Essen. Der BVB trifft Samstag im Finale der Champions League auf Real Madrid. Dortmund ist Außenseiter, doch die Spanier haben Schwächen. Eine Analyse.

Im Finale der Champions League wartet am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) ein ganz dickes Brett auf den Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Real Madrid ist der Gegner im Londoner Wembleystadion, der erfolgreichste Fußballklub Europas. Die Historie macht dem BVB wenig Hoffnung. Achtmal standen die Königlichen im Endspiel der Königsklasse, alle Spiele gingen für Real Madrid aus. Zuletzt 2022 gegen den FC Liverpool, zuvor zwischen 2016 und 2018 dreimal in Folge.

Hat Borussia Dortmund am Samstag eine realistische Chance gegen die Spanier? Worauf kommt es für den BVB in Wembley an und wer sind die Schlüsselspieler beider Teams? Die Analyse von Createfootball zum Champions-League-Finale liefert die Antworten.

BVB gegen Real Madrid: So spielt Borussia Dortmund

Trainer Edin Terzic baut zumeist auf ein 4-2-3-1-System, das in Spielen gegen sehr starke Gegner zum 4-1-4-1 wird, so wie gegen Paris St. Germain oder in der Bundesliga gegen Meister Bayer Leverkusen. Die nominellen Zehner Julian Brandt und Marco Reus zogen sich gegen diese spielstarken Gegner zurück, um das Zentrum dicht zu machen.

Auf BVB-Zehner Julian Brandt warten gegen Real Madrid wieder viele Defensivaufgaben.
Auf BVB-Zehner Julian Brandt warten gegen Real Madrid wieder viele Defensivaufgaben. © Sebastian El-Saqqa / firo Sportphoto | Sebastian El-Saqqa

Dieser defensivere Ansatz spiegelt sich in den Zahlen wider. Der BVB weist in der Champions League lediglich 46 Prozent Ballbesitz auf, verlegt sich auf kompaktes Pressing und Konterangriffe, ist dadurch aber stabiler und erfolgreicher als in weiten Teilen der Bundesliga-Saison. Die Dortmunder reiben sich in Defensivzweikämpfen auf, führten insgesamt über 900 direkte Duelle in der laufenden Spielzeit in der Königsklasse. Pro 90 Minuten wurden rund 70 Zweikämpfe geführt. Ein sehr hoher Wert, den nur vier von 32 CL-Teilnehmern übertroffen haben.

BVB auch mit dem Ball sehr vorsichtig

Der BVB hat bisher durch kompaktes Verteidigen mit vielen abgefangenen Pässen überzeugt, Nico Schlotterbeck und Ian Maatsen konnten je sieben Bälle pro 90 Minuten abfangen und führen diese interne Statistik an. Vor allem im Abwehrdrittel sind die Schwarz-Gelben sehr präsent, der BVB führte hier die meisten Tacklings aller CL-Teilnehmer.

Der vorsichtigere Ansatz, den BVB-Star Mats Hummels in dieser Woche in einem Interview zum Teil scharf kritisiert hat, zeigt sich auch im Spiel mit dem Ball. Die Dortmunder überspielen das Mittelfeld im Aufbau oft mit langen Bällen und setzen anschließend beim zweiten Ball an. So werden Druckaktionen des Gegners und viele unnötige Fehler im Aufbau vermieden. Im Viertelfinal-Hinspiel bei Atlético Madrid hatte der BVB den Ball vor dem eigenen Tor verloren und ein Gegentor kassiert. Seitdem agiert Dortmund deutlich vorsichtiger.

In der Offensive lebte der BVB zuletzt von der individuellen Qualität einzelner Spieler wie Marcel Sabitzer, Julian Brandt oder Jadon Sancho. Zudem überzeugte die Borussia durch eine hohe Effizienz im Torabschluss. Gute 37 Prozent ihrer Versuche brachten die Dortmunder in der Champions League auf das gegnerische Tor.

BVB: Das sind die Schlüsselspieler in der Champions League

Gregor Kobel

Der Dortmunder Torwart verhinderte statistisch gesehen insgesamt sechs Gegentore (expected Goals), die meisten im Turnierverlauf. Kobel hielt unglaubliche sechs Mal die Null und zeigte die meisten Paraden im Turnier (41). Der Schweizer ist damit der Top-Keeper der aktuellen Champions-League-Saison. Um eine Chance gegen Real Madrid zu haben, muss der BVB-Torwart wieder überragen.

BVB-Verteidiger Mats Hummels köpfte Dortmund gegen Paris ins Finale.
BVB-Verteidiger Mats Hummels köpfte Dortmund gegen Paris ins Finale. © DPA Images | Franck Fife

Mats Hummels

In der Champions League überzeugte der 35-Jährige, der am Samstag möglicherweise sein letztes Spiel für den BVB macht. Kein Spieler bestritt mehr Tacklings, nur zwei Innenverteidiger von 32 Teams blockten mehr Pässe und kein Spieler hatte mehr Klärungsaktionen vorzuweisen. Zudem ist Hummels mit seinen Pässen auch im Übergangsspiel wie in besten Zeiten eine Waffe. Nur Ousmané Dembélé und Rodri haben in der Champions League mehr Schnittstellenpässe gespielt als der Dortmunder Innenverteidiger (16).

Mats Hummels in der Champions League

Mats Hummels in der Champions League:

Meiste Klärungsaktionen: 65

Meiste Tacklings im Abwehrdrittel: 38

Meiste erfolgreiche Tacklings: 27

Meiste abgefangene Pässe: 25

Drittmeiste Blocks: 20

Marcel Sabitzer: Mit fünf Torvorlagen bester Vorbereiter der diesjährigen CL-Saison.

