Dortmund/Bochum. Am Samstag empfängt der BVB den VfL Bochum. Nicht nur sportlich sind die Unterschiede gewaltig. Und fast immer liegt Dortmund dabei vorne.
Es regnet an der Castroper Straße. Elvis Rexhbecaj will schnell zurück ins Trockene, vom matschigen Leichtathletikplatz in den Kraftraum. „Elvis!“, piepst da eine Kinderstimme am Zaun. Der Mittelfeldspieler dreht doch noch einmal um – und erfüllt dem jungen Autogrammjäger seinen Wunsch. Die Szene vom Dienstag zeigt, was der VfL Bochum gerne sein möchte: ein Klub zum Anfassen, dem die Fans noch nahekommen können in Zeiten, in denen die Fußball-Bundesligisten sich so gut es geht abschotten.
30 Kilometer weiter östlich hat es Szenen wie diese in der vergangenen Woche nicht gegeben. Bei Borussia Dortmund kommen die Fans nur selten aufs Trainingsgelände. Und matschige Plätze gibt es hier schon gar nicht.
Hochglanz beim BVB
Dortmund und Bochum spielen wieder in der gleichen Liga, an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) empfängt der BVB den VfL zum Bundesliga-Duell. Aber sie bewegen sich noch immer in völlig unterschiedlichen Welten, das zeigt schon der Blick auf die Trainingsanlagen.
In Dortmund: Hochglanz. Eine schicke neue Sportgeschäftsstelle, ein Jugendinternat, der Footbonaut – ein Trainingsroboter fürs Passspiel –, acht Rasenplätze und zwei Kleinfelder. Geplant war auch eine zwölf Meter hohe Tonnendachhalle mit 45 x 64 Meter großem Kunstrasenfeld, um wetterunabhängig trainieren zu können. Doch die Investition wurde wegen Corona verschoben.
Spröder Charme Schulsport-Charme beim VfL Bochum
Beim VfL hat man vier Plätze zur Verfügung, einer davon mit Laufbahn umrandet. Da kann es schonmal matschig werden, überhaupt versprüht vieles den spröden Charme einer Schulsportanlage – wobei man das im Klub ganz anders formulieren würde: „Der VfL weckt seit Jahrzehnten die Sehnsucht nach Romantik“, sagt Geschäftsführer Ilja Kaenzig. „Das liegt einerseits an unserem Stadion, das junge und ältere Menschen anspricht, die die modernen, glattgebügelten Arenen ohne Ecken und Kanten gerne eintauschen wollen. Vor allem aber liebt jeder die Geschichte des Underdogs, der mit kleinen Mitteln viel erreicht.“
Underdog waren sie in Dortmund auch mal, aber der Rolle sind sie längst entwachsen – auch dank ihres Stadions, das zwar ebenfalls keine moderne Arena ist, allein dank seiner Größe aber eine erhebliche Einnahmequelle: Vier Millionen Euro kann der BVB bei ausverkauftem Haus pro Spiel erlösen, in Bochum ist es gerade einmal ein mittlerer sechsstelliger Betrag.
Der BVB Hat höhere Einnahmen – auch dank der VIPs
Die höheren Einnahmen in Dortmund resultieren auch aus den vielen Logen und VIP-Bereichen, aus einem anderen Publikum, das man sich erschlossen hat. „Das ist eine Rolle, die nicht jeder spielen kann“, sagt Kaenzig. „Klubs wie Dortmund haben besonders den Spagat zwischen Volkssport und Unterhaltungsindustrie zu bewerkstelligen. Auch andere Vereine waren auf einem Weg in Richtung Entertainment, haben sich in der Pandemie dann aber auf die Werte des VfL Bochum zurückbesonnen.“
Künftig, erwartet Kaenzig, werde es immer schwerer, den Spagat zu schaffen zwischen glitzernder Unterhaltungswelt und Fußball als Volkssport. „Wir aber müssen uns nicht verstellen“, meint der 48-Jährige. „Unser Revier ist klar.“ Natürlich ist auch dieses Betonen der Fußballromantik ein Geschäftsmodell, man besetzt eine Nische zwischen Dortmund, Schalke und den Großklubs in der entfernteren Nachbarschaft.
Bochum gibt nur einen Bruchteil für Spieler aus
Es ist aber deutlich weniger lukrativ: 24 Millionen Euro beträgt der Lizenzspieler-Etat des VfL – da bliebe in Dortmund nach Abzug der Gehälter von Marco Reus und Mats Hummels nicht mehr viel übrig. Um die 150 Millionen Euro zahlt der BVB pro Jahr an seine Spieler. Und die Schere wird weiter auseinandergehen: „Ob wir mit einem Lizenzspieler-Etat von 24, 25 oder 31 Millionen Euro an den Start gehen, ist doch völlig egal – weil die anderen eh mehr Geld haben“, sagt Kaenzig. „Daher tun wir gut daran, in Ruhe zu arbeiten und eine klare Strategie zu fahren.“
Denn mit mehr Geld kommt schnell mehr Unruhe – zu sehen in Dortmund, wo trotz Platz zwei und der sicheren Champions-League-Qualifikation im Umfeld sehr laut gegrummelt wird, weil in den Pokalwettbewerben nicht viel gelang.
BVB-Trainer Marco Rose lobt Bochums Thomas Reis
Ganz anders in Bochum, wo der Klassenerhalt nach menschlichem Ermessen bereits geglückt ist. „Dort herrschte schon im Aufstiegsjahr eine unglaubliche Euphorie“, hat BVB-Trainer Marco Rose beobachtet, der seinen Kollegen Thomas Reis lobt – bei der Ausbildung zum Fußballlehrer sein Sitznachbar: „Er hat es geschafft, den VfL Bochum, der lange eine graue Maus war, wieder zum Leben zu erwecken.“
Sie haben zuletzt viel gemacht aus ihren bescheidenen Möglichkeiten in Bochum. Sie bleiben trotzdem der Außenseiter, auch am Samstag in Dortmund. Aber auch dieses Spiel beginnt bei 0:0.