Mönchengladbach. Trainer Marco Rose begeistert bei Gladbach. Im großen Interview spricht er über das BVB-Duell, seine Philosophie und das Leben in Leipzig.

Es verwundert nicht, dass Marco Rose entspannt wirkt, nachdem er in einem Raum im Stadion von Borussia Mönchengladbach Platz genommen hat. Schließlich ist die Mannschaft des 43-jährige Gladbach-Trainers Tabellenführer. Vor dem Duell bei Borussia Dortmund am Samstag (18.30 Uhr/Sky) spricht Rose über den BVB, die eigene Philosophie und seine ersten Monate in Gladbach.

Herr Rose, Sie sind schon mehr als 100 Tage in Gladbach. Wie gefällt es Ihnen bislang?

Marco Rose: Sehr gut. Es gab Tage, an denen es Riesenspaß gemacht hat. Und es gab Tage, an denen wir aufgrund von Leistungen oder Ergebnissen auch mal gegrübelt haben. Borussia ist ein toller Verein mit tollen Mitarbeitern. Und meine Mannschaft macht mir Spaß.

Deswegen sind Sie als Tabellenführer gegen den BVB sogar Favorit.

Marco Rose: Jeder, der sich ein bisschen auskennt im Fußball, weiß schon, dass Borussia Dortmund, auch wenn es zuletzt von den Ergebnissen nicht ganz perfekt lief, einen herausragenden Kader, einen Top-Trainer und eine klare Spielidee hat. Wenn die Resultate nicht stimmen, werden in der Öffentlichkeit Dinge gesucht und Grundsatzthemen aufgemacht. Wir brauchen in Dortmund eine Top-Leistung, um dort bestehen zu können. Die trauen wir uns im Moment mit den Ergebnissen im Rücken zu.

BVB Trainer Lucien Favre steht schon früh in der Kritik. Wie erleben Sie das Geschäft?

Marco Rose mit den Reporter Nils Balke (Mitte) und Marian Laske.
Marco Rose mit den Reporter Nils Balke (Mitte) und Marian Laske. © Funke

Marco Rose: Manchmal ist es makaber, wie schnell das geht. Das beste Beispiel ist Niko Kovac. In der vergangenen Saison hat er es sehr schwierig gehabt. Dann gewinnt er beide Titel, startet in diese Saison hervorragend, gewinnt in der Champions League bei Tottenham 7:2. Und alle sagen: Er ist jetzt richtig angekommen. Aber dann kommt eine Heimniederlage gegen Hoffenheim und schon reden alle über mögliche Baustellen. Man muss einfach für sich einen Weg finden, die Dinge richtig einzuordnen und in der Öffentlichkeit gut zu moderieren.

Hat Hans-Joachim Watzke Sie eigentlich mal angerufen, um Sie zum BVB holen zu wollen?

Marco Rose: Nein, das hat er nicht.

Dafür hat sich Gladbachs Sportdirektor Max Eberl gemeldet. Wie verstehen Sie sich mit?

Marco Rose: Schon bevor ich hierhin kam, hatte ich viel Positives über ihn gehört. Ich habe das Gefühl, dass er mir den Rücken frei hält, hinter mir steht und dass wir offen und ehrlich auch über unangenehme Dinge reden können.

Eberl hatte öfters gesagt, dass es ihm um eine neue Ansprache gehe. Wie sieht Ihre denn nun aus?

Marco Rose: Ich versuche deutlich, einfach, offen und ehrlich zu sein. Auch in Dingen, die nicht so populär sind. Damit treffe ich vielleicht manchmal den Nagel auf den Kopf, liege aber sicher hier und da auch mal daneben. Ich habe aber auch gelernt und bin kein Trainer, der direkt nach dem Spiel einen Kreis machen muss oder in die Kabine stapft und sofort eine Ansprache hält. Ich habe gemerkt, dass ich in der ersten Emotion nicht immer die richtigen Worte finde.

Soll auch diskutiert werden?

Marco Rose: Absolut. Wenn der Moment passt, stelle ich gerne mal offene Fragen, bei denen es nicht darum geht ‚Ja‘ oder ‚Nein’ zu sagen. Dann kann und soll die Meinung gesagt werden. Ich freue mich, wenn was kommt. In der Gruppe ist das schwieriger, aber in Einzelgesprächen passiert das schon eher.

Wie sieht für Sie der perfekte Fußball aus?

