Sevilla/Dortmund. .

Für die BVB-Fans sollte es ein spannender Kurztrip in die andalusische Sonne werden. Am Ende kehrten sie frustriert nach Dortmund zurück. Denn die Brutalität, mit der die Polizei in Sevilla gegen Fans vorging, war schockierend.

Das Spiel von Borussia Dortmund beim FC Sevilla war nicht nur sportlich ein Flop. Auch die Ereignisse vor und nach der Partie waren für die mitgereisten Fans ein Horror. Denn die Anhänger machten Bekanntschaft mit der spanischen Polizei, die nach Augenzeugenberichten mit äußerster Härte auf die Borussen einprügelte. DerWesten sprach unter anderem mit einem von 16 BVB-Fans, die nach dem Spiel ins Gefängnis kamen. Ein Mitarbeiter des Fanprojekts berichtet: Auch die Dortmunder haben sich nicht mit Ruhm bekleckert.

Pyrotechnik im Gästeblock von Sevilla. Foto: Imago
Pyrotechnik im Gästeblock von Sevilla. Foto: Imago © imago sportfotodienst

Auch Jakob Scholz vom Fanzine schwatzgelb.de war vor Ort und schildert: „Schon in der Stadt haben wir gemerkt, dass auf Dortmunder Seite viele Gewaltbereite vor Ort waren.“ Dennoch, so Klaas Pütschneider vom Fanprojekt, sei die Stimmung in der Stadt sehr positiv gewesen. Lediglich die massive Polizeipräsenz sei ein Grund zur Beunruhigung gewesen. „Man hatte angesichts des Polizeiaufgebots schon in der Stadt das Gefühl, dass es gefährlich werden könnte“, so Scholz. Die Polizei sei jederzeit sehr rigoros vorgegangen. Auf dem Weg zum Stadion seien Ultras und gewaltbereite Fans vorweg gegangen und hätten versucht, den Zug zusammen zu halten. Im weiteren Verlauf sei es zu Drängeleien zwischen Polizei und Fans gekommen, bis die Situation eskaliert sei. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein, was die gewaltbereiten Fans weiter provozierte.

Klaas Pütschneider schildert die Vorkommnisse ähnlich: „Unsere sind an der Eskalation nicht ganz unschuldig.“ Bei den Reibereien auf dem Weg zum Stadion hätten sich einige Borussen „nicht so verhalten, wie man es im Ausland schon aus Gründen der Vernunft tun sollte“, so der Sozialpädagoge mit Blick auf die leicht reizbare spanische Polizei.

Scharmützel zwischen BVB-Fans

Am Einlass sei es dann sogar zu Scharmützeln unter den BVB-Fans gekommen, als gewaltbereite Dortmunder andere Fans gegen einen Zaun gedrängt hätten, der dann umgekippt sei. Außerdem warfen die Hooligans den Berichten zufolge Flaschen, Dosen und schossen mit Pyrotechnik. Die Polizei habe darauf mit massiven Schlagstockeinsätzen reagiert und dabei vornehmlich auf die Köpfe der Dortmunder gezielt. Scholz: „Ein älterer Mann, dem ich begegnet bin, hatte eine Platzwunde mitten im Gesicht, weil er von einem Schlagstock getroffen worden war. Ein Freund von mir wurde das Nasenbein gebrochen und die Brille zertrümmert.“ Auch Pütschneider sah zahlreiche Verletzte, kümmerte sich um Fans mit Platzwunden und Gehirnerschütterungen. Unterdessen habe die Polizei weiter wahllos auf BVB-Fans eingeprügelt. Pütschneider: „Die haben nur noch den Knüppel eingesetzt.“ Einige Dortmunder seinen von Polizisten regelrecht gejagt worden. Besonders, so Pütschneider und weittere Augenzeugen, hätten darunter normale Fans zu leiden gehabt.