Jadon Sancho: Mit 4,2 erfolgreichen Dribblings pro 90 Minuten der beste Dribbler des laufenden Wettbewerbs.

BVB gegen Real Madrid: So kann Dortmund gewinnen

Standardsituationen nutzen: Im Schnitt ist die BVB-Elf zwei Zentimeter größer als das Team von Carlo Ancelotti, diesen Größenvorteil gilt es zu nutzen. Wichtig wird es sein, Mats Hummels als Zielspieler bei Freistößen und Ecken anzuspielen. Dieser köpfte den BVB beim Rückspiel in Paris ins Finale. Kein Team erzeugte in der diesjährigen CL-Saison mehr Schüsse nach ruhenden Bällen als der BVB (30).

Camavinga pressen: Der Ausfall von Aurelién Tchouaméni wird den Rhythmus im Spiel der Madrilenen verändern. Camavinga dürfte für ihn in die Mannschaft rücken, ist aber nicht der positionstreue Ankersechser, sondern tendiert dazu, selbst nach Räumen zu suchen und sich offensiv einzuschalten. Unter hohem Gegnerdruck ist er von allen Real-Mittelfeldspielern am anfälligsten für Fehler, wenngleich auf hohem Niveau. Wenn Dortmund hoch presst, sollte Camavinga ins Visier genommen werden. Er foult zudem oft (mit 21 die zweitmeisten im Wettbewerb). Er könnte bei geschicktem Zweikampfverhalten der Dortmunder schon früh eine Gelbe Karte sehen.

Das fällt bei BVB-Gegner Real Madrid auf

Real zeigt sich unter Trainer Carlo Ancelotti taktisch variabel, passt sich gern in einigen Aspekten an den Gegner an, um dessen Schwachstellen zu nutzen. Auffällig ist die defensive Stabilität. Die Spanier lassen nur knapp über eine gegnerische Großchance pro 90 Minuten zu (Top-3 Wert in Europa). Real blockt zwölf Prozent aller gegnerischen Flanken (Bestwert in LaLiga) und weist zudem die beste Zweikampfquote in ganz Europa auf, Madrid ist am Boden und in der Luft sehr durchsetzungsstark.

Real hat letztlich alles, was eine Spitzenmannschaft ausmacht. Dazu zählt auch eine sehr geringe Fehlerquote. Sie setzen in Ballbesitz auf längere Passkombinationen mit hoher Präzision, leisten sich hier kaum Ballverluste mit dem Ball am Fuß. Es gelingt den Königlichen regelmäßig, Schlüsselpässe unter Gegnerdruck zu spielen und tiefstehende Gegner zu überspielen. Real weist die beste Passquote in der gegnerischen Hälfte und die höchste Präzision unter Druck auf. 88 Prozent der Zuspiele finden unter Druck einen Abnehmer.

Mehr zum Thema

Was Real Madrid ebenfalls stark und kaum zu bezwingen macht: Die Chancenverwertung ist herausragend, sie agieren zielstrebig und konsequent in der Offensive und setzen wie im Halbfinale gegen die Bayern oft spät den entscheidenden Punch. 23 Punkte wurden in der Liga nach Rückstand aufgeholt.

Real Madrid: Das sind die Schlüsselspieler

Antonio Rüdiger: Kein Spieler blockte in der Champions League mehr Schüsse als Rüdiger (insgesamt 16).

Toni Kroos:Es wird das letzte Spiel auf Vereinsebene seiner großen Karriere. Und der deutsche Weltmeister hört tatsächlich auf dem Höhepunkt seines Schaffens auf. Kein Spieler in den Top-5 Ligen bricht häufiger gegnerische Ketten per Pass als Toni Kroos. 25 linienbrechende Pässe sind es pro 90 Minuten, damit liegt er in ganz Europa auf Platz eins vor ManCity-Star Rodri (22,1) und Leverkusens Granit Xhaka (21,2). Der 34-Jährige schlägt dazu wie gewohnt präzise lange Bälle. Kross hat über die letzten Saisons hinweg den Anteil seiner rückwärtsgerichteten Pässe kontinuierlich gesenkt und schafft permanent produktive Lösungen. Er bringt rund 13 Bälle pro 90 Minuten ins letzte Spieldrittel. Überragend. Ihn muss der BVB in den Griff bekommen.

Toni Kroos verabschiedet sich nach dieser Saison von der Fußballbühne.
Toni Kroos verabschiedet sich nach dieser Saison von der Fußballbühne. © DPA Images | Manu Fernandez

Jude Bellingham: Es wird ein besonderes Wiedersehen mit dem BVB. Der junge Engländer ist gleich in seiner ersten Saison bei Real zu einer wichtigen Stütze geworden. Er kreierte mit sechs Großchancen die meisten im Real-Team, nur Superstar Kylian Mbappé (9) und Bayerns Joshua Kimmich (7) waren erfolgreicher.

BVB muss Real-Star Vinicius Jr. stoppen

Vinicius Jr.: Der Mega-Star im Real-Team. Nur Ousmane Dembélé drang in der diesjährigen CL-Saison mit Ball am Fuß öfter in den Strafraum ein (insgesamt 39 Mal). Er wird oft per Anspiel gesucht und verschärft dann das Tempo sofort. Die Bayern konnten ihn nicht halten, auf den BVB wartet eine Herkulesaufgabe, wenn er seine überragende Form bestätigt.