Lissabon. Das 1:3 bei Sporting bedeutet das BVB-Aus in der Champions League. Das hätte in dieser Gruppe nie passieren dürfen. Ein Kommentar.

Immerhin widerstand Marco Rose der Versuchung. Der Versuchung, nach der 1:3 (0:2)-Niederlage von Borussia Dortmund bei Sporting Lissabon die Schuld beim Schiedsrichter zu suchen. Das allerdings wäre auch albern gewesen. Denn erstens war der Platzverweis gegen Emre Can in der 74. Minute mit Sicherheit keine Fehlentscheidung – Can hatte klar erkennbar gegen Pedro Porro nachgetreten und sich so einen reichlich dämlichen Platzverweis eingehandelt. Und zweitens lag der BVB zu diesem Zeitpunkt schon 0:2 zurück, der Platzverweis war also keinesfalls ursächlich für die Niederlage in Lissabon – die hochverdient war und schon einen Spieltag vor Schluss das Vorrunden-Aus bedeutet.

BVB-Gegner Sporting und Besiktas bestenfalls Mittelmaß

Und, man muss es so klar sagen: Dieses Aus ist nicht nur bitter für den BVB, es ist regelrecht peinlich angesichts der Gruppengegner. Klar, Ajax Amsterdam ist derzeit richtig gut und vielleicht sogar eines der heißesten Teams Europas. Aber sonst? Sporting und Besiktas Istanbul sind auf europäischer Ebene bestenfalls Mittelmaß. Der BVB ist aus einer Gruppe ausgeschieden, in der keine andere Mannschaft aus den europäischen Top-fünf-Ligen kommt. Nach der Auslosung hatten sich die Verantwortlichen in ihren Kommentaren schon Mühe geben müssen, um diese Gruppe zur Herausforderung zu erklären. Der BVB, da war man sich im Klub und drumherum sicher, war Favorit auf den Gruppensieg, ein Weiterkommen absolute Pflicht.

Und nun bedeutete diese Gruppe Endstation Champions League und hallo Europa League. Erstmals seit der Saison 2016/2017 überwintert der BVB nicht in der Königsklasse, ein Saisonziel ist somit krachend verfehlt. Was aber sind die Gründe für das jähe Aus, das ja nicht der erste Tiefschlag in der laufenden Saison ist? Das 0:4 bei Ajax Amsterdam war ein ziemlicher Tiefschlag, hatte der Mannschaft auf brutale Art und Weise Grenzen aufgezeigt und mächtig Schrammen im Selbstbild hinterlassen. Das 1:2 bei RB Leipzig tat ähnlich weh, weil man ähnlich chancenlos war.

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Was aber sind die Gründe für diese Aussetzer? Natürlich lassen sich die argen personellen Probleme als Erklärung heranziehen. Es fehlte Torjäger Erling Haaland, es fehlte Abwehrchef Mats Hummels, es fehlten Thorgan Hazard, Youssoufa Moukoko und Giovanni Reyna. Aber: Auch die verbliebenen Spieler sollten eigentlich eine hohe Qualität garantieren. Immerhin hat Torhüter Gregor Kobel 15 Millionen Euro gekostet, Linksverteidiger Nico Schulz sogar 25 Millionen. Das Dreiermittelfeld aus Julian Brandt, Jude Bellingham und Axel Witsel hat insgesamt fast 70 Millionen verschlungen.

Enttäuscht: BVB-Kapitän Marco Reus.
Enttäuscht: BVB-Kapitän Marco Reus. © AFP

Im Sturm spielte 30-Millionen-Mann Donyell Malen neben Reinier, für den Real Madrid im Januar 2020 gewaltige 30 Millionen Euro zahlte. Eine Truppe, die solche Summen verschlingt, müsste Sporting Lissabon eigentlich im Griff haben. Stattdessen zeigte sich zum wiederholten Mal, dass der zweite Anzug zwar viel kostet, aber dafür schlecht sitzt – und das ist nicht nur beim Schneider eine schlechte Kombination.

Der BVB hat in seinem Kader zu viel teures Mittelmaß angesammelt, es fehlt an Breite – auch weil die Corona-Krise seit anderthalb Jahren das Handeln erschwert. Die Mannschaft ist zu abhängig von einigen Spielern, allen voran von Sturmtank Erling Haaland. Das ist einerseits keine Schande, das wären viele Mannschaften. Dass man den Ausfall aber so gar nicht auffangen kann, ist bei aller Verletzungsproblematik inakzeptabel für eine Mannschaft, die zu den Top Ten in Europa gehören will. Wenn der Norweger spielt, machen es sich die Mitspieler zu oft zu einfach. Im Zweifel wird der lange Ball auf den Sturmtank geschlagen und der wird schon etwas damit anfangen können – so sah die Spielidee manchmal aus. Und die ist natürlich zum Scheitern verurteilt, wenn der Protagonist fehlt.

BVB-Aus: Über zehn Millionen Euro fehlen

Besserung ist dringend nötig, aber ist sie auch so bald zu erwarten? Eher nein. Die Personalsituation bleibt kompliziert. Und der BVB tut sich nicht erst seit Lissabon schwer, aus optischer Überlegenheit hinreichend Torgefahr zu kreieren. Im Winter auf dem Transfermarkt nachlegen? Auch das ist nun deutlich erschwert, weil durch das Champions-League-Aus über zehn Millionen Euro fehlen, die man in Corona-Zeiten gut gebrauchen könnte.

Der blamable Abend von Lissabon wird nachwirken – atmosphärisch ebenso wie finanziell. Rose und seine Mannschaft müssen in den nächsten Partien beim VfL Wolfsburg und gegen den FC Bayern die Stimmung wieder aufzuhellen – sonst drohen unangenehme Diskussionen in Dortmund.