Jerez. .
Am Ende der Hinrunde, da waren seine Beine richtig blau. Getreten, geschunden vom zermürbenden Kampf zwischen den Fronten. Er quälte sich. Aber Sven Bender (21) ist kein Typ, der einfach so aufgibt.
Seinen dünnen Beinen traut man keine große Wirkung zu, seine Haut ist blass, sein Gesicht jungenhaft, ein Anflug von Seitenscheitel ordnet das kurze, hellblonde Haar. Eine Krawatte, ein Hemd und sein Foto könnte in der Kreissparkasse Rosenheim hängen - mit der Bildunterschrift: Auszubildender des Jahres.
Doch Sven Benders Arbeitgeber heißt Borussia Dortmund, jener Fußball-Klub, der mittlerweile den Ruf eines elitären Ausbildungsbetriebs genießt und der mit dieser jugendlichen Philosophie ganz nebenbei auch noch irrwitzig unangefochten die Fußball-Bundesliga anführt. In diesem Betrieb ist Sven Bender, den alle in Anlehnung an den früheren Bayern-Profi Manfred Bender nur „Manni“ rufen, auch so etwas wie der Auszubildende des Jahres.
Niemand, nicht einmal er selbst, konnte ahnen, dass seine Karriere einen solchen Verlauf nehmen würde, als er im Sommer 2009 vom Zweitligisten 1860 München nach Dortmund wechselte. Kapitän Sebastian Kehl würde er nicht verdrängen können, klarer Fall, doch seither ist Kehl ständig verletzt. Früher war das eine Katastrophe, jetzt haben sie beim BVB ihn, den gnadenlosen Glücksfall Bender.
Einmal hat ihm einer im Spiel beinahe den Kopf vom Hals getreten. Bender blieb liegen, musste behandelt werden, taumelte. In der Halbzeit die bange Frage des Trainers Jürgen Klopp: „Manni, wie sieht’s aus?“ - „Trainer, ich seh zwar nichts mehr, aber es geht.“ Nur ein bisschen verschwommen, sagt er, habe er gesehen und deshalb zog er die Sache durch - so wie er es immer macht. Schmerzen? Bender spielt. „Von früh auf ist mir eingetrichert worden, dass man nicht brutal rumjammern muss, wenn man noch laufen kann.“
Und Bender läuft. Und er verschafft sich Respekt. Im Mittelfeld, dort, wo die wirklich fiesen Tritte verteilt werden, räumt er kompromisslos auf, geht dazwischen, gewinnt Bälle, liefert sie ab. Man müsse „auf dem Platz Härte zeigen“, sagt er, „sich wehren, sonst gehst du unter.“ In der Abwehr wirft er sich in jeden Schuss, so dass sein Trainer, einst selbst leidenschaftlicher Fußballarbeiter, nach einem Spiel verblüfft festhielt: „Manni ist unglaublich. Der hat heute wieder gefühlte 900 Mal noch einen Fuß an den Ball bekommen.“
Bender ist der Mann für die Drecksarbeit. Der, der mit seinem Spiel die geistreichen Ideen seines Nebenmannes Nuri Sahin rückversichert: Kein Ding, wenn der Ball weg ist, hol’ ich ihn wieder. „Für mich ist das kein Problem. Wenn meine Stärke nicht ist, drei Männer aussteigen zu lassen und den Ball ins Tor zu schießen, bin ich froh, wenn ich der Mannschaft mit meiner Arbeit helfen kann.“
Für diese Bescheidenheit lieben sie ihn. „Manni ist so ein geiler Typ, bodenständig wie kaum ein anderer“, sagt Innenverteidiger Mats Hummels. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hält Bender für den „kommenden Nationalspieler“ aus Dortmund. Erstmal aber muss er seinen Platz gegen Sebastian Kehl verteidigen. Der kehrt bald ins Mannschaftstraining zurück, Dem gebürtigen Rosenheimer droht dann vielleicht wieder die Bank. Und was sagt Sven Bender dazu? „Wir sind alle froh, dass Sebastian zurückkommt. Ich bin ja sowieso ein Spieler, der mit niemandem Probleme hat.“
Einzigartig könnte man das finden, wenn er denn so einzigartig wäre. Sven Bender hat einen Zwillingsbruder. Der heißt Lars und spielt für Bayer Leverkusen. Jenen Verein, gegen den der BVB am kommenden Freitag (20.30 Uhr) in die Rückrunde startet.
Training in der Sonne
