Dortmund/Gelsenkirchen. . Der Deutsch-Türke Ilkay Gündogan kommt aus Gelsenkirchen, spielt für Dortmund - und fühlt sich in beiden Städten wohl. Am Samstag trifft er mit dem BVB auf seinen Ex-Klub Nürnberg. Der 20-Jährige ist ein Paradebeispiel für erfolgreiche Integration.

Vor einigen Tagen war er mal wieder da. Ein Auto mit süddeutschem Kennzeichen fährt nicht so oft durch den Stadtteil Heßler im Südwesten von Gelsenkirchen. Die Limousine fällt also auf. Ihr Besitzer, Fußballprofi Ilkay Gündogan von Borussia Dortmund, dagegen gar nicht. Zumindest in Heßler. Gündogan ist hier aufgewachsen, seine Familie lebt hier bis heute. Der 20-Jährige ist hier oft zu Besuch. „Er winkt immer freundlich, wenn er vorbeifährt. Neulich hat ihn unser Sohn beim Bäcker getroffen“, sagt Ralf Rielemann. Er hat den kleinen Ilkay einst in der Jugend des SV Hessler 06 trainiert. Dort, wo im „Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion“ alles begann.

Der Deutsch-Türke Gündogan war immer etwas kleiner und schmächtiger als seine Mitspieler. „Aber er war technisch klasse, dazu ein Kämpfer und hielt so auch bei den Älteren mit“, erinnert sich Ralf Rielemann. Ilkay Gündogan, seit kurzem eines der Gesichter einer neuen Integrationskampagne der Bundesliga, lernte zudem schnell, wie man sich durchbeißt, wenn man im Nationalitäten-Gemisch der Fußballer auch mal mit beleidigenden Worten provoziert wird.

Fußball als Sprungbrett

„Es gab da kleine Sachen. Du fühlst dich ungerecht behandelt oder benachteiligt“, erinnert er sich. Seine Antwort: „Im Fußball zählt Leistung. Dann ist es nicht wichtig, wo du herkommst. Und durch den Fußball bekommst du Möglichkeiten, die Leute nicht haben, die auf der Straße rumhängen.“ Gündogan glänzte auf den Ascheplätzen mit Leistung und nutzte den Fußball als Sprungbrett. Immer dabei, bei Heimspielen oder auswärts: seine Familie. „Die Gündogans sind hilfsbereit, zuvorkommend, bodenständig , voll integriert. Wie Ilkay“, sagt Sylke Rielemann, Trainer-Gattin und Frau für alles beim kleinen SV Hessler 06.

Sozial engagiert: Ilkay Gündogan hat die Schirmherrschaft für ein Sprachförderprojekt für Kinder im Dortmunder Norden übernommen.
Sozial engagiert: Ilkay Gündogan hat die Schirmherrschaft für ein Sprachförderprojekt für Kinder im Dortmunder Norden übernommen.

Von seinem Stammverein ging es für Ilkay Gündogan über den SSV Buer und den VfL Bochum zum 1. FC Nürnberg, wo er als 18-Jähriger zu seinem ersten Profieinsatz kam. Fern der Heimat wurde er im Mittelfeld der Franken zum Stammspieler und Leistungsträger. Auch hier dabei: Seine Familie. „Zu den Heimspielen reisten meine Eltern und mein Bruder fast immer an“, sagt der Fußballprofi. Die Gündogans förderten ihren Sohn aber nicht nur. Sie forderten ihn auch. Er durfte die Schule nie vernachlässigen und musste das Abitur machen. Das war im Mai geschafft. „Jetzt bin ich stolz“, sagt Gündogan, „vielleicht kann ich damit ein bisschen Vorbild für andere sein.“

Profifußball und Schule, die stressige Doppelbelastung hatte ihm vor allem im letzten Halbjahr zu schaffen gemacht. Und dann sorgte ein Entschluss noch für zusätzlichen Wirbel: Ilkay Gündogan entschied, für die deutsche und nicht für die türkische Nationalmannschaft zu spielen. „Ich wurde im Internet und auf der Straße als Verräter beleidigt“, erinnert er sich.

Jetzt bei Joachim Löw

Anfeindungen, die nicht vergessen, aber verdrängt waren, als der 20-Jährige vergangene Woche erstmals bei Bundestrainer Joachim Löw mittrainieren durfte und im Länderspiel gegen Brasilien auf der Bank saß. „Mein Trikot habe ich mitgenommen. Es ist etwas ganz Besonderes, bei der Nationalelf dabei zu sein.“

Beim Länderspiel gegen Brasilien stand Gündogan erstmals im Kader der Nationalelf (hier mit Cacau). Foto: Bongarts/Getty
Beim Länderspiel gegen Brasilien stand Gündogan erstmals im Kader der Nationalelf (hier mit Cacau). Foto: Bongarts/Getty

Auch der Bundesliga-Alltag gestaltet sich seit dem Wechsel vom 1. FC Nürnberg zum Meister Borussia Dortmund erheblich aufregender. Am Donnerstag waren beispielsweise über 2000 Fans beim Training. „Hier ist eben alles etwas größer“, sagt Gündogan, der das persönliche, ja familiäre Umfeld beim BVB schätzt. Der Deutsch-Türke fühlt sich wohl, hat sich bei der Borussia und in Dortmund eingelebt und schnell inte-griert. „Er hat eine tolle Vorbereitung gespielt und sich in einem hochkarätig besetzten Kampf um seine Position einen Vorsprung erarbeitet“, lobt ihn Jürgen Klopp.

Am Samstag läuft Ilkay Gündogan vor über 80.000 Zuschauern im brodelnden Signal Iduna Park gegen seinen Ex-Klub 1. FC Nürnberg auf (15.30 Uhr/Sky und im Live-Ticker von DerWesten). In den Folgetagen gibt es dann das Kontrastprogramm im ruhigen Heßler. Dort wird er seine Familie besuchen. Dort wird er seine drei besten Freunde treffen. „Dort werde ich nicht angehimmelt. Dort bin ich Ilkay, der Kumpel und nicht Ilkay, der Fußballprofi.“

Obwohl Ilkay Gündogan in Dortmund wohnt, wird er wohl auch künftig nicht mit Dortmunder Kennzeichen vorfahren. Dafür liegt Heßler dann doch ein bisschen nah am Nachbarstadtteil Schalke.