Glasgow. BVB-Profi Jude Bellingham gerät in Glasgow mit einem Mitspieler aneinander. Das ist unschön – und ein Symptom für tieferliegende Probleme.

Der Frust war gewaltig, was einerseits verständlich war: Borussia Dortmund stand vor dem Ausscheiden aus der Europa League, es zeichnete sich mehr und mehr ab, dass das 2:4 aus dem Hinspiel gegen die Glasgow Rangers nicht mehr gedreht werden würde – eine gute Weile, bevor das 2:2-Unentschieden im Ibrox Stadium amtlich besiegelt war

BVB: Bellingham schreit Schulz an

Weniger verständlich allerdings war, wie einige BVB-Profis damit umgingen – allen voran Jungstar Jude Bellingham. Der Mittelfeldspieler war trotz seiner gerade einmal 18 Jahre zwar wieder einmal ein Vorbild in Sachen Leidenschaft und Einsatzbereitschaft. Er ackerte, er rackerte, er kämpfte, er grätschte und er schoss in für so einen jungen Mann erstaunlicher Abgeklärtheit das zwischenzeitliche 1:1, als er frei vor dem Tor sicher einschob.

Irgendwann aber war es vorbei mit der Abgeklärtheit: Als Nico Schulz einen recht einfachen Pass auf Bellingham nicht anbrachte, weil er den Ball viel zu scharf spielte, war der Engländer außer sich. Er fuchtelte vehement mit den Armen, er schrie ihn Schulz über mehrere Meter hinweg an – und die Lippenbewegungen sowie Schulz‘ Reaktion vermittelten den Eindruck, dass hier reichlich unflätige und ehrabschneidende Worte gefallen waren. Erst als sich Emre Can einschaltete, beruhigte sich die Situation wieder.

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Nachhallen dürfte sie dennoch. Es war ja nicht das erste Mal, dass Bellingham sich verbal an einem Kollegen abarbeitete, in der Vergangenheit waren auch Can und andere erfahrene Spieler schon Ziel seiner verbalen Ausbrüche. Bei einem 18-Jährigen mögen zwar mildernde Umstände gelten, erst recht in einer emotionalen Ausnahmesituation wie dem enttäuschenden Aus im Europapokal. Zudem hat Schulz in der Vergangenheit tatsächlich immer wieder Leistungen geboten, die Fans und Mitspieler zu Recht erzürnt.

Dennoch schießt Bellingham mit derartigen Ausbrüchen deutlich über das Ziel hinaus, tut weder sich noch seiner Mannschaft einen Gefallen. Natürlich, mit seiner Mischung aus unbedingtem Willen, aus Spielstärke, Technik und Zweikampfstärke ist dieser Mittelfeldspieler ein echtes Juwel in den Dortmunder Reihen. Das wissen die Verantwortlichen, das wissen die Mitspieler – und das weiß auch er inzwischen nur zu gut. Schon mit 18 ist er eine tragende Säule im Dortmunder Spiel.

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Als Folge aber wollte er in Glasgow zu viel, wollte das Spiel alleine entscheiden und verzettelte sich dabei in der Schlussphase immer wieder. Bellingham wollte mit dem Kopf durch die Wand und die Wand erwies sich wieder einmal als härter. Und dann kam noch der Ausbruch gegen Schulz obendrauf, nach Abpfiff musste er außerdem von einem Betreuer dazu bewegt werden, sich bei den mitgereisten 2700 BVB-Anhängern zu bedanken. Der 18-Jährige muss dringend lernen, seine Emotionen besser zu kanalisieren, seinen Zorn in positive Energie umzuwandeln.

BVB: Es knirscht an einigen Stellen im Gefüge

Das Verhalten des jungen Engländers allerdings ist auch ein Symptom für größere Probleme im BVB-Kader. Auch einige Mitspieler haderten ja sichtbar und lautstark mit den Kollegen, Mats Hummels etwa. Es knirscht an einigen Stellen im Gefüge. Dass Bellingham sich außerdem bemüßigt sieht, die Kollegen lautstark herumzukommandieren und zurechtzuweisen, zeigt auch: Von anderen Spielern kommt in dieser Hinsicht viel zu wenig. Marco Reus tauchte einmal mehr ab, Hummels patzte entscheidend. Die (vermeintlichen) Führungsspieler sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, sodass ein 18-Jähriger vorangehen muss – und dabei fast zwangsläufig auch mal Maß und Mitte vermissen lässt.