Im Block, so erinnern sich Scholz und Pütschneider, sei es anschließend weitergegangen. Auch hier hätten sich gewaltbereite Dortmunder unrühmlich verhalten. Unter anderem rissen sie Sitzschalen aus der Verankerung und gingen damit gegen die Beamten vor. Vorangegangen sei allerdings wieder ein harter Schalgstockeinsatz der Polizei. Die Brutalität sei erschreckend gewesen: „Sie hat dort nur noch geknüppelt“, schildert der Mann vom Fanprojekt.

Schlagstock in die Beine

Auch nach dem Spiel löste sich die Gewalt nicht auf. Die Polizisten, berichten Scholz und Pütschneider unisono, hätten die BVB-Fans mit Schlagstöcken aus dem Block getrieben. „Dabei haben sie mich mit dem Schlagstock geschoben, weil ich wohl zu langsam war“, sagt Scholz, der vom rabiaten Stockeinsatz verschont wurde. Pütschneider hat gesehen, wie Polizisten immer wieder auf Beine und Rücken von Fans einschlugen. 16 Borussen wurden im Block festgehalten und, wie Scholz es formuliert, „einer Einzelbehandlung unterzogen“: Ihre Schmerzensschreie habe man bis draußen gehört. Pütschneider hat es ähnlich beobachtet: „Ein Fan wurde von den Polizisten um die Ecke geführt. Danach hörte ich ihn schreien.“

Pütschneider will die Mitschuld der BVB-Fans nicht herunterspielen: „Einige wenige unserer Fans haben sich dort nicht mit Ruhm bekleckert“, so der Sozialpädagoge, „aber so einen brutalen Polizeieinsatz hätte ich in einem EU-Land nicht erwartet.“

Nach Auschwitz gefragt

Hautnah dabei war einer der 16 Festgenommenen, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Wir wurden im Block zusammengepfercht und dann einzeln rausgeführt. Ab und zu wurde dann einer von uns rausgezogen und an eine Wand gestellt“, so der Fan im Gespräch mit DerWesten. Polizisten hätten die aussortierten Fans immer wieder geschlagen und getreten. „Wenn man zur Seite geguckt hat, bekam man sofort einen Schlag.“ Im Gefängnis seien die Dortmunder verspottet worden: „Die haben uns gefragt, ob wir Auschwitz kennen und angedeutet, dass Gas aus der Decke kommt“, so der festgenommene Fan, der vor seinem Gefängnisaufenthalt zunächst mit geschwollenen Knöcheln und Ellbogen ins Krankenhaus kam.

Die 16 Festgenommenen, darunter ein 66-Jähriger, der seinen Schwiegersohn zum Spiel begleitet hatte, wurden am Donnerstag ins Gerichtsgebäude gebracht. Dort mussten sie zunächst mehrere Stunden warten, ehe jeder die Möglichkeit erhielt, ein vorgefertigtes Geständnis zu unterschreiben und im Gegenzug sofort abreisen zu dürfen. Konsequenz: Ein Jahr Gefängnis, für vier Jahre auf Bewährung ausgesetzt, und ein einjähriges Einreiseverbot für Spanien.

Viel gelernt

Für den BVB weilte Fanbetreuer Jens Volke noch in Sevilla und kümmerte sich vor Ort um die Belange seiner Schützlinge. Er hielt Kontakt zur Botschaft und sorgte dafür, dass die Angehörigen der Festgenommenen Informationen erhielten. Gemeinsam mit den Fans organisierte Volke dann Übernachtungen und Flüge, sodass die Gruppe am Freitag aus Sevilla abreisen konnte. Für Volke geht damit eine aufregende Europacup-Saison zu Ende, in der er bei den Auswärtsspielen in Lwiw und Sevilla „sehr viel gelernt“ hat. Volke: „Jetzt weiß ich, wie relativ gut wir es in Deutschland haben.“

Borussia sucht Zeugen

Unterdessen bittet die Fanabteilung von Borussia Dortmund alle Fans, die Bilder oder Videos von prügelnden Polizisten haben, das Material einzusenden. Der BVB werde den Polizeieinsatz nicht ohne Protest hinnehmen.