Hannover. . Der BVB hat in Hannover zwar gewonnen - doch dabei viel Anlass für Kritik geboten. Trainer Edin Terzic scheint an seinen Spieler zu verzweifeln.

Grundsätzlich entsprach das Bild den Erwartungen: Zwei Trainer saßen im Presseraum der Heinz-von-Heiden-Arena zu Hannover. Einer war sehr zufrieden und einer ziemlich angefressen. So weit, so normal. Was allerdings dann doch nicht ganz normal war, war die Verteilung der Emotionen: Stefan Leitl fand ziemlich gut, was seine Spieler auf dem Platz angerichtet hatten – obwohl Hannover 96 das DFB-Pokalspiel gegen den BVB doch mit 0:2 (0:1) verloren hatte. Und einige Meter weiter saß Edin Terzic, der richtig sauer war – obwohl seine Mannschaft doch eben ins Achtelfinale eingezogen war.

Wer aber die 90 Minuten zuvor verfolgt hatte, konnte nicht überrascht sein über diese vermeintlich verkehrte Gefühlswelt. Denn der Zweitligist Hannover 96 hatte dem Titelverteidiger BVB nicht nur einen großen Kampf geliefert, er war auch über weite Strecken mindestens gleichwertig und in jedem Fall torgefährlicher gewesen. Dass der BVB am Ende ohne Gegentor blieb und die Pflichtaufgabe im Pokal letztlich unbeschadet überstand, hatte sehr viel mit Glück und sehr viel mit Gregor Kobel zu tun. Der Dortmunder Torhüter war der einzige Borusse mit Normalform, er rettete, als Hendrik Weydandt nach einem Eckball im Fünfmeterraum erstaunlich frei zum Abschluss kam (6.) und er hielt auch, als erst Havard Nielsen (30.) und dann Maximilian Beier (32.) nach schnellen Hannoveraner Passstaffetten frei vor ihm auftauchten. Und er brauchte nicht eingreifen, als Emre Can eine Hereingabe nur knapp neben das eigene Tor lenkte (46.) und Weydandt den Ball freistehend aus kürzester Distanz nicht traf (53.).

Und Dortmund war nicht nur hinten im Glück, vorne half ihnen der Gegner: Youssoufa Moukoko wollte von der rechten Seite eigentlich eine Hereingabe spielen, doch der unglückselige Bright Arrey-Mbi lenkte sie ins eigene Tor (11.). Danach war sehr lange offensiver Leerlauf, bis der eingewechselte Jude Bellingham einen Elfmeter herausholte und auch selbst verwandelte (71.).

Karim Adeyemi sieht die Rote Karte und muss vom Platz, BVB-Trainer Edin Terzic verabschiedet ihn.
Karim Adeyemi sieht die Rote Karte und muss vom Platz, BVB-Trainer Edin Terzic verabschiedet ihn. © firo

BVB kann sich bei Torhüter Gregor Kobel bedanken

Am Ende bekam Kobel die Trophäe für den besten Spieler des Spiels überreicht – und das ist für eine vermeintliche Spitzenmannschaft selten ein gutes Zeichen, wenn gegen einen Zweitligisten der Torhüter der beste Mann ist. Deswegen war Terzic ja so sauer, zumal er seiner Mannschaft nach dem enttäuschenden 0:2 bei Union Berlin am Samstag viele Dinge aufgezeigt hatte, die es zu verbessern galt – und nun mit ansehen musste, wie sehr wenig davon umgesetzt wurde.

„Wir haben viel gesprochen in den letzten Tagen, in den letzten Monaten, unmittelbar vor dem Spiel, während des Spiels und auch in der Halbzeitpause“, sagte er. „Und trotzdem passiert es dann, dass es in den ersten Sekunden der zweiten Halbzeit hinten klingeln kann. Und trotzdem passiert es, dass die Dinge, die wir eigentlich abstellen wollten, in vielen Phasen wieder da waren.“ Da klang eine Menge Ernüchterung durch, im Herbst 2022 hat Terzic endgültig erkannt, auf welch komplizierte Aufgabe er sich da eingelassen hat. Denn dass diese hochbegabte Mannschaft immer wieder zu Lethargie und Schlampigkeit neigt, ist ja nicht ganz neu und hat schon manchen Trainer zur Verzweiflung gebracht.

Nun also auch Terzic, der sich gar keine Mühe gab, seine Enttäuschung zu verbergen und anders als sonst auch keinen Sinn darin sah, sich vor seine Spieler zu stellen. Zwei Prinzipien habe man, erklärte der 39-Jährige: In der Defensive wolle man keinem Zweikampf aus dem Weg gehen, in Ballbesitz dafür so wenig Zweikämpfe wie möglich führen. Stattdessen aber gestattete man dem Gegner immer wieder, ungestört durchs Mittelfeld zu spazieren. „Und wenn man sieht, wie wir auf engstem Raum auf Kontakte statt Effektivität spielen, müssen wir uns nicht wundern, dass wir den Gegner einladen zu kontern und uns noch eine Rote Karte einfangen“, haderte Terzic.

Ihm bleibt nun wenig Zeit, die vielen BVB-Defizite abzustellen, schon am Samstag (15.30 Uhr/Sky) geht es in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart. Die meiste Arbeit wird nicht auf dem Trainingsplatz, sondern im Besprechungsraum an der Videoleinwand stattfinden. Aber wird das reichen? Terzic scheint es selbst nicht zu wissen. „Wir können von extern mit dem Trainerteam immer wieder versuchen, das in die Gruppe einzuführen“, sagt er. „Trotzdem braucht es eine gewisse Form von intrinsischer Motivation der Spieler, das selbst abstellen zu wollen.“ Fehlt ihm diese aktuell? „In gewissen Phasen schon, das ist ja offensichtlich“, antwortet der Trainer. „Sonst würden wir die Dinge ja schnellstmöglich abstellen und es besser gestalten.“

Absicht unterstellt er seinen Spielern dabei nicht. Aber: „Man verfällt in Muster, man lässt sich treiben – da fehlt mir, dass wir uns dagegen wehren und daraus lernen. Das müssen wir schnellstmöglich besser machen und da sind wir darauf angewiesen, dass alle die Bereitschaft dazu mitbringen.“ Als Trainerteam könne man immer wieder Lösungen aufzeigen. „Wir brauchen aber die Jungs, um das auf dem Platz zu zeigen“, sagte BVB-Trainer Edin Terzic. „Es ist nicht so leicht, immer wieder darüber zu reden und Fragen dazu zu beantworten. Wir wollen nicht mehr drüber reden, wir wollen das jetzt umsetzen.“ Bleibt abzuwarten, ob das nun endlich auch zu seinen Spielern durchgedrungen ist.