Dortmund. Mit der Präsenz eines Anführers: Die BVB-Bosse schwärmen von Jude Bellingham. Der 17-jährige Teenager wird zum Taktgeber. Samstag gegen Köln.

Als der Abpfiff ertönte, senkte Jude Bellingham seinen Kopf, ging langsam in die Hocke und ließ sich zu Boden fallen. 11,75 Kilometer hatten ihn seine Beine über den Rasen des Signal Iduna Parks getragen, aber keinen Schritt weiter. Spiel gewonnen, Tank leer. „Zeit für ein bisschen Erholung“, schrieb Bellingham bei Twitter über ein Video der Szene nach dem 2:0-Sieg seiner Dortmunder Borussia über Hertha BSC am vergangenen Samstagabend.

Es war ja nicht das erste Mal, dass Bellingham eine derartige Energieleistung zeigte. Gegen den FC Sevilla (2:2) ein paar Tage zuvor gewann er die meisten Zweikämpfe aller Spieler auf dem Feld, eroberte am häufigsten von allen den Ball. In einem Champions-League-Achtelfinale. Mit 17 Jahren. „Er hatte in beiden Spielen eine hohe Intensität, er beißt, er läuft, er marschiert“, schwärmt Lizenzspielerchef Sebastian Kehl. „Er macht bereits einen sehr reifen Eindruck auf dem Platz.“

Schlüsselspieler in Terzics System

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Schon jetzt strahlt der Engländer im Spiel die Präsenz eines Anführers aus. Es gibt viele Aspekte, die ihm zum Schlüsselspieler im System von Trainer Edin Terzic machen. Bellingham versucht, Pässe und Bewegungen der Gegenspieler schon früh zu antizipieren, will in Zweikämpfen spielerische Lösungen suchen, hat aber auch nichts dagegen, seinen schlaksigen Körper mit voller Wucht in die Duelle zu werfen. „Er ist immer da, wenn er gebraucht wird“, sagt Terzic. „Er ist sowohl in der Defensive wichtig für uns, weil er extrem viele Bälle erobert und auch in der Offensive, weil er immer wieder gute Dinge einleitet.“

Bellingham hat zuletzt eine erstaunliche Entwicklung gezeigt. „Wie er gespielt hat, ist herausragend“, sagt Terzic. Der BVB-Trainer und sein zweitjüngster Profi im Kader nach Youssoufa Moukoko (16) pflegen einen engen Austausch. Terzic hat schon für West Ham United in London gearbeitet, spricht Englisch fließend. „Wir sind sehr zufrieden mit ihm.“ Um Bellingham das mitzuteilen, bedarf es gar nicht mal hervorragender Fremdsprachkenntnisse.

Seit der Verletzung von Witsel häufiger berücksichtigt

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24 Millionen Euro Ablöse musste der BVB für Bellingham im Sommer an Zweitligist Birmingham City überweisen. Eine Menge Geld – und das für einen Teenager, der bis dahin keine Minute in der ersten englischen Liga gespielt hat. Seit der schweren Verletzung von Mittelfeldstratege Axel Witsel (32/Achillessehnenriss) im Januar kommt Bellingham immer öfter zum Zuge. Auch gegen den 1. FC Köln am Samstag (15.30 Uhr/Sky) benötigt der BVB wieder ein spielstarkes Zentrum mit Mahmoud Dahoud (25) und dem Engländer.

Gareth Southgate hat den Leistungsschub des BVB-Talents natürlich bemerkt. Der englische Verbandstrainer verhalf Bellingham im November zum Debüt in der A-Nationalmannschaft. Auch für die nächsten WM-Qualifikationsspiele gegen San Marino und Polen sowie in Albanien hat Southgate den Mittelfeldspieler nominiert.

Ob Bellingham bei den beiden Spielen in Wembley zum Einsatz kommt, ist offen, weil ihm bei der Rückkehr aus dem Corona-Risikogebiet England eine 14-tägige Quarantäne droht. In diesem Fall würde der BVB von einer Ausnahmeregelung der Fifa Gebrauch machen, er müsste Bellingham zumindest nicht für die Länderspiele auf der Insel abstellen. „Wir sind mit sämtlichen Verbänden, bei denen es Probleme geben könnte, und den Gesundheitsbehörden im Austausch und versuchen, Lösungen zu finden“, sagte Sportdirektor Michael Zorc.

Mit dem Eltern-Taxi zum Training

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Die Berufung Bellinghams allein ist der nächste Beweis für seine derzeitige Verfassung. „Jeder weiß, wie talentiert die englische Nationalmannschaft ist“, meint Terzic. „Wenn wir da jemanden haben, der 17 Jahre alt ist und bei uns spielt und in der A-Nationalmannschaft Englands, dann kann man sich ungefähr ausmalen, wie gut er wirklich ist.“

Terzic muss die Zahl immer wieder betonen. 17! In der Champions League für den BVB spielen darf Bellingham, ein Auto steuern nicht. Seine Mutter fährt ihn zum Training sowie zu den Spielen hin und zurück. Nach 11,75 Kilometern in den Beinen ist so ein Taxi ja gar auch nicht schlecht.