Dortmund. Der BVB trifft heute Abend in der Champions League auf Paris St. Germain. PSG-Trainer Thomas Tuchel ist zurück in Dortmund und gibt sich höflich.

Thomas Tuchel grinst breit. „Du siehst ja aus, als sei es gerade einmal zwei Wochen her“, sagt der Trainer von Paris Saint-Germain zu dem Ordner, der einen Durchgang im Dortmunder Stadion bewacht. „Sie aber auch“, sagt der und sieht dem Trainer hinterher, der schnellen Schrittes zu einem TV-Interview eilt.

Tuchel ist ein gefragter Mann vor dem Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel zwischen Borussia Dortmund und PSG an diesem Dienstag (21 Uhr/DAZN) – zumindest bei den Medien. Als der französische Meister am Montagmittag am Dortmunder Flughafen landet und von knapp 100 Fans in Empfang genommen wird, stehen andere im Mittelpunkt: „Mbappéééé!“, brüllen die Anhänger, als der französische Weltmeister um die Ecke biegt. „NEYMAAAAR!“, kreischen sie noch lauter, als der 222-Millionen-Mann folgt. Der Angreifer, der zuletzt wegen einer Rippenverletzung gefehlt hat, ist ebenso mitgeflogen wie Angel Di Maria, Edinson Cavani, Mauro Icardi, Marco Verratti, Thiago Silva und die deutschen Nationalspieler Julian Draxler und Thilo Kehrer.

Es ist eine der hochkarätigsten und teuersten Mannschaften des Weltfußballs. „Alle Spieler bei PSG haben große Qualitäten“, sagt BVB-Trainer Lucien Favre. „Ich könnte mindestens zehn Namen aufzählen.“ Der Star in Paris ist ganz sicher nicht der Trainer – aber natürlich erfährt auch Tuchel eine Menge öffentlicher Aufmerksamkeit.

Verhältnis zum BVB war komplett zerrüttet

Zweieinhalb Jahre ist es her, dass er beim BVB gehen musste, obwohl er soeben den DFB-Pokal geholt hatte – den bislang letzten Titel für Dortmund. Das Verhältnis zu Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc war komplett zerrüttet, daran hat sich bis heute nichts geändert. Kontakt hat es seitdem nicht mehr gegeben.

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Tuchel aber gibt sich bei der Rückkehr als höflicher Gast, schwärmt von der Atmosphäre im Dortmunder Stadion, die „Worte gar nicht beschreiben können“. Erstmals seit seinem Abgang kehrt er zurück. „Ich habe wahnsinnig viele bekannte und sehr erfreute Gesichter gesehen und ich habe mich auch sehr gefreut, die zu sehen“, sagt der 46-Jährige.

Michael Zorc ist damit eher nicht gemeint. „Wenn wir uns begegnen, werden wir uns, wie es sich gehört, freundlich begrüßen“, sagt der Sportdirektor zwar im Gespräch mit dieser Zeitung. Das allerdings ist genauso kalt gemeint, wie es klingt – und zeigt: Das öffentliche Bild von Klubboss Watzke als dem großen Tuchel-Antipoden ist bestenfalls ein Teil der Wahrheit

Watzke ging öffentlich auf Distanz zu Tuchel

Das Zerwürfnis zwischen Trainer und Klubführung wurde für die breite Öffentlichkeit im April 2017 sichtbar, nach dem Anschlag auf die Mannschaft traten die Risse deutlich zutage. Unter dem Druck des Europäischen Fußball-Verbands Uefa mussten die Dortmunder schon einen Tag, nachdem die Bomben an ihrem Bus hochgegangen waren, wieder in der Champions League antreten. Tuchel kritisierte das anschließend heftig – in einer Art und Weise, die sich auch gegen die Klubführung richtete. Watzke ging daraufhin öffentlich auf Distanz, zeigte sich im Interview mit dieser Zeitung irritiert von Tuchels Aussagen.

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Zorc und Tuchel pflegten da längst ein Nicht-Verhältnis, hatten sich vor allem in Personalfragen überworfen. Öffentlich aufwärmen wollen sie das Thema aber nicht. „Wir spielen gegen Paris, nicht gegen Thomas Tuchel“, betont Zorc seit Wochen. Und das wird angesichts der offensiven Qualitäten des Gegners kompliziert genug. „Wenn man den Ball verliert, dann schalten sie schnell um“, sagt BVB-Trainer Favre, der bis auf die Verletzten Julian Brandt und Marco Reus alle seine Stars zur Verfügung hat. Vor den PSG-Stars zieht er den Hut: „Sie spielen Gegenpressing. Manchmal warten sie aber auch. Das ist eine Mannschaft, die einige Dinge beherrscht.“

Nur mit dem Verteidigen haben die Franzosen ebenso wie die Dortmunder ihre Probleme. Zuletzt gab es – allerdings ohne zahlreiche geschonte Stammspieler – ein 4:4 beim Tabellenvorletzten Amiens SC. PSG konnte es sich leisten, in der Liga beträgt der Vorsprung an der Tabellenspitze zehn Punkte.

Meisterschaft für PSG selbstverständlich

Aber die Meisterschaft in Frankreich ist nur lästige Pflicht. Die katarischen Investoren, die den Klub mit vielen Millionen päppeln, erwarten den Champions-League-Sieg, mindestens aber das Finale. Dass Tuchel seit 23 Spielen ungeschlagen ist, dass er 20 davon gewonnen hat, das interessiert höchstens am Rande. „Mit Blick auf die Ergebnisse der vergangenen Saison ist Tuchel der schlechteste Trainer seit dem Einstieg Katars“, sagt Luis Fernandez, Europameister 1984, Spieler und zweimal Trainer bei PSG und heute TV-Experte. Nur ein Titel, nur die Meisterschaft – das ist gefährlich wenig.

Auch wenn Tuchels Ruf in Paris nach wie vor ein eher positiver ist, auch wenn er sich mit der Mannschaft und den Topstars versteht, auch wenn die Klubbosse bislang zu ihm stehen: Das Achtelfinal-Aus sollte, anders als in der Vorsaison gegen Manchester United, dringend vermieden werden. Sonst droht der nächste unschöne Abgang.