Mainz/Essen. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke gibt sich in einem Fernsehinterview zugleich demütig wie kämpferisch - und greift Bundeskanzlerin Merkel frontal an.
"Wir müssen irgendwann wieder Geld einnehmen." Das ist, kurz gesagt, die zentrale Botschaft von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke in diesen Tagen. Genau so formulierte er sie daher auch im ZDF-Sportstudio. Die aktuelle Corona-Lage mit der erneuten Beschränkung der Zuschauerzahlen sei natürlich "ein Rückschlag". Das "populistische Fußball-Bashing" aber, das zuletzt "teilweise aus der Bundesregierung" gekommen sei, empfinde er als "nicht zielführend", sagte Watzke.
Beinahe verzweifelt klang der Satz. "Wir brauchen zumindest die Geisterspiele, wenn wir die auch nicht mehr haben, wird es ganz eng." Dass darüber diskutiert werde, verstehe er nicht. Der Fußball habe ein "Superkonzept" vorgelegt, das "weltweit anerkannt" sei. Bei der Durchführung des Spielbetriebes, sagte der 61-jährige BVB-Chef, "geht überhaupt keine Gefahr aus", die Menschen in Sinsheim, wo der BVB am Nachmittag gegen Hoffenheim gespielt hatte, hätten sich superdiszipliniert verhalten: "Wenn sich in Deutschland bei Veranstaltungen die Menschen überall so diszipliniert verhalten hätten, würden wir über ganz andere Zahlen sprechen", sagte Watzke selbstbewusst und griff kurz darauf Bundeskanzlerin Angela Merkel frontal an: "Ich verstehe nicht, dass sie sagt, es gebe in diesen Tagen Wichtigeres als Fußball. Das ist doch nicht die Frage. Es gibt immer 1000 Sachen, die wichtiger sind als die Fußball-Bundesliga. Wir sollten uns aber lieber mit der Gefährdungslage auseinandersetzen." Merkel hatte in der Vorwoche angesichts der steigenden Corona-Zahlen und der nötigen Maßnahmen gesagt: "Man kann überlegen, ob man bei Fußballspielen weniger Leute oder gar keine hereinlässt."
Watzke steht zu dem DFL-Konzept
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Trotz des erkennbaren Frustes will Watzke das Konzept der DFL nicht aufschnüren: "Wir haben der Politik ein Angebot gemacht. Die Politik ist da nach intensiven Diskussionen drauf eingestiegen." Es sei ein Gebot "der Verlässlichkeit, dass wir jetzt zu unserem Gebot stehen und nicht gleich versuchen, nachzuverhandeln".
Die Zwickmühle des Profifußballs
Der Auftritt zeigte schnell, in welcher Zwickmühle der Klubboss stellvertretend für den Profi-Fußball steckt. Bereits am Morgen hatte er in einem Zeitungsinterview angedeutet, dass es für einige Klubs sehr schwer werden könnte, wenn der Spielbetrieb eingestellt würde. "Ich möchte nicht in der Haut mancher Kollegen stecken", sagte er dann auch im Sportstudio und orakelte: "Zwei oder drei Jahre hält das doch keiner durch."
Im Interesse der Klubs muss der Dortmunder Funktionär daher einen Spagat wagen, Lobbyarbeit für einen den Bedingungen angemessen möglichst reibungslosen Spielbetrieb zu betreiben, ohne dabei die fragile, fußballkritische Meinung jenseits der Fußballszene in Deutschland anzuheizen. (jk)