Dortmund. Festtag für den VfL Bochum: Bei Borussia Dortmund gewann die Mannschaft am Samstagnachmittag 4:3 - und feierte zudem den Klassenerhalt.
Bochum außer Rand und Band: Der VfL Bochum hat ein irres, ein spektakuläres Revier-Derby bei Borussia Dortmund mit 4:3 (2:2) gewonnen und damit den Klassenerhalt aus eigener Kraft perfekt gemacht. Milos Pantovic verwandelte in einem intensiven, tempogeladenen Spiel vor 81.365 Fans im ausverkauften Signal-Iduna-Park einen Handelfmeter zum 4:3-Sieg in der 86. Minute. Und als um 17:24 Uhr Schluss war, stürmte Trainer Thomas Reis als Erster zu den Fans – und die wohl längste VfL-Partynacht seit dem Aufstieg vor knapp elf Monaten begann.
Bochum war früh mit 2:0 in Führung gegangen, drei Haaland-Treffer sorgten für die Wende, ehe der Aufsteiger in der Schlussphase zweimal zuschlug – und damit seine starke Saison krönte.
Bella Kotchap flog aus dem VfL-Kader
Für einen Paukenschlag hatte Bochums Trainer Thomas Reis schon vor dem Anpfiff gesorgt. Er verzichtete auf Stamm-Verteidiger Armel Bella Kotchap – und das, obwohl in den Linksverteidigern Konstantinos Stafylidis (gesperrt) und Danilo Soares (verletzt) zwei Defensivspezialisten fehlten. Die Entscheidung fiel bereits am Freitag nach dem Abschluss-Training, verletzt oder krank ist Bella Kotchap nicht.
Insgesamt nahm Reis nach dem 0:2 gegen Augsburg vier Wechsel vor. Für Bella Kotchap spielte Erhan Masovic, Herbert Bockhorn verteidigte links für Soares, im Zentrum erhielt Milos Pantovic den Vorzug vor dem Ex-Dortmunder Patrick Osterhage, und im Sturmzentrum kehrte Sebastian Polter für Simon Zoller in die Startelf zurück.
Der personell schwer gebeutelte BVB – zehn Profis fehlten verletzt oder gesperrt - setzte auf dem linken Flügel auf den A-Jugendlichen Jamie Bynoe-Gittens. Der 17-Jährige gab sein Startelf-Debüt. Anstelle des gelbgesperrten Emre Can vertraute Trainer Marco Rose Axel Witsel, der seinen Infekt überwunden hatte. Ansonsten gab es keine Änderungen beim BVB.
Mehr als 10.000 VfL-Anhänger sorgten mit für eine erstklassige Stimmung im mit 81.365 Fans ausverkauften BVB-Tempel, doch einige sorgten vor dem Anpfiff dafür, dass ihr Verein wieder zur Kasse gebeten wird. Sie zündeten Bengalos, und eine Rakete flog sogar aufs Feld kurz vor dem Beginn. Auch angesichts der, wenn auch „nur“ im eigenen Stadion geltenden, Bewährungsstrafe nach der abgebrochenen Partie gegen Mönchengladbach ist das nicht zu akzeptieren.
Traumstart für den VfL Bochum: 2:0 nach acht Minuten
Kurz danach zeigten sich die Bochumer Anhänger von ihrer besten Seite, feierten ausgelassen den ersten Streich des furios startenden VfL. Einen langen Ball von Torwart Manuel Riemann nahm Takuma Asano auf, der dem schwach verteidigenden Raphael Guerreiro auf dem rechten Flügel enteilte. Im Strafraum rutschte Manuel Akanji weg, und Sebastian Polter köpfte den Ball frei aus sieben Metern mit Wucht ins Netz. 1:0 für den VfL nach gut zwei Minuten – 304 torlose Minuten seit dem Asano-Treffer zum 2:1 in Hoffenheim waren Geschichte.
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Und es kam noch besser aus Bochumer Sicht. Nach einem Ballgewinn von Bockhorn im Mittelfeld bediente Pantovic mustergültig Asano. Dem Japaner missglückte die Ballmitnahme, vom linken Strafraumrand direkt vor der „Gelben Wand“ der BVB-Fanmassen legte er zurück an die Sechzehner-Kante, Pantovic ließ den Ball klug durch seine Beine passieren für den besser postierten Holtmann. Und der zuletzt so formschwache Flügelstürmer schlenzte den Ball aus 18 Metern am zu weit vor dem Tor postierten Marwin Hitz vorbei ins rechte Eck. 2:0 für Bochum nach nur gut sieben Minuten – die VfL-Fans rasteten aus vor Glück.