Marco Rose: Ich selber will im Stadion Spiele sehen, in denen Action ist. In denen es hoch und runter geht. In denen Mannschaften mit offenem Visier arbeiten. Und trotzdem weiß man als Trainer: Es geht nicht immer mit Hurra. Du musst fleißig und gut verteidigen. Das wollen wir aber gerne sehr aktiv machen, ohne ständig tief hinten drin zu hängen. Wenn wir Bälle gewinnen, wollen wir schnell umschalten. Der erste Gedanke sollte immer sein, nach vorne zu spielen, eher vorwärts als rückwärts.

Damit das gelingt, wie viel Zeit müssen Sie für Ihren Job opfern?

Marco Rose: Eine Menge. Du bist verantwortlich. Für deine Jungs, aber auch für die Mitarbeiter, für den ganzen Verein. Du spürst irgendwann, wie groß der Verein ist, was die Fanbasis betrifft. Da hast du Verantwortung. Das darf dich natürlich nicht erdrücken.

Wieso wollten Sie Trainer werden?

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Marco Rose: Ich habe Abitur gemacht und danach einen Beruf erlernt: Sozialversicherungs-Kaufmann bei einer Krankenkasse. Aber nach 15 Jahren als Fußballprofi hätte ich mir nicht wieder vorstellen können, mich an einen Bürotisch zu setzen und diesen Job auszuführen. Ich habe also mit dem Trainerjob angefangen und gemerkt, dass mir das Spaß macht. Ich habe Jugendmannschaften übernommen, mich weiterentwickelt und wollte dahin zurück, wo ich als Spieler war: in den Profi-Bereich. Man will auf Top-Niveau um Dinge mitspielen, die etwas bedeuten.

So wie jetzt um die Meisterschaft.

Marco Rose: (lacht) Wir werden hier in Gladbach dieses Jahr nicht um die Meisterschaft spielen. Dieser Verein hat solche großen Zeiten schon erlebt. Die Leute da draußen dürfen die wieder erleben wollen. Wir sollten alle die Vision und den Traum haben. Dafür müssen aber auch in den nächsten Jahren ein paar Dinge zusammenpassen.

Ihre Heimat ist Leipzig. Was bedeutet sie Ihnen?

Marco Rose: Meine Heimat bedeutet mir sehr viel. Die trage ich stolz in mir, weil Leipzig eine ganz tolle Stadt ist. Ich mag die Mentalität der Leute sehr und bin gerne dort. Trotzdem bin ich sehr dankbar, viel bis hierhin kennengelernt zu haben. Jetzt darf ich hier die Mentalität des Niederrheiners kennenlernen. Ich genieße aber auch die kurzen Wege zum Flughafen Düsseldorf. Es tut mir sehr gut, wenn ich meine Familie oft sehe.

Wie haben Sie die friedliche Revolution in Leipzig vor 30 Jahren miterlebt?

Marco Rose: Hautnah. Ich war damals erst 13 Jahre alt. Meine Mutter hat sehr aktiv daran teilgenommen, war oft auf der Straße. Ich habe diese Montagsdemonstrationen auch immer sehr wahrgenommen, weil ich vom Training aus Leipzig-Probstheida, wo Lok Leipzig trainiert hat, nach Hause fahren musste auf die andere Stadtseite nach Leipzig-Mockau. Ich bin dort ausgestiegen und habe mir angeschaut, was dort passiert, was das für eine Wucht hat.

Was nimmt man aus solchen Zeiten fürs Leben mit?

Marco Rose: Meine Kindheit war immer gut. Mir hat nichts gefehlt, aber ich habe gemerkt, dass meinen Eltern und den Leute drumherum was fehlt. Es gab Menschen, die unterschiedlich behandelt wurden. Es war am Ende eine Diktatur, die abgeschafft werden musste. Es hat Freiheit gefehlt, die die Leute danach hatten. Es sind viele positive Dinge danach passiert. Trotzdem wissen wir in der Summe, dass ein paar Dinge auf der Strecke geblieben sind. Es gibt auch heute noch eine gewisse Einteilung in Ost und West. Und es gibt Vorurteile. Das ist schade, weil ich beide Seiten kenne und weiß, dass beide schwer in Ordnung sind und es schöne Orte auf beiden Seiten gibt. Es lohnt sich, daran zu arbeiten, sie zusammenzuführen und zu entwickeln.