Dortmund. Die Corona-Krise bringt den Transfermarkt durcheinander - das betrifft auch die BVB-Profis Jeremy Toljan, Mahmoud Dahoud und Mario Götze.
Jeremy Toljan schien alles richtig gemacht zu haben. Endlich. 23 von 25 möglichen Ligaspielen bestritt er für den italienischen Erstligisten US Sassuolo Calcio, beim Tabellen-Elften der Serie A war der Rechtsverteidiger Leistungsträger. Trainer Roberto de Zerbi setzte auf den 25-Jährigen. „Er möchte attraktiven Fußball spielen lassen, und ich passe mit meinem Stil gut in diese starke Mannschaft hinein“, erklärte Toljan dieser Zeitung. Der Plan, der ins Stocken geratenen Karriere neuen Schwung zu geben, er schien aufzugehen. Sogar der Spitzenklub AS Rom begann, sich für Toljan zu interessieren.
Aber all das war vor Corona. Bevor die globale Pandemie das öffentliche Leben in ganz Europa zum Erliegen und das Fußballgeschäft zum Stillstand brachte, bevor das Virus in Italien besonders heftig wütete.
Nicht nur Jeremy Toljan muss umdenken
Nun ist alles anders, und nach Informationen dieser Zeitung kehrt Toljan Stand jetzt zurück zu Borussia Dortmund. Dorthin, wo er nach seinem Wechsel von der TSG Hoffenheim im Jahr 2017 nie über eine Nebenrolle hinauskam, wo man trotz Vertrags bis 2022 nicht mehr mit ihm plante. Auch die italienischen Klubs müssen sparen. Und in Sassuolo kommt hinzu, dass der Besitzer und Klubpräsident Giorgio Squinzi vor einem halben Jahr starb – und seine Kinder weit weniger Interesse zeigen, ihr Geld in Sport zu investieren. Sassuolo wird die Kaufoption über fünf Millionen Euro daher nicht ziehen wollen.
Toljan ist nicht der einzige BVB-Profi, der wegen der Corona-Pandemie umdenken muss. Mahmoud Dahoud, eigentlich bis 2022 gebunden, wollte nach drei Jahren ebenfalls einen Neuanfang wagen. Im Winter hatte er sich noch vorgenommen, zu bleiben, weiter auf den Durchbruch zu hoffen. Doch in den elf Partien seitdem kam der Mittelfeldspieler nur auf drei Kurzeinsätze – und so reifte der Wille zur Luftveränderung. Es gab Anfragen aus Spanien und Italien, doch die sind erst einmal hinfällig – zumal der 24-Jährige wenig Lust verspürt, in eines der vom Coronavirus besonders geplagten Länder zu wechseln.
Mario Götze ist ablösefrei – aber nicht billig
Auch Mario Götzes Zukunft liegt im Ungewissen. Im vergangenen Sommer hatte Inter Mailand intensiv um den Offensivspieler gebuhlt und ihn auch danach genauestens im Auge behalten – mit der Option, ihn in diesem Sommer dank auslaufenden Vertrags ablösefrei verpflichten zu können. Allerdings: Auf ein konkretes Angebot muss der 27-Jährige weiter warten. Denn ablösefrei heißt in seinem Fall nicht kostengünstig: Beim BVB kassiert der Weltmeister von 2014 ein Gehalt im hohen einstelligen Millionenbereich, das schreckt viele Interessenten ab – gerade in Zeiten, in denen kein Klub weiß, wie viel Geld er kurz- und mittelfristig zur Verfügung haben wird. Sicher ist für Götze derzeit nur, dass der BVB den auslaufenden Vertrag nicht verlängern will, dass Dortmund nicht mehr mit ihm plant. Wo Götze künftig spielen wird: unklar.
Mit dieser Ungewissheit ist er nicht allein: „Vor ein paar Jahren haben wir in einer Studie ermittelt, dass die durchschnittliche Vertragsdauer für Spieler deutlich unter zwei Jahren liegt“, sagt Jonas Baer-Hoffmann, Generalsekretär der weltweiten Spielergewerkschaft Fifpro, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es gibt also sehr viele Ein- und einige Zweijahresverträge, was bedeutet: Das Gros der Spieler muss aktuell um den Vertrag ab diesem oder spätestens kommendem Sommer bangen.“
Spieler müssen deutlich länger warten
Seine Sorge: „Da wird es große Überflutungen des Marktes geben, wenn es – wie wir befürchten – eine Großzahl an Insolvenzen von Klubs geben wird und die Kader aus Kostengründen deutlich verkleinert werden.“ Die Vereine hätten „derzeit überhaupt keine Budgetsicherheit. Und bevor sie nicht zumindest ein Gefühl dafür haben, werden die Spieler dieses Jahr deutlich länger warten müssen, bis sie wissen, wie es weitergeht.“ In Dortmund genauso wie überall sonst.