Dortmund. . Borussia Dortmund glänzt mit Hochgeschwindigkeitsfußball gegen die Hanseaten, muss sich beim Toreschießen aber helfen lassen. Der BVB zerstört St. Pauli und gewinnt doch nur 2:0. Bedrohlich ist die Torkrise der Westfalen aber nicht.

Es gibt unterschiedliche Theorien darüber, was wohl zu tun sei, wenn die Meere der Welt unangenehm ansteigen und über die Ufer treten sollten. Darunter findet sich auch eine, die behauptet: Am besten lassen wir sie dann rein, die Fluten. Der sich heftig aufdrängende Eindruck, dass der Auftritt des FC St. Pauli bei Borussia Dortmund eine Marketingmaßnahme für dieses Konzept sein könnte, hat sich allerdings als trügerisch erwiesen. Die Mannen von der Küste öffneten zwar der schwarz-gelben Flut alle Wege. Sie ließen sie toben und tosen, ohne auch nur einen Quadratmeter Land zu verteidigen. Sie machten es aber nur so, ohne der Menschheit damit dienlich sein zu wollen.

Holger Stanislawski hat das im Anschluss an die Partie enthüllt. Seine Team, erklärte der Pauli-Trainer, habe „eine indiskutable Vorstellung“ geboten. Es habe sich „desolat“, ja, sogar „katastrophal“ präsentiert. Und nur mit „einer tausendprozentigen Steigerung“ könnte es dieser unansehnlichen Ansammlung „viel zu vieler Totalausfälle“ möglicherweise gelingen, demnächst bei Hannover 96 zu bestehen. Beeindruckend war, dass Stanislawski für diese Absaue lediglich Sekunden benötigte. Fast so beeindruckend wie die beinahe Folgenlosigkeit all dieses Tobens und Tosen der schwarz-gelben Flut.

Am Ende hieß es 2:0 für den souveränen Bundesliga-Tabellenführer, und Jürgen Klopp nahm dieses Ergebnis zum Anlass, erleichtert festzustellen, man habe „die Diskussion um die mangelnde Chancenverwertung“ ersticken können. Dass der unter der Totenkopfflagge reisende Gegner nach dem 1:0-Sieg im Hamburger Derby Mitte vergangener Woche offensichtlich mit Rum-Buddeln bis zum Abwinken gefeiert hatte, ließ der Borussen-Trainer unerwähnt. Und auch beim Heranziehen statistischer Werte drückte Klopp die Augen zu. Mehr Chancen erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Chancen vergeben würden, rechnete er richtig vor. Wer aber gleich 28 Schüsse abfeuert und davon nur mit einem Schaden zufügt, der sollte gewöhnlich besser keiner größeren Fregatte als Paulis Piratenschiffchen begegnen.

Zumindest ein wenig beunruhigt haben muss auch den BVB-Trainer das Treiben seiner wieder einmal mit Hochgeschwindigkeitsfußball aufwartenden Elf. „Ich habe mich gefreut, dass wir noch vor der Halbzeit ein Tor gemacht haben“, gestand er. Lucas Barrios war es, der den Treffer in der 39. Minute besorgte, nach bis dahin erst sieben gewaltigen Einschussmöglichkeiten durch Kevin Großkreutz, Nuri Sahin, Barrios, wieder Großkreutz, wieder Barrios , wieder Großkreutz und noch einmal Sahin. Bei Treffer Nummer zwei, natürlich eingebettet in fruchtloses Dauerfeuern auf das Pauli-Tor, musste bereits ein Gast hilfreich zur Seite stehen. Ralph Gunesch fälschte in der 49. Minute einen Barrios-Ball zum 2:0 ab.

Die Borussia steckt also nicht in einer Ergebniskrise, sie steckt auch nicht in einer Chancenkrise, sie steckt trotz beharrlichen Leugnens (Großkreutz: „Barcelona macht auch nicht alle Chancen rein“) schlicht in einer Torkrise. Dumm daran ist, dass weder Theorien noch Konzepte zur Beendigung von Torkrisen existieren. Man kann nur hoffen, dass das Schicksal gute Arbeit bald wieder mit ein bisschen mehr Glück entlohnen wird. Und der BVB arbeitet gut. Trotz der zahlreichen Schüsse ins Blaue hinein hat die Jugendgruppe so viele Tore auf dem Konto wie ansonsten nur die Bayern (49). Vor allem aber errichtet sie Dämme so meisterlich wie die Biber.

Die Null muss stehen

Erst 13 Gegentreffer kassierte Torhüter (gegen Pauli: Torschläfer) Roman Weidenfeller. Die Bayern, die Mainzer, die Schalker, die auch recht erfolgreich beim Abdichten sind, haben je mehr als doppelt so viele Einschläge verzeichnet. Nach dem Sieg galt Klopps höchstes Lob deshalb einem Defensiven. Stamm-Innenverteidiger Neven Subotic fehlte gelb-rot-gesperrt. Felipe Santana übernahm das Pöstchen neben Mats Hummels und gewann 83 Prozent seiner Zweikämpfe und das Trainerwort des Tages: „Er ist ein ganz wichtiger Teil dieser richtig guten Fußballmannschaft.“

Dieser richtig guten Fußballmannschaft, von der niemand befürchten muss, dass sie am kommenden Samstag bei den Bayern schlimmen Schiffbruch erleiden könnte. Es ist nämlich so, wie es Münchens Manager Christian Nerlinger formulierte: „Sicherheit holt man sich nur, wenn man zu Null spielt.“ Und Titel auch.