Dortmund. Borussia Dortmund bleibt dem FC Bayern im Titelrennen auf den Fersen. Doch die Euphorie beim BVB ist gebremst. Das lag an einer Schwächephase.
Julian Brandt runzelte die Stirn, angemessen kritisch sah sein Blick aus, als er vor dem Zugang zur Mannschaftskabine von Borussia Dortmund über das vorangegangene Spiel gegen Borussia Mönchengladbach referierte. Der Mittelfeldspieler hätte es sich einfach machen können, er hätte auf dendeutlichen 5:2 (4:0)-Sieg des BVB verweisen können, auf drei Punkte und auf das weiterhin enge Titelrennen. Ende gut, alles gut.
Aber Brandt bleibt in seinen Analysen selten an der Oberfläche und so fielen auch seine Ausführungen angemessen kritisch aus. Es fiel sogar das Wort „abgefuckt“, nicht mehr ganz neudeutsch für: mächtig angefressen. Was Brandt so ärgerte, war die zweite Halbzeit und speziell die letzte halbe Stunde des Spiels.
BVB zeigt dominante erste Halbzeit
Nach 45 Minuten hatte ja alles nach einem sehr entspannten Samstagnachmittag ausgesehen: Der BVB hatte sich nicht einschüchtern lassen vom FC Bayern, der vorgelegt hatte im Titelrennen und den FC Schalke 6:0 weggefiedelt hatte. In Dortmund hieß es schon zur Halbzeitpause 4:0, und das war absolut verdient. „Da waren wir sehr dominant und sehr aktiv“, lobte Karim Adeyemi. Donyell Malen besorgte früh das 1:0, als er einen abgefälschten Schuss von Jude Bellingham per Kopf über die Linie wuchtete (5.). Sebastien Haller holte einen Elfmeter heraus, den Bellingham mit etwas Glück verwandelte (18.). Und dann traf Haller selbst gleich doppelt, jeweils nach präzisen Hereingaben durch Malen. Einmal streichelte er den Ball mit der Hacke ins Netz (20.), einmal hatte er sich vom überforderten Marvin Friedrich gelöst und trocken ins kurze Eck geschossen (32.).
Überfordert – das galt in diesem ersten Durchgang für alle Gladbacher. Wenn der BVB mal das Tempo anzog, liefen die Gäste hilflos hinterher. Und so konnten die Hausherren ein paar wunderschöne Spielzüge auf den Rasen zaubern, an denen meist der überragende Brandt und der nicht minder starke Malen beteiligt waren. „Ich träume von der Meisterschale. So spielen wir auch“, sagte Malen.
Dann aber kam die Halbzeitpause und in der kam den Dortmundern ihre Linie abhanden. Im Gefühl des sicheren Siegs büßten sie die Konsequenz und Zielstrebigkeit aus dem ersten Durchgang komplett ein – sehr zum Ärger von Julian Brandt: „Was mich an der zweiten Halbzeit etwas abfuckt, ist, dass wir es extrem haben schlendern lassen“, haderte der Mittelfeldspieler. „Wir haben nicht mehr seriös in den Strafraum gespielt und vorm Tor sowieso nicht.“ Und auch die Defensive wurde nachlässiger. So kam zunächst Rami Bensebaini per Foulelfmeter zum 1:4 (75.), Lars Stindl legte den zweiten Treffer nach (86.) – und hätte die Dortmunder wohl richtig zittern lassen, wäre sein Volley wenig später im Tor gelandet. Doch Gregor Kobel hielt stark (88.). „Da brennt es nochmal, das ist überhaupt nicht gut“, schimpfte Brandt. Erst Giovanni Reynas Abstauber in der Nachspielzeit beruhigte die Gemüter wieder.
Kommentar: Was den BVB und den FC Bayern im Meisterschaftsrennen eint
Eine 4:0-Führung, die fast noch verspielt wird – das darf einer Spitzenmannschaft nicht passieren. Schon gar nicht einer, die eine ähnliche Erfahrung schon einmal gemacht hat, die erst kürzlich in Überzahl eine 2:0-Führung beim Kellerkind VfB Stuttgart aus der Hand gab. Entsprechend gebremst war die Euphorie nach Abpfiff, obwohl man doch Schritt gehalten hatte im Titelrennen mit dem FC Bayern. Aber auf den Rängen, wo es vor Anpfiff laut gewesen war wie lange nicht mehr, hatte sich gegen Ende des Spiels so mancher Zuschauer angesichts der laschen Schlussphase schon verabschiedet. Gesänge von der Meisterschaft gab es kaum. Und auch Spieler und Trainer waren kritisch. Diese zweite Halbzeit hatte allen noch einmal vor Augen geführt, wie volatil die Dortmunder Mannschaft noch immer ist, wie sie auch bei deutlicher Führung jederzeit aus dem Tritt geraten kann.
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Und nun steht eine durchaus knifflige Aufgabe an: auswärts beim FC Augsburg (Sonntag, 17.30 Uhr/DAZN). In Augsburg hat der BVB immer mal wieder Probleme gehabt, grundsätzlich tut er sich in der laufenden Saison fernab der Heimat deutlich schwerer als vor eigener Kulisse. „Wir müssen unsere Effizienz mitnehmen“, forderte Brandt. Und Adeyemi meinte: „Klar ist es schwierig in Augsburg – aber wenn wir Druck machen und aktiv sind, können wir da viel reißen.“
BVB-Star Jude Bellingham angeschlagen
Und das mit Jude Bellingham, so zumindest ist die Dortmunder Hoffnung. Der Mittelfeld-Motor hatte zum Ende der Partie erkennbar Knieprobleme, wollte ausgewechselt werden – doch die Dortmunder hatten ihr Wechselkontingent bereits erschöpft. In der Kabine aber habe Bellingham schon wieder einen guten Eindruck gemacht, berichtete Trainer Edin Terzic: „Da sind wir sicher, dass es nichts Dramatisches ist.“ Ansonsten darf man sicher sein, dass nicht nur Julian Brandt die eine oder andere Sorgenfalte mehr hätte.