Erling Haaland dreht das Spiel für den BVB
Der vom VfL überrumpelte BVB schüttelte sich – und drehte auf. Mit Unterstützung des Videoassistenten Tobias Welz kam Dortmund zum Ausgleich. Gleich zweimal übersah Schiedsrichter Robert Hartmann ein Handspiel, der Kölner Keller griff ein, zweimal gab es Strafstoß nach Handspiel. Vor dem ersten flog Pantovic der Ball an den Arm, vor dem zweiten sprang er kurz vor der Torlinie im Zweikampf Elvis Rexhbecaj an den ausgestreckten Arm. Erling Haaland trat zweimal an: Den ersten verwandelte der Norweger sicher rechts unten, den zweiten links unten (19./30.).
Zuvor hatte sich Torwart Manuel Riemann mit Sternchen in dieser intensiven Partie ohne Geplänkel ausgezeichnet. Erst gegen einen zu schwachen Abschluss von Julian Brandt, dann glänzend mit dem rechten Arm gegen den freien Marco Reus – der Ball titschte noch auf die Latte.
Dortmund verdiente sich mit Druck und viel Ballbesitz (rund 75 Prozent in der ersten Halbzeit) den in der Torentstehung für Bochum unglücklichen Ausgleich. Vor allem über die rechte Seite mit Marius Wolf und Julian Brandt brachte er Bockorn, Holtmann und Leitsch in Not. Wolf prüfte den wie schon im Hinspiel formidablen Riemann im kurzen Eck, Akanjis Kopfball nach einer der gefährlichen Standards flog vorbei.
Erst in der 43. Minute meldete sich Bochum offensiv zurück. Holtmanns Distanzschuss strich knapp rechts vorbei, und Asano entwischte erneut Guerreiro. Der hielt ihn kurz vor dem Strafraum, der Pfiff blieb aus – Pantovic, der offenbar einen Pfiff erwartet hatte, scheiterte am Abwehrbein Zagadous.
Auch nach dem Wechsel ging es sofort hin und her. Holtmann und Polter vergaben gute Momente, Haaland lieferte sich weiter ein Duell mit Riemann: Bochums Keeper parierte zweimal glänzend (48./58.) scheiterte einmal mehr an Riemann. Dann war er machtlos, die spielstärkeren, überlegenen Dortmunder drehten die Partie gegen die leidenschaftlich kämpfenden Gäste komplett. Bynoe-Gittens steckte auf Reus, dessen Hereingabe Haaland aus kurzer Distanz ins Tor stolperte. 3:2 für den BVB, 62. Minute. Für Junior Bynoe-Gittens kam dann Felix Passlack.
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Holtmann verletzte sich nach einem Schuss von links, für ihn kam Christopher Antwi-Adjei – und vergab umgehend die Riesenchance zum Ausgleich. Witsel war er enteilt, auch Hitz hatte er umkurvt, scheute dann aber den Abschluss und entschied sich für den „falschen“ Pass: Statt auf den hinter dem Ball postierten Polter zu legen, bediente er den im Abseits stehenden Asano (65.).
Bochum-Fans singen "Nie mehr zweite Liga"
Reis brachte zwei weitere frische Offensivkräfte, Jürgen Locadia und Simon Zoller ersetzten die müde gelaufenen Polter und Asano. Bochum steckte nicht auf – und belohnte sich. traf. Nach einer Maß-Flanke von Pantovic nahm Locadia den Ball gekonnt an, drehte sich vom verdutzten Akanji weg und netzte aus kurzer Distanz eiskalt unten rechts ein. 3:3, 81. Minute – Elvis Rexhbecaj rannte zu den VfL-Fans, zelebrierte mit ihnen den Ausgleich wie einen Treffer zur Meisterschaft.
Kurz darauf versammelte sich die gesamte Mannschaft vor dem VfL-Block, völlig euphorisiert. Nach einem Handspiel von Axel Witsel gab es den dritten Handelfmeter dieser verrückten Partie. Pantovic schoss halbhoch in die Mitte, Hitz war nach links gehechtet. 4:3 für Bochum. „Hier regiert der VfL“, dröhnten die Bochumer Anhänger. Und, natürlich: „Nie mehr 2. Liga.“