Dortmund. Youssoufa Moukoko kann mit 16 Bundesliga spielen. Sehr junge Profis, das ist ein Trend. Ein Sportwissenschaftler und ein Psychologe warnen.

Giovanni Reyna: Debüt mit 17. Jude Bellingham: Debüt mit 17. Youssoufa Moukoko: Debüt voraussichtlich mit 16. Im Profi-Fußball ist seit einiger Zeit ein Jugend-Trend zu beobachten. Nicht nur in der Bundesliga, nicht nur bei Borussia Dortmund. Aber ist man in diesem Alter reif genug für die große Bühne - physisch und mental? Experten sehen das kritisch.

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Prof. Arne Güllich ist Sportwissenschaftler an der Technischen Universität Kaiserslautern. Er warnt vor einer zu frühen Intensivierung und Spezialisierung des Trainings, dies könne zu langfristigen gesundheitlichen Problemen führen. "Dazu zählen spätere Überlastungsschäden und Burnout", sagt Güllich im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Entwicklung im Profußball beobachtet er deshalb mit Sorge.

BVB-Talent Moukoko hat in allen Altersklassen dominiert

"Interessant wird es sein zu beobachten, ob es Ausstrahlungseffekte nach unten gibt. Also ob Spieler, Eltern und Trainer versuchen, die Entwicklung der Talente zu forcieren, sie zu beschleunigen – weil das Ziel eben nicht mehr ist, mit 18 Jahren Profi zu sein, sondern bereits mit 16.“

Youssoufa Moukoko

  • Geburtsdatum: 20. November 2004
  • Geburtsort: Yaoundé, Kamerun
  • beim BVB seit: Juli 2017
  • Bilanz in der U19-Bundesliga 2020/2021: 10 Tore in 3 Spielen
  • Seit diesem Sommer trainiert Youssoufa Moukoko bei den Profis mit und ist ab 20. November 2020 spielberechtigt

Auch im Nachwuchsbereich ist der Fußball längst ein Geschäft. Wer die Top-Talente frühzeitig unter Vertrag nimmt und sie entwickelt, hat die Chance, später hohe Ablösesummen zu kassieren. Trotzdem gelte es zu bedenken, dass es sich noch immer um Minderjährige handelt, betont Güllich. Und die seien besonders zu schützen. "Man kann nicht erwarten, dass Jugendliche in diesem Alter die möglichen Risiken des intensiven und spezialisierten Trainings einschätzen können", sagt der Experte. "Außerdem können wir nicht erwarten, dass sie unter dem Einfluss ihrer wachsenden Entourage von Beratern, Betreuern und um sie werbenden Vereinen die langfristigen Folgen beruflicher Entscheidungen schon absehen und selbstbestimmte Entscheidungen treffen können."

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Vor allem auch, weil längst nicht klar ist, dass Talente den Durchbruch schaffen. Selbst bei Youssoufa Moukoko, der bislang in allen Jugendklassen dominiert hat und dem eine große Zukunft vorausgesagt wird, gebe es keinen Automatismus, dass er es zum Weltklasse-Spieler bringt. "Es gibt Ausnahmen, aber in den meisten Fällen haben herausragende jugendliche Athleten später als Erwachsene eine eher abgeflachte Leistungsentwicklung", sagt Güllich und verweist auf seine Studie aus dem Jahr 2014.

Sportpsychologe warnt: Talente haben weniger Zeit sich zu entwickeln

Die hatte ergeben, dass je früher ein Spieler in einer U-Nationalmannschaft debütiert hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es besagter Fußballer im Erwachsenen-Alter "nur" in die 3. Liga oder tiefer schafft. Und andersherum: Je später ein Fußballer debütiert, desto eher schafft er es in die Bundesliga. Relativ späte und dafür starke Entwicklungsschübe sind auch ein Grund, warum es bei vielen Fritz-Walter-Medaillen-Gewinnern nie zur großen Karriere gereicht hat.

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Aufstrebende Talente, die ihre Leistung aus der Jugend im Erwachsenenbereich nicht bestätigen können - das hat nicht zwingend etwas mit den fußballerischen Fähigkeiten zu tun, weiß Sportpsychologe René Paasch. Neben den physischen Eigenschaften eines talentierten Fußballers wie Intelligenz, Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Reaktionsvermögen und Ausdauer sei auch die Mentalität sehr maßgeblich für eine zukünftige Profikarriere. "Die Talente haben weniger Zeit, sich mental zu entwickeln, weil der eigene und fremde Druck in der Fußball-Bundesliga immens ist", sagt Paasch dieser Redaktion. "Da wäre ein kompetentes Netzwerk um die jungen Spieler herum nötig – das sehe ich aber zu wenig."

Youssoufa Moukoko wurde bislang immer nur gehyped

Das Thema Sportpsychologie sei im deutschen Fußball "stiefmütterlich" behandelt worden, so der Experte, der lange im Nachwuchsleistungszentrum des VfL Bochum gearbeitet hat. "Man verliert dadurch ja nicht nur die jungen Spieler. Leider fehlt den Entscheidungsträgern in vielen Klubs das Gespür für dieses wichtige Thema", sagt Paasch. "Wir stoßen technisch und taktisch im Fußball an Grenzen, aber vernachlässigen das mentale Training." England und Frankreich seien Deutschland da klar voraus. "Dort ist es völlig normal, dass jede U-Mannschaft von einem Sportpsychologen betreut wird."

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Was bedeutet das für den Spieler Youssoufa Moukoko, der körperlich und spielerisch weiter als die anderen in seinem Alter ist? "Bislang hatte der Junge nur Erfolge, wurde immer gehyped. Ob er wirklich die kognitive Reife für die Bundesliga hat, wird man erst bei Rückschlägen sehen, wenn er mal nicht spielt oder verletzt ist", erklärt der Essener Sportpsychologe.

Man müsse immer den Einzelfall betrachten, nur das Fußballerische in den Fokus zu rücken, sei "viel zu kurzgedacht", so Paasch.