Dortmund. Der Dortmunder Präsident hört nach zwölf Jahren als Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL) auf. Dem BVB möchte er weiter die Treue halten.
Eine Hochzeit in Dortmund, irgendwann in den Neunzigern. Es wird bereits getanzt, die Stimmung ist prächtig, doch sie lässt sich noch steigern: Als der DJ „Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia!“ einspielt, den Stadionhit mit der Pippi-Langstrumpf-Melodie, ist die feiernde Gesellschaft nicht mehr zu bremsen. Auf der Tanzfläche ist kein Meter mehr frei, Arm in Arm wird gehüpft und gesungen.
Auch Reinhard Rauball ist zu Gast, ganz privat, er ist gut bekannt mit dem Brautpaar. Als er das Lied hört, hält es auch ihn nicht mehr auf seinem Stuhl. Linkes Bein hoch, rechtes Bein hoch, „BVB Borussia, Borussia BVB“ – schwarz-gelbe Glückseligkeit. Wenn es um seinen Verein geht, gibt der Doktor Vollgas.
Kann man sich kaum vorstellen bei diesem Mann? Weil er doch so bedächtig wirkt, so besonnen? Wer Reinhard Rauball die Energie und die Leidenschaft abspricht, nur weil er nicht als Lautsprecher auftritt, der unterschätzt ihn schwer, den renommierten Rechtsanwalt aus Dortmund, dem nicht nur der BVB vieles zu verdanken hat. Sondern auch der gesamte deutsche Fußball.
Seit zwölf Jahren repräsentiert der 72-Jährige als Ligapräsident die Vereinigung der 36 Profi-Klubs, am Mittwoch wird er sich bei der Generalversammlung der Deutschen Fußball-Liga in Berlin verabschieden. Es war sein eigener Wunsch, verkündet hatte er ihn bereits vor einem Jahr. Zeit genug also, um noch Veränderungen anzuschieben für die Zeit danach. Die Zeit ohne ihn.
Es wird keinen Ligapräsidenten mehr geben. Reinhard Rauballs Aufgaben werden aufgeteilt, zwