Essen. Die Dominanz des FC Bayern gefährdet das Produkt Bundesliga und hat sich lange angekündigt. Auch der BVB hat eine Lücke gerissen. Und nun?

Einmal in den vergangenen zehn Bundesliga-Spielzeiten kribbelte es tatsächlich ein wenig, pochten die Herzen schneller. 2019 konnte Borussia Dortmund am letzten Spieltag noch hoffen, mit der Meisterschale um den Borsigplatz zu fahren und schielte dafür nach München. Dort hätte der FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt ausrutschen müssen, und warum nicht, ist ja schon da gewesen, vor vielen Jahren, als Titelkämpfe am Ende einer Saison noch Kapriolen schlugen.

Nun gut. Die Münchener demontierten die Frankfurter, siegten 5:1 und füllten mal wieder ihre überdimensionierten Weißbiergläser. Immerhin erst im Mai, meist übergießen sich die Bayern bereits im April mit alkoholischen Getränken, sogar mal im März. Der Titelkampf verspricht mittlerweile so viel Aufregung wie ein Behördengang. Am Wochenende hat der Rekordmeister seinen zehnten Titel in Serie gewonnen. Die Spielern waren sehr bemüht, sich darüber zu freuen.

1998 überraschte in der Bundesliga noch Kaiserslautern

Jedoch gefährdet diese Eintönigkeit das Produkt Bundesliga, schließlich sollten die Bestrebungen um die Meisterschale eigentlich das Herzstück einer Saison sein, Fans in den Bann ziehen. Wie in den 90er-Jahren, als etwa der 1. Kaiserslautern als Aufsteiger ganz oben thronte (1998). Stattdessen wird gegähnt, die TV-Sender beobachten ein abnehmendes Interesse, und in anderen europäischen zeichnet sich ein ähnliches Bild. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin hat die „Übermacht einer Handvoll Spitzenklubs in Europa“ schon vor einigen Jahren beklagt. Und nun?

Meister! Als Aufsteiger! Otto Rehhagel präsentiert 1998 die Schale mit Kaiserslautern.
Meister! Als Aufsteiger! Otto Rehhagel präsentiert 1998 die Schale mit Kaiserslautern. © firo

Ein Anruf bei Heribert Bruchhagen, früher Spieler, Trainer, Funktionär und einer, der früh warnte vor einer Geldverteilung, die die Großen immer reicher und erfolgreicher macht. 2006 sagte er als Vorstandschef von Eintracht Frankfurt dem Spiegel: „Ich sehe, dass die Bundesliga auf Dauer zu einer uninteressanten Veranstaltung wird.“ Keiner wollte ihn damals hören, beklagt er jetzt, „weil das keinen Spaß macht, weil der Fußball aus der Hoffnung auf Erfolg besteht“. 2022 lasse sich das Rad sich nicht mehr zurückdrehen, die Strukturen seien vorgegeben.

BVB zahlt 215 Millionen, der FC Bayern 340 Millionen

Um die Unterschiede in der Bundesliga aufzuzeigen, kann man etwa den Personalaufwand studieren, nachzulesen in den Finanzkennzahlen der Deutschen Fußball Liga (DFL). Im Geschäftsjahr 2020 schüttete der FC Bayern 340 Millionen Euro an seine Profis aus. Der ärgste Verfolger Borussia Dortmund zahlte über 100 Millionen Euro weniger an Gehältern (215 Millionen), es klafft eine weitere große Lücke zu RB Leipzig (147 Millionen) und Bayer Leverkusen (140 Millionen). Der SC Freiburg davon nur träumen, in seiner Bilanz stehen 50 Millionen Euro für Spieler. „So ein Verein kann überraschen, aber nicht dauerhaft oben mitspielen“, meint Bruchhagen.

Befeuert werden die Unterschiede durch die Verteilung der TV-Gelder, ab der Saison 2020/21 zahlt die DFL im Schnitt 1,1 Milliarden Euro pro Jahr an die Klubs, ein großer Teil davon wird nach dem Leistungsprinzip vergeben. Die Erfolgreichsten kriegen am meisten, genau dies monierte Heribert Bruchhagen schon vor vielen Jahren, denn bis zur Jahrtausendwende wurden die TV-Einnahmen gleich verteilt. Hinzu kommen die riesigen Summen aus der Champions League.

Meister! Wie immer! Die Profis des FC Bayern sind bemüht, sich zu freuen.
Meister! Wie immer! Die Profis des FC Bayern sind bemüht, sich zu freuen. © firo

BVB hat wie der FC Bayern eine Lücke gerissen

Der FC Bayern stolperte in dieser Saison bereits im Viertelfinale über Villareal, hat aber über 100 Millionen Euro eingenommen. Der BVB bekommt trotz des Ausscheidens in der Vorrunde über 60 Millionen Euro auf das Konto überwiesen. Denn in Wahrheit sind die Dortmunder nämlich längst Teil des Problems, sie kommen zwar nicht an die Bayern heran, haben zu den übrigen deutschen Klubs allerdings ebenfalls eine große Lücke gerissen. Die regelmäßige Teilnahme an der Königsklasse zementiert diese Verhältnisse, nur RB Leipzig kann durch die Unterstützung eines finanzstarken Getränkeherstellers daran etwas rütteln.

Die Lösungsansätze laufen in ganz unterschiedliche Richtung. Die einen fordern mehr Gleichverteilung, andere Deregulierung, also etwa die 50+1-Regel oder das Financial Fairplay abzuschaffen, um Investoren anzulocken. Vielleicht könnten sich die Spitzenklubs in Europa gleich zu einer Super League zusammenschließen, weil sie ihren nationalen Wettbewerben entwachsen sind.

Heribert Bruchhagen prophezeit, dass der FC Bayern in den kommenden zehn Jahren vielleicht ein-, zweimal nicht Meister werde. „Dann wird Deutschland jubeln, aber ändern wird sich nichts.“