Dortmund. .

Keine Frage: Das 1:1 gegen den VfB Stuttgart war ärgerlich und unnötig – unsere Borussia dominierte das Spiel und hatte in diesem nicht besonders ansehnlichen Bundesligaspiel mehr als einmal die Gelegenheit, „den Sack zumachen“. Aber müssen wir uns deswegen grämen? Nein!

Der unangefochtene Tabellenführer der Fußball-Bundesliga spielt zuhause gegen den Vorletzten nur 1:1 – was ist da schief gegangen? Enttäuschung, Wut und Frust wären die zu erwartenden Reaktionen, sollte man meinen. Das war am vergangenen Samstag anders.

Lange habe ich überlegt, ob die Kolumne zu diesem Spiel verärgert oder wohlmeinend ausfallen soll, doch je mehr Zeit verging, desto mehr wuchs die Gewissheit, dass zu größerem Groll kein Anlass besteht.

Es steht außer Frage, dass unser Ballspielverein zu keiner Zeit an die famose Leistung vom Leverkusen-Spiel zum Rückrundenauftakt anschließen konnte. Es steht außer Frage, dass etliche BVB-Spieler diesmal nicht ihr ganzes Leistungsvermögen zeigten, ihr „Potential abgerufen haben“, um mal eine Floskel nicht zu vermeiden. Es steht außer Frage, dass Borussia Dortmund ausreichend Chancen hatte, dieses Spiel frühzeitig zu entscheiden. Es steht aber auch außer Frage, dass sich der VfB Stuttgart den Punkt nicht erschlichen, gestohlen oder unlauter erworben, sondern eigentlich redlich verdient hat.

Suboptimal gelaufen

Die Borussia hatte ungewohnte Mühe, ins Spiel zu finden. Vielleicht hatte die Mannschaft mit einem zurückhaltender agierenden Gast gerechnet und war ihrerseits überrascht, dass die Stuttgarter ihr Heil nicht ausschließlich in der Defensive suchten. Hinzu kam, dass unsere Mannschaft für ihre Verhältnisse eher spät attackierte, den Gästen erstaunlicherweise viel Platz und Zeit ließ, selbst aktiv zu werden. Deswegen aber nach diesem einen suboptimal gelaufenen Spiel den Stab über die Mannschaft zu brechen, wäre komplett dummes Zeug.

Immerhin schaffte es der BVB, ungeachtet einer wenig berauschenden Vorstellung noch vor der Pause ein Ausrufezeichen zu setzen und nach einer tollen Kombination von Sahin und Götze einen feinen Treffer zu erzielen. Nach der Pause erspielten sich die Herrschaften eine Reihe von exzellenten Torchancen, die nur einen klitzekleinen Nachteil aufwiesen: Sie blieben ungenutzt.

Nichts schlecht reden

Dennoch sollte man das Spiel nicht schlechter reden, als es war. Auch wenn der 17. der Tabelle zu Gast war, haben wir nicht gegen ein „klassisches“ Kellerkind gespielt. Die Schwaben haben ordentlich mitgespielt, sich keineswegs als Team präsentiert, dass ans Ende der Tabelle gehört. Dort stehen sie aber, und wie ein angeschlagener Boxer sucht so ein Gegner sein Heil im Angriff, im Fall des VfB mit Teilerfolg.

Bevor man jetzt zu hart mit dem Spitzenreiter ins Gericht geht, sollte man auch bedenken, dass sicher nicht die „Wunschelf“ von Jürgen Klopp auf dem Rasen stand, als Brych das Spiel anpfiff. Zwar hatte Antonio da Silva die meisten Ballkontakte der Schwarz-Gelben, aber Sven „Manni“ Bender konnte er logischerweise nicht ersetzen. Wie auch? Benders Spiel ist komplett anders angelegt, er zermürbt den Gegner, während da Silva eher spielerisch und leider manchmal einen Tick zu verspielt an die Sache herangeht. Und diesmal konnte sich der Beobachter des Gefühls nicht erwehren, dass da Silva bisweilen Nuri Sahin im Weg stand, dem eigentlichen Taktgeber des Borussen-Spiels.

Lewandowski-Kritik

Eher wenig Verständnis hatte ich für die zwar leisen, aber doch wahrnehmbaren Unmutsäußerungen gegen Robert Lewandowski. Der absolvierte, wie schon in Leverkusen, ein Riesenpensum. Ganz allein in vorderster Front riss er sich den Allerwertesten auf, da gab es gar nichts zu meckern. Klar hab ich mich geärgert, dass er zwei Hundertprozentige auf dem Schlappen hatte und sie nicht rein machte. Trotzdem Leute, ich bitte euch: 22 Jahre jung ist der Kerl. Diesem Burschen dürfen wir doch bitte noch Luft nach oben zugestehen und müssen uns nicht gleich aufregen, wenn er mal nicht trifft. Und: Später kam der Star, den Lewandowski vertrat, Lucas Barrios – und versiebte ebenfalls ein glasklares Ding. Na und?

Auch wenn wir derzeit die Tabelle souverän anführen und vielleicht im Begriff stehen, im Fußballjahr 2011 etwas ganz Großes zu vollbringen, sollten wir nicht vermessen werden. Es liegen noch 15 Spiele vor dem Tränenmeer, von dem wir hoffen, dass Freude und Rührung es speisen. Und wir werden sie nicht alle gewinnen. Es wird Niederlagen geben, wie die ärgerliche in Frankfurt. Es wird Unentschieden geben, wie jenes unnötige gegen das Labbadia-Team. Aber wenn die Saison so endet, wie wir uns alle erträumen - wer redet dann noch von dem Spiel gegen den VfB? Deswegen kann es zu diesem 19. Spieltag nur einen Kommentar geben: Na und?

Uli Vonstein (www.die-kirsche.com), 24. Januar 2011