Donaueschingen. Wo Jürgen Klopp auftaucht, wird es laut. Autogrammjäger belagern den Trainer von Borussia Dormtund. Intern allerdings sorgt der Übungsleiter des BVB für Ruhe und für Harmonie. Und macht Geschäftsführer Watzke glücklich.
Tief unten in Deutschlands Süden, im Schwarzwald, wo Brigach und Breg die Donau zu Weg bringen und die Ruhe eine Heimat gefunden zu haben scheint, wird es laut, als Jürgen Klopp auftaucht. Er signiert Trikots. Er schüttelt Hände. Er plaudert und garniert seine Plauderei mit Pointen, die den ohnehin sonnenschönen Samstag noch etwas aufhellen. Borussia Dortmund ist zu Gast beim FV Donaueschingen, einem Landesligisten, der in provokantem Blau antritt.
Der Bundesligist gewinnt seine Testpartie standesgemäß, und dass beim 10:0 nicht einmal eine Schneise für einen wacker schnaufenden Amateur geschlagen und ein Ehrentreffer zugelassen wurde, versetzt der Stimmung einen kleinen Dämpfer. Doch Klopp erklärt einfach aufgeräumt, dass sportliche Zugeständnisse vom BVB nie zu erwarten sind. Und ansonsten sei man ja wohl der sympathischste Klub des Universums.
Pudelwohl
Ganz so dick hat es der Trainer natürlich nicht formuliert, als im VIP- und Schank-Raum der Donaueschinger die Gnadenlosigkeit seiner Mannschaft beklagt wurde. Er hat nur gesagt, dass er sich „pudelwohl” fühle bei der Borussia. Pudelwohl. Beim Zusammenrechnen der Tage, an denen sich irgendjemand beim BVB nach dem Titelgewinn 2002 und vor dem Beginn der Ära Klopp pudelwohl fühlte, kommen nicht alle Finger einer Hand zum Einsatz.
Das finanzielle Desaster. Ungeliebte Trainer, die von Getöse begleitet in die Wüste hinaus gejagt wurden. Frustrierte Fans, die gegen das Fußballangebot ihrer Elf rebellierten. Medien, die in den Wunden wühlten, die ihnen hingehalten wurden. Der Klub hatte die Orientierung verloren und auch sein Lächeln.
Watzkes Idealvorstellung
Und dann kam Kloppo. „Wir sind jetzt so, wie es vor viereinhalb Jahren, bei meinem Amtsantritt, meine Idealvorstellung war”, sagt Hans-Joachim Watzke im Anton-Mall-Stadion. Mit Klopp, meint der BVB-Geschäftsführer, habe man „den Mosaikstein” gefunden, „der uns noch fehlte”, aber selbstverständlich sei allen, die die Last der Verantwortung auf ihren Schultern spüren, klar, dass „im Fußball alles schnell” gehe und man nie wisse. So viel Vorsicht muss sein.
Es ist ja nicht so, dass die vergangene Spielzeit keine Wünsche offen gelassen hätte. In der letzten, in der entscheidenden Begegnung mit Borussia Mönchengladbach, musste schließlich schmerzlich Abschied genommen werden von der Europa-League. Es ist nur auf der anderen Seite so, dass auf schwatzgelb.de, der Fanseite im Internet, dennoch geschwärmt wird: „geile Saison”, „wahnsinnig intensive Saison”, „sensationelle Saison”.
Mit Leidenschaft
Wahrscheinlich ist Klopp tatsächlich der Mosaikklotz, der den Borussen fehlte. Die Rahmenbedingungen haben sich nicht verändert. Auch vor dem Start in die Spielzeit 2009/2010 kann der BVB nicht spektakulär in Neuzugänge investieren. Doch von den Neuen, den Feulners, den Rangelovs, den Großkreutzens, wird nicht mehr erwartet, als dass sie sich einordnen, dass sie sich mit der Leidenschaft ihrem Beruf hingeben. Viel mehr steht nicht auf Klopps Zettel. Sich auf die Sache konzentrieren und das gruppendynamisch schwierige Gebilde Mannschaft nicht gefährden. Das aber gilt nicht nur für die Akteure auf dem Rasen, sondern für alle, die im Geflecht der Borussen-Beziehungen eine Rolle ausfüllen.
Nie zuvor in den zwölfeinhalb Jahren, in denen er als Medienchef des BVB tätig ist, sei ihm seine Arbeit „so unheimlich leicht von der Hand gegangen” wie in der Zeit seit der Ankunft Jürgen Klopps vor der Saison 2008/2009, sagt Josef Schneck. Es herrsche, fügt er bedächtig an, weil Euphorie eine gefährliche Manövriermasse sein kann, „fast Harmonie”. Schneck nennt die Namen Klopp und Watzke und erwähnt auch Michael Zorc, den Sportdirektor, der lange nicht unter dem Verdacht stand, gute Laune als Tugend zu betrachten.
Um den Medienchef herum wuseln die Journalisten, die nach Donaueschingen gereist sind, um die aktuelle Verfassung der Borussia zu diagnostizieren. Gerade hat Watzke seine Statement zum 10:0-Sieg abgegeben. Der Geschäftsführer hat sich kurz gefasst. Er hat das Wort schnell den „wichtigen Leuten” überlassen, „den Trainern”, und damit deutlich gemacht, an welchem Organ des Vereinskörpers das Stethoskop angesetzt werden muss.
Jürgen Klopp übernimmt launig das Mikrophon und den Saal. Dass er den Stadionsprecher abmeiert, weil der den als Feldspieler eingewechselten dritten Torhüter Marcel Höttecke als „Fitnesstrainer” der Borussia angekündigt hat, es fällt gar nicht auf.
Die Diktatur des studierten Sportwissenschaftlers ist eben eine sanfte. Es ist die Klassenzimmerdiktatur des charismatisch-jovialen Pädagogen, unter der sich alle pudelwohl fühlen dürfen, die den Unterricht nicht stören.