Niederlage und Sieg in letzter Minute in Hannover und Mainz, überflüssiges 0:3 in Marseille und schließlich ein hochverdienter 4:0-Sieg gegen Augsburg – die Fans von Borussia Dortmund durchleben ein Wechselbad der Gefühle.
Das gute an heutigen Redensarten ist, dass sie in der Regel schnellen, temporären Wechseln unterworfen sind. So hatten diejenigen, die es mit Borussia halten, gerade in der vergangenen Woche ausreichend Gelegenheit, ihre Position neu zu justieren und zu „überarbeiten“. Euphorisiert vom Last Minute-Sieg in Mainz, bezahlte man nur wenige Tage später derbe Lehrgeld am Mittelmeer, um dann zum Wochenende Augsburg am Ende genussvoll nieder zu ringen. Eine Achterbahnfahrt mit unserer Gefühlsebene, die uns Fragen wie Antworten gleichermaßen liefert.
Im sonnengefluteten, altehrwürdigen Stadion Rote Erde, in dem man – man glaubt es kaum beim 360 Grad Rundumblick – auch schon lange, lange Zeit vor Einführung der Champions League europäische Spiele auf Top-Niveau mit Spielern von Borussia Dortmund zu sehen kriegte, wurde im Biergarten bestens zur Lage diskutiert. Natürlich darf ein Deutscher Meister nicht mit 3:0 in Frankreich verlieren, keine Frage. Aber die in Bierlaune dort geborenen Lösungsansätze waren auch unter uns – auf der nach oben grenzenlos offenen Erfolgsskala – von interessant und vielschichtig bis unrealistisch zu bewerten.
Nicht vom Leistungsprinzip abgewichen
Kein geringerer als Jürgen Klopp aber beendete „nebenan“ mit einer cleveren Rotation jegliche Personaldebatte. Dabei schlug er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits ließ er so deutlich erkennen, dass er sich sehr wohl bewusst ist, keinen Jota vom Leistungsprinzip abrücken zu wollen, andererseits konnten die motivierten Nachrücker den Beweis der Leistungsdichte des Kaders antreten. Dem hier und da schon einsetzenden Gerede von „Erbhöfen“ und Bevorteilungen wurde so der Garaus gemacht. Zumindest vorläufig.
Wenig überraschend wollte es der Meistertrainer nicht als „Bestrafung“ verstanden wissen, dass er einige seiner Etablierten mal pausieren ließ. Ein anderer, für mich ebenso wichtiger Grund scheint aber auch zu sein, dass er weiß, dass die Belastungen und der enorme Aufwand aus der vergangenen Saison die geistige und körperliche Frische seiner Akteure in den Köpfen und Beinen immer noch beeinflussen und zuweilen auch lähmen können. Aber exakt deshalb wurde der Kader ja durch allerlei unbekümmerte Jugend vorausschauend ergänzt.
Geglückte Rotation endet in Lewandowski-Festspielen
Es hat überdies eh noch niemandem geschadet, in seiner Leistungsbereitschaft etwas angestachelt zu werden. Andererseits gibt es Spieler, „die zahlen Vertrauen zurück“, wie es sich der Chefcoach mit dem süffisanten Hinweis, dass zum Glück „nicht Journalisten die Mannschaft aufstellen“, so launig vor den Kameras entlocken ließ. Einer davon, von dem Klopp nicht müde wurde, an seine Fähigkeiten, sein Talent und sein entwicklungsfähiges Alter zu appellieren, darf sich getrost als Matchwinner feiern lassen. Sein Name: Robert Lewandowski. Auf ihn und seine Vielzahl vergebener Torgelegenheiten hatte sich – zuletzt in Mainz wieder – immer mal wieder der „Borussennerv“ reflexartig geregt. Gut, dass er es jetzt auch mal wieder allen so nachdrücklich gezeigt hat, dass er noch weiß, wie man das Spielgerät in die Maschen einlocht.
Als besonders nervend und aufdringlich empfinde ich den immer kürzer werdenden Überschriften-Journalismus à la „Der deutsche Meister Borussia Dortmund ist zumindest in der Bundesliga wieder zurück auf Erfolgskurs“, etc. Ja meine Herren, habt Ihr denn wirklich nix Anderes zu schreiben? Noch niemals wurde nach knapp einem Drittel der Saison irgendetwas prämiert bzw. als unabänderlicher Gradmesser als in Stein gemeißelt bewertet, sieht man mal vom Hamburger SV und seiner Negativserie ab, die den oft bemühten „Dino der Liga“ – mit Verlaub – durchaus auch ruhig mal mit den Niederungen des Unterhauses in Verbindung bringen darf. Immer getreu dem Motto: Heute gefeiert – morgen gefeuert. Da tut ein Stück Kontinuität und Souveränität gut. Hans-Joachim Watzke zum Beispiel hat dies nach Spielschluss eindrucksvoll expressis verbis vermittelt. Auf die Frage, ob die Spielweise im Vergleich zur letzten Saison noch verbesserungswürdig sei, sagte der BVB-Boss: „Nein. Die Vergangenheit wird immer verklärt. Es gibt ja auch heute immer noch Leute die behaupten, dass es in der DDR eigentlich ganz schön war. Wir haben letztes Jahr nicht jedes Spiel so gut gespielt, wie es nun erzählt wird. Wir hatten dort auch Spiele, in denen wir einfach nur gepunktet haben – genau wie jetzt.“ Treffend formuliert. Dem ist nach dem 1.500. Bundesliga-Spiel der Klub-Geschichte eigentlich gar nichts mehr hinzuzufügen.
Einfach mal die Fresse halten
Ich wünsche allen, die unseren Verein begleiten wollen und müssen, einfach mal einen Tick mehr Gelassenheit mitzubringen. In tagesaktueller Erinnerung an den bekannten Kabarettisten und Autor Dieter Nuhr sei nur darauf hingewiesen, dass sein Zitat: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten“ im Idealfall sicher eine geeignete Empfehlung für das richtig gewählte Stilmittel sein kann.
Lehnen wir uns also jetzt erst einmal entspannt zurück und wünschen unseren Nationalspielern in den diversen Nationalmannschaften verletzungsfreie und erfolgreiche Spiele.
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