später auf der Südtribüne“), war anschließend konsterniert und beschied einem fragenden Dresdener Journalisten ratlos, dass sich „dazu andere äußern müssten.“ Der 48-Jährige sieht zwar erste Ansätze durchaus umgesetzt, „aber wir sind noch nicht da, wo wir hin wollen.“
Ähnlich äußerte sich Dynamo-Präsident Andreas Ritter: „Es ist traurig, wie sich einige Fans verhalten haben. Das wirft ein schlechtes Licht auf den Verein und macht unser Image deutschlandweit kaputt. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen die Fanarbeit ausbauen, in die Schulen gehen und Strategien finden, wie wir so was unterbinden können. Aber wir können nur immer wieder an die Vernunft der Fans appellieren.“ Und BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erklärte im ZDF zu den Vorkommnissen rund um das Spiel: „Das ist schrecklich, was da abgelaufen ist. Das tut mir für die Verantwortlichen von Dynamo Dresden leid.“
Die Dynamo-Mannschaft verhielt sich fair
Ungeachtet dessen, wie sich die Anhängerschaft präsentierte, muss man aber der Mannschaft von Dynamo ein großes Kompliment zollen. Zwar wurde der Klassenunterschied nach dem Wechsel sichtbar, aber auch als sie auf die Verliererstraße gerieten, blieben sie fair! Kein einziges böses Foul wurde begangen und keine noch so aufkeimende Hektik vermochte die Spieler zu Kurzschlusshandlungen zu verleiten. Eingedenk des kollegialen Umgangs der Spieler untereinander, wiegt das letztlich beschämende Verhalten der rund 10.000 SGD-Anhänger irgendwie noch schwerer – um nicht zu sagen es war schlicht überflüssig und passte überhaupt nicht in diesen tollen Rahmen.
Die Bilanz der Polizei fällt ebenso nüchtern aus: „Es war ein sehr schwieriger Einsatz“, erklärt Einsatzleiter Peter Andres gegen Mitternacht. Auch während des Spiels habe man einschreiten müssen, nachdem Dresdner, die sich von Dortmundern wohl verbal provoziert fühlten, die BVB-Ordner überrannten. Sorgen bereitete auch die Tatsache, dass einige Gewaltbereite „Eisenstangen“ aus den Sitzbereichen herausgerissen hatten. Teilweise habe die Polizei Reizgas einsetzen müssen, um zu befrieden. Man sei massiv körperlich angegriffen worden und habe sich zur Wehr setzen müssen, rechtfertigte Andres den Einsatz. Noch weit nach Mitternacht gab es in der Innenstadt vereinzelte Auseinandersetzungen zwischen Dresdnern und Dortmundern. „Fans“ kann man diese Idioten wohl guten Gewissens nicht nennen.
Ich habe nach dem Spiel mit einigen, richtig alten Haudegen aus der BVB-Fanszene gesprochen, aber keiner konnte einen halbwegs plausiblen Grund dafür benennen, warum die Dresdener derart feindselig in die Westfalenmetropole angereist waren. Beispielhaft kann man hier die „Revierfreude“ anführen, die seit 1993 freundschaftliche Bande zu einem Dynamo-Fanclub gegründet haben, erst kürzlich zusammentrafen und sich auch heute noch gut verstehen. Warum also dieser Auftritt? Es wird wohl ihr Geheimnis bleiben.
Holger W. Sitter, 26.10.2011 – www.die-kirsche.com