Essen. Für Gerd Pieper ist es eine Premiere. Seit 2004 ist der Parfümerie-Unternehmer aus dem Ruhrgebiet Aufsichtsratschef von Borussia Dortmund, seit 2008 Vize-Präsident. Nun hat er zum ersten Mal den Rasen im Stadion der Borussia betreten – und erzählt, was Fußballer und Händler gemeinsam haben.


Verraten Sie uns, wie Ihr Fußball-Samstag aussieht?


Pieper: Vormittags kommt es vor, dass ich noch eine unserer Filialen besuche. Streit mit meiner Frau gibt es über den Fußball glücklicherweise nicht. Sie kommt selber sehr häufig mit. Wenn es ein Heimspiel ist, geht es mit dem Auto zum Stadion. Dort setzt – je nach Gegner – ein leichteres oder stärkeres Kribbeln ein. Wenn ich das Stadion betrete, denke ich immer noch oft: Mein lieber Scholli!


Was ziehen Sie an – ein schwarz-gelbes Trikot, Jeans oder einen dunklen Anzug?

Pieper: Auf den Anzug lege ich schon Wert. Er muss nicht unbedingt dunkel sein. Aber ein Anzug passt zu einem seriösen Verein, wie wir es sind.


Was geht vor – die Borussia oder das Geschäft?


Pieper: Meine Präsenzquote im Stadion liegt sicherlich bei über 90 Prozent. Urlaube werden mit dem Spielplan abgestimmt. Ansonsten treffe ich bei der Borussia so viele Geschäftspartner, dass es an eine IHK-Sitzung erinnert. Zuweilen erleichert es unseren Sekretariaten die Arbeit, wenn klar ist: Beim nächsten Heimspiel sieht man sich ja. Gerade in der Wirtschaft hilft es, über den Fußball ins Gespräch zu kommen.


Haben Sie einen festen Sitzplatz?


Pieper: Ja, Block 27, Reihe 19, Sitz 47. Zugegeben: ein Privileg des Vize-Präsidenten.


Die Möglichkeit, den Rasen im Stadion zu betreten, haben Sie gerade zum ersten Mal genutzt. Wie war es?


Pieper: Alte Erinnerungen wurden wach. Ich habe ja auch mal ein bisschen Fußball gespielt. Das war Anfang der 60er-Jahre beim SV Büren, bis ich 18 wurde. Einmal ging es gegen die Borussia und wir haben sieben zu eins verloren.


Und dann haben Sie gedacht: Ich möchte zu den Siegern gehören?


Pieper: Nein. Das war es nicht. Eigentlich hat eine Niederlage der Borussia meine Sympathie für den Verein geweckt. Als ich ein kleines Kind war, hat die Borussia in letzter Minute ein Finale zur Deutschen Meisterschaft verloren. Das hat mich einerseits sehr traurig gemacht, andererseits zum Fan.


Dabei sind Sie doch eigentlich kein Dortmunder, sondern Wanne-Eickeler.


Pieper: Ich bin auch Trikotsponsor vom DSC Wanne-Eickel, ein wunderbarer Verein. Ihn zu unterstützen, fällt mir natürlich besonders leicht, da er auch die Farben Schwarz-Gelb hat. Fußball ist für mich ein Stück Ruhrgebiet, ein Stück Lebenseinstellung, Lokalpatriotismus pur. Übertragen auf das Geschäft bedeutet das: Sie können mich nachts um vier Uhr anrufen und sagen, da oder dort in Oberhausen wird ein Ladenlokal frei – und ich sage Ihnen, welche Filialen in der Nachbarschaft liegen. Bodenhaftung, wie sie der Fußball gibt, ist extrem wichtig.


Sind Sie ein Vereinsmensch?


Pieper: Wahrscheinlich nicht im engeren Sinne. Aber ich habe großes Verständnis für das Vereinsleben. Sich für Sport zu interessieren und selber Sport zu machen, gehört zusammen. Wussten Sie, dass ich in diesem Jahr zum 49. Mal mein Sportabzeichen gemacht habe?


Ist sportlicher Ehrgeiz wichtig fürs Geschäft?


Pieper: Lassen Sie es mich so formulieren: Wenn ich kein Optimist wäre, könnte ich kein Einzelhändler sein – und auch kein Fußballfan. Ich hoffe jeden Samstag, dass die Borussia gewinnt. Und ich bin überzeugt davon, dass es in der deutschen Wirtschaft wieder aufwärts geht. Mein Ziel ist es, gerade in der Krise ins Geschäft und Arbeitsplätze zu investieren, um gestärkt aus der jetzigen Situation hervorzugehen.


Was war der emotionalste Moment mit der Borussia?


Pieper: Das Finale in der Champions League 1997 gegen Juventus Turin, ausgerechnet im Stadion von Bayern München. Es hatte ja kaum jemand mit unserem Sieg gerechnet. Überraschende Siege sind die schönsten Siege.


Wie jubeln Sie?


Pieper: Ich springe schon auf und gehe mit, aber der Jubel fällt bei mir etwas gelassener aus, nicht übertrieben. Ich freue mich eher still.