Dortmund. .

So mancher zog am Abend noch ein paar Meter weiter in die Westfalenhalle, wo der Pointenproll Atze Schröder sein Programm „Revolution“ darbot. Vorher, nur ein paar Meter entfernt, war mal wieder etwas im Gange, das in seiner Gesamtheit den gleichen Titel tragen könnte.

Schließlich lehnt sich da in Deutschland immer noch Borussia Dortmund gegen die vor der Saison erwarteten Machtverhältnisse in der Fußball-Bundesliga auf. So gekonnt und so überlegen, dass drei zwischenzeitliche Unentschieden schon eine Formkrise bedeuteten, in der außerhalb Dortmunds Stifte und Zettel gezückt wurden, um den exorbitanten Vorsprung in der Tabelle schon mal kleinzurechnen. Es scheint allerdings eine Rechnung zu sein, für die es spätestens nach dem 2:0 (1:0)-Sieg gegen den FC St. Pauli ein beinahe bedenkliches Maß an Fantasie braucht.

Schließlich hatte der BVB „eine wichtige Prüfung“ bestanden, wie Dortmunds Trainer Jürgen Klopp festhielt, freilich nicht ohne zu erwähnen, dass alle Welt dieses Spiel zu diesem Zeitpunkt - mitten in einer vermeintlichen Schwächephase, eine Woche vor dem Spitzenduell mit Bayern München - als besonders wichtige Prüfung betrachtete, er und seine Mannen aber eher nicht. Doch trotz aller Nüchternheit schien da doch etwas Last abzufallen von den in Schwarzgelb gekleideten Schultern, als der Ball das erste Mal über die gegnerische Torlinie hüpfte. Das war ja zuletzt stets das Problem gewesen: die Chancen und die wenigen Tore, die daraus resultierten. Deshalb war Stürmer Lucas Barrios die Idealbesetzung für die Heldenrolle.

Er hatte sich um seinen Gegenspieler gewunden und den Ball im Fallen ins Tor geschossen, vorbei an St. Paulis Keeper Thomas Kessler, der bis dato alles gehalten hatte, was es zu halten gab, und noch mehr. Es rumorte im Stadion. Ein Geräusch, das einen unvollendeten, mahnenden Satz bildete: Sie werden doch nicht wieder...

Lucas Barrios hatte ihn vernommen. Als er getroffen hatte rannte er wie entfesselt jubelnd zur Eckfahne, rupfte diese aus dem Boden, warf sie wieder weg und schrie seine Freude heraus. „Das hatte aber nichts damit zu tun, dass ich unter Druck gestanden hätte. Ich spüre nämlich keinen Druck“ , sagte der 26-Jährige, der hoch motiviert wirkte und nicht zufällig auch das 2:0 vorbereitete, indem er - den Ball am Fuß - an Fabio Morena vorbeilief und Ralph Gunesch zu einem Eigentor zwang.

Die Anspannung war da längst von den Rängen gewichen und hatte wahrer Meisterlaune Platz gemacht. „Wer wird deutscher Meister? BVB Borussia!“

28 Mal schoss der BVB aufs Tor, St. Pauli dreimal. „Indiskutabel, katastrophal, desolat“, analysierte Trainer Holger Stanislawski die Darbietung seiner Truppe, während Klopp fand, dass seine Mannschaft „klasse mit der Kritik umgegangen“ sei.

Dortmund schnürte den Gegner ein, stürmte und drängte, ohne das Ergebnis so auszubauen, wie es möglich gewesen wäre. Am Samstag ein Schönheitsfleckchen, mehr nicht. Daher freuten sich die Profis, es den Zweiflern gezeigt zu haben. „Noch liege ich mit meinem Tipp richtig, dass wir bis zum Saisonende kein Spiel mehr verlieren“, sagte Kevin Großkreutz grinsend. Die drei Punkte fühlen sich offenbar gut an auf dem Weg zum FC Bayern. „Selbst wenn wir heute verloren hätten“, sagte Nuri Sahin, „würden wir selbstbewusst nach München fahren. Dazu haben wir Grund genug.“

Er verschwand im Dunkeln des Abends. Manch anderer zog noch ein paar Meter weiter, zum zweiten Teil der Dortmunder Revolution.