Dortmund. Trotz starker erster Halbzeit muss der BVB gegen Hoffenheim bis zum Schluss um den Sieg zittern. Trainer und Spieler sehen klare Fortschritte.
Auf der Tribüne passierte, was eben passiert in einem solchen Moment: „Spitzenreiter, Spitzenreiter!“, skandierten die Fans von Borussia Dortmund, nachdem ihre Mannschaft durch den 1:0 (1:0)-Sieg gegen die TSG Hoffenheim am Freitagabend erst einmal die Tabellenführung übernommen hatte. Das Stadion vibrierte, die 79.300 Zuschauer feierten die Mannschaft, den Klub, sich selbst – und brüllten auch ihre Erleichterung in die Dortmunder Nacht.
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Denn die gute Stimmung hätte ja auch jäh kippen können, die Partie hatte zwei sehr unterschiedliche Halbzeiten bereitgehalten: Vor der Pause sahen die Anhänger den bis dato besten Dortmunder Auftritt der laufenden Saison. Defensiv agierte die Mannschaft beeindruckend stabil und abgeklärt, gestattete den Gästen aus dem Kraichgau nicht eine echte Torchance. Und offensiv sprang dank schnellem, variablem Spiel eine ganze Reihe an Torchancen heraus. 9:1 lautete die Torschussbilanz zur Pause.
„Wir haben in der ersten Halbzeit einen richtig guten Auftritt abgeliefert“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Wir haben Torchancen herausgespielt und kaum etwas zugelassen. Das war sehr, sehr zufriedenstellend.“ Auch Mittelfeldspieler Jude Bellingham war begeistert vom ersten Durchgang: „Als wir in die Kabine kamen, habe ich gesagt, dass das die beste Leistung bisher ist und dass wir uns das nicht aus der Hand nehmen lassen dürfen“, meinte der Engländer.
BVB: Sorge um Jamie Bynoe-Gittens
Drei Schönheitsfehler gab es allerdings aus Dortmunder Sicht: Jamie Bynoe-Gittens verletzte sich an der Schulter und musste nach 44 Minuten ausgewechselt werden – er vergrößert das ohnehin beträchtlich Dortmunder Krankenlager. Außerdem machte der BVB aus seinen vielen Chancen nur ein Tor, als Marco Reus die feine Vorarbeit von Julian Brandt veredelte (16.). Und drittens gab es leider noch eine zweite Halbzeit.
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In der wandelte sich das Bild zwar nicht komplett, aber die Partie sah dann doch anders aus. Die totale Dortmunder Dominanz war dahin, Hoffenheim erhielt nun mehr Spielanteile und sorgte dafür, dass das Spiel bis zum Ende auf Messers Schneide blieb. „Wenn man etwas tiefer verteidigt, kann das riskant sein“, meinte Bellingham später. „Aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie klare Chancen hatten.“ Natürlich schwirrte bei allen Dortmunder im Hinterkopf herum, was zwei Wochen zuvor im eigenen Stadion passiert war, als man ab der 89. Minute eine 2:0-Führung gegen Werder Bremen verspielt hatte. „In der zweiten Hälfte haben wir zu viele Bälle abgegeben“, haderte Trainer Edin Terzic. „Wie wir zum Ende hin in unserer Torverteidigung sehr seriös waren und professionell mit der Situation umgegangen sind: Das war im Vergleich zu dem, was vor 14 Tagen stattgefunden hat, ein guter Schritt in die richtige Richtung.“
Drittes Zu-Null-Spiel in dieser Saison
Die Dortmunder waren wild entschlossen, die positiven Dinge und die vielen guten Zahlen zu sehen: das dritte Zu-Null-Spiel in der fünften Bundesligapartie. Der vierte Sieg im fünften Spiel und die damit einhergehende Tabellenführung. Die allerdings wurde aus Dortmunder Sicht nicht weiter kommentiert – man weiß beim BVB ja, dass dies vorerst noch eine Momentaufnahme ist. Vor zwei Wochen, nach dem 2:3 gegen Bremen, war das Krisengerede schon wieder angeschwollen, war der Unmut unter den Anhängern groß. Zwei 1:0-Spiele später ist von Krise vorerst nichts mehr zu spüren – weil die Mannschaft nicht zum ersten Mal in der laufenden Saison mit bislang unbekannten kämpferischen Qualitäten aufwartete, weil selbst Rechtsaußen Julian Brandt im Vollsprint ganz nach hinten eilte und auf der linken Abwehrseite klärte. Der Aufwand, der Willen stimmte, aber das war ja schon oft in dieser Saison der Fall gewesen. An diesem Freitagabend stimmte vor allem im ersten Durchgang auch das Spielerische: Salih Özcan war im Zentrum nicht nur Zerstörer, sondern umsichtiger Ballverteiler. Anthony Modeste beteiligte sich konstruktiv am Spielaufbau, anstatt im Strafraum auf die Bälle zu warten. Und Brandt zeigte auch nach vorne einen seiner besseren Auftritte für den BVB.
Vieles gefiel, an vielen Stellen blieb aber auch Luft nach oben – und schon am Dienstag (18.45/Prime) sollten die Dortmunder ihre Topleistung für mehr als eine Stunde zeigen. Dann nämlich reist der FC Kopenhagen zum Champions-League-Auftakt an – und wenn der BVB sein Saisonziel, nämlich das Weiterkommen, in diesem Jahr nicht verpassen will, sollte er gegen den vermeintlich schwächsten Gruppengegner tunlichst gewinnen.