Dortmund. Der BVB enttäuscht bei der peinlichen 3:4-Niederlage gegen den VfL Bochum erneut seine Fans. Sie vermissen Identifikation und Hingabe.
Die Ereignisse vom Vortag beschäftigen Sebastian Kehl noch immer, das merkt man dem Lizenzspielerchef von Borussia Dortmund auch am Sonntagmittag deutlich an: Da ist die 3:4 (2:2)-Niederlage in der Fußball-Bundesliga gegen den VfL Bochum, die zwar nicht verdient war, blickt man auf die Chancenverteilung und die Leistungsdaten – die sich die Mannschaft mit abenteuerlichen Abwehrpatzern aber selbst eingebrockt hat.
Dreierpack von Erling Haaland reicht dem BVB nicht
Allen vier Gegentoren durch Sebastian Polter (3.), Gerrit Holtmann (10.), Jürgen Locadia (81.) und Milos Pantovic (86./Handelfmeter) gingen teils eklatante individuelle Aussetzer voraus – da halfen auch Erling Haalands drei Treffer durch zwei Handelfmeter (19., 30.) und einen kuriosen Schuss ans eigene Knie (62.) nicht. „Wir hatten keine gute Anfangsphase, waren unaufmerksam und schläfrig“, hadert Kehl. Den frühen Zwei-Tore-Rückstand drehte die Mannschaft zwar – und gab die Partie dann doch aus der Hand. „Am Ende fehlte uns die absolute Konsequenz in beide Richtungen. So steht in diesem Derby eine erneute Niederlage, die sehr, sehr wehtut“, sagt Kehl.
Eine Enttäuschung zu viel beim BVB
Ebenso wie die Reaktion der Fans, die die BVB-Profis mit einem gellenden Pfeifkonzert abstraften. Schmerzhaft – aber „nachvollziehbar“, findet dies Kehl: „Es war jetzt das dritte Heimspiel vor ausverkauftem Haus. Und davon haben wir leider zwei Spiele verloren.“
Dieses 3:4 war dann doch die eine Enttäuschung zu viel. Der BVB wird die Saison zwar voraussichtlich auf Rang zwei beenden, aber er hat seinen Fans einiges zugemutet: neun Niederlagen in der Bundesliga. 15 von 44 Pflichtspielen verloren. Das desaströse Abschneiden in den Pokalwettbewerben. 50 Gegentore, so viele wie der Tabellenvorletzte Arminia Bielefeld. Und immer wieder herbe Pleiten, gerade auch im eigenen Stadion. 1:4 gegen RB Leipzig vor vier Wochen, im ersten Spiel vor ausverkauftem Haus seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. 2:5 gegen Bayer Leverkusen. 2:4 gegen die Glasgow Rangers. 0:4 bei Ajax Amsterdam.
Die Fans vermissen in der Mannschaft schon lange Identifikation und Hingabe – auch wenn dies gegen Bochum nicht die Ursache für die Niederlage war. Die Dortmunder waren mehr gelaufen und hatten mehr Zweikämpfe gewonnen als der Gegner. Die entscheidenden aber hatten sie verloren. So mussten sie nach dem 1:3 beim FC Bayern nun gegen Bochum zum zweiten Mal in direkter Folge nach dem Spiel dem Gegner und seinem Anhang beim Feiern zusehen.
Apropos anderen beim Feiern zusehen: In der Europa League erlebt Eintracht Frankfurt eine Party nach der anderen und könnte im Finale auf RB Leipzig treffen, das auch im DFB-Pokal-Endspiel steht. „Da gucken wir schon ein bisschen neidisch rüber“, hatte BVB-Trainer Marco Rose bereits vor dem Spiel gegen Bochum zugegeben und so geht es auch den Fans.
Das ist gefährlich in einem Klub wie Dortmund. Hier lebt man im besonderen Maße von der Unterstützung des Anhangs. Deswegen wird mit Sorge betrachtet, wie wenig Kredit die Mannschaft bei den Fans hat. „Das müssen wir akzeptieren, dem müssen wir uns stellen. Die Jungs müssen sich den Kredit wieder erarbeiten“, sagt Kehl. „Das gilt aktuell, für die kommenden Wochen und für die neue Saison. Da haben wir sicher einiges zu tun.“
Raiolas Tod schockiert Watzke
Es gilt zu verhindern, dass die Entfremdung immer größer, dass der Schaden irreparabel wird. Durch leidenschaftliche Auftritte in den verbleibenden Spielen. Und auch durch unverbrauchte, hungrige Spieler für die kommende Saison. Es muss und wird sich ja ohnehin etwas tun im Sommer, mit Erling Haalands Abgang etwa wird nach wie vor gerechnet – auch wenn es noch immer keine endgültige Entscheidung des Norwegers gibt.
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Der erfuhr nach dem Spiel vom Tod seines Beraters Mino Raiola (54) – eine Nachricht, die auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schockierte: „Wir hatten selbstverständlich manchmal unterschiedliche Interessen und harte Verhandlungen, aber letztere waren auch immer hochinteressant und spannend“, sagte er. Man habe „ein sehr professionelles Verhältnis, das auf Vertrauen beruhte“, gepflegt, ergänzte der BVB-Boss und sprach den Hinterbliebenen sein Beileid aus.
Raiola-Tod: BVB glaubt nicht an Auswirkungen bei Haaland
Dass Raiolas Tod Auswirkungen auf Haalands Zukunft haben oder dessen Abgang verzögern könnte, glaubt beim BVB niemand: Schon seit Längerem war der Starberater schwer krank, seine Mitarbeiter und auch Haaland sowie dessen Familie hatten viel Zeit, sich auf dieses Szenario einzustellen.