Sevilla/Dortmund. .

Seit Mittwochabend tanzt Borussia nur noch auf einer Hochzeit. Während sie auf dem nationalen Parkett mutterseelenallein an der Spitze schwoft, wurde ihr vorerst letzter internationaler Auftritt zum Tanz auf dem Vulkan.

Keine weitere flotte Sohle auf dem europäischen Parkett für Borussia Dortmund: Der Europa League-Tanzpartner des BVB lag meist darnieder und drückte sich mit allerfeinster Schauspielerei um die Teilnahme am Fußballreigen in der eigenen Tanzdiele. So sicherte sich der FC Sevilla das benötigte Unentschieden. Und so schied Borussia aus dem Wettbewerb aus.

Gute Miene zum (bösen) Speil des Gegners: BVB-Trainer Jürgen Klopp.
Gute Miene zum (bösen) Speil des Gegners: BVB-Trainer Jürgen Klopp. © Gib mich die Kirsche

„Das war wie gegen Italiener in der Siebzigern“ bewertete Comedian Dieter Nuhr den Auftritt der Gastgeber, die beim Spielstand von 2:2 spätestens ab der 65. Minute nach jeder minimalen Berührung ein bis zwei Spielzeiten liegenblieben und starke Schmerzen simulierten.

Andalusische Schaupielkünste

Wenn mal keiner der ohnehin fairer auftretenden Dortmunder in der Nähe war, sanken die Sevillistas einfach so zu Boden und versuchten sich am Vortäuschen diverser Muskelkrämpfe. Allein Torhüter Andrés Palop holte vor seinen Abstößen rund zehn Minuten für sein Team heraus. Erik Meijer hätte den Mann wohl einen „Mixer mit W“ genannt.

Sevilla-Keeper Andrés Palop weiß, wie man Abstöße verzögern kann.
Sevilla-Keeper Andrés Palop weiß, wie man Abstöße verzögern kann. © Gib mich die Kirsche

Der Unparteiische ließ etwas mehr als fünf Minuten nachspielen, in denen der Ball höchstens 30 Sekunden rollte. Um der Partie zu einer durchschnittlich langen effektiven Spielzeit zu verhelfen, hätte man wohl diverse Dekaden dranhängen müssen. BVB-Trainer Jürgen Klopp fand es „peinlich“, und Sat1-Moderator Oliver Welke war sich sicher, an diesem Abend alle erdenklichen Arten von Zeitspiel gesehen zu haben.

Warum hat es nicht gereicht?

Aber ehe wir jetzt dem geschätzten Reviernachbarn den verdienten Kosenamen „Uschis vom Revier“ streitig machen, hören wir auf zu heulen und vertiefen die Ursachenforschung. Sicherlich gab es weitere Gründe dafür, dass es Borussia nicht gelang, den für das Überwintern in der Europa League benötigten Sieg einzufahren.

Kuba in Aktion: Rassige Zweikämpfe gab es im alt-ehrwürdigen Stadion „Ramón Sánchez-Pizjuán“ in Sevilla genug.
Kuba in Aktion: Rassige Zweikämpfe gab es im alt-ehrwürdigen Stadion „Ramón Sánchez-Pizjuán“ in Sevilla genug. © Gib mich die Kirsche

Zum einen wäre da die im Vergleich zu den Vorwochen deutlich fahrigere Abwehrleistung, die den Andalusiern binnen einer knapp zwanzigminütigen Hühnerhaufenphase einen Doppelschlag ermöglichte. Zum anderen erarbeitete sich der BVB auch in Durchgang zwei zu wenig Torchancen. Lucas Barrios war ein Totalausfall, und Torschütze Kagawa Shinji baute mit zunehmender Spieldauer immer mehr ab.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Dortmund zwei gute Viertelstunden nicht zum Sieg gereicht haben, während den Sevillistas wiederum eine gute Viertelstunde zum benötigten Punktgewinn genügte.

Bayern wie Barca? Dortmund nicht wie Bayern!

Ist vielleicht auch das Understatement ein Grund für das schwarzgelbe Scheitern in Europa? Während sich beim unangefochtenen Bundesligatabellenführer aus Dortmund Spieler und Verantwortliche mit Bescheidenheit Sympathien erarbeiten, die Borussia zu Zeiten den Börsengangs nicht zugeflogen waren, werden in München - zwar nur Tabellensechster in der Liga, dafür Gruppensieger in der Champions League - große Töne gespuckt. Nachdem „Schwein“’ vor gut einer Woche für sich festgestellt hatte, dass seine Bayern in jedem Saisonspiel die klar bessere Mannschaft waren, hat kürzlich Kalle Rummenigge die gesunde Selbsteinschätzung des deutschen Branchenprimus weitaus eindrucksvoller dokumentiert, als er versicherte, der FC Bayern befände sich mit Barcelona „auf Augenhöhe“.

BVB-Youngster Mario Götze vergab die einzige Großchance des BVB zum 3:2.
BVB-Youngster Mario Götze vergab die einzige Großchance des BVB zum 3:2. © Gib mich die Kirsche

Was hat der Altinternationale damit in Wirklichkeit gemeint? Dass man beide Vereine „FCB“ abkürzt? Dass beide die Farben Rot und Blau im Wappen tragen? Wir werden es nie erfahren. Wünschen wir dem FCB von der Isar ein baldiges Kräftemessen mit seinem vermeintlichen spanischen Pendant und freuen uns gemeinsam darüber, dass es an der Strobelallee deutlich besser klappt mit der Außendarstellung.

An einer Sache hat es gestern in Sevilla jedenfalls nicht gelegen. An der viel zitierten mangelnden „Abgezocktheit“, die an Stammtischen gerne einmal mit internationaler Erfahrung verwechselt wird. Wie Jürgen Klopp nach dem Spiel zurecht anmerkte, soll sich die junge Borussia-Elf solch ein Verhalten, wie es der Gegner an den Tag gelegt hatte, unter keinen Umständen abgucken.

Sevilla am Boden: Nuri Sahin sieht zu.
Sevilla am Boden: Nuri Sahin sieht zu. © Gib mich die Kirsche

Erhobenes Haupt

Vielleicht hätte man die spanischen Schauspieler am Mittwoch tatsächlich nur mit ihren eigenen Waffen besiegen können, aber solche „Erfolge“ wollen wir hier in Dortmund gar nicht haben. Der BVB verabschiedet sich mit erhobenem Haupt aus Europa.

(16.12.2010 – Rutger Koch, die-kirsche.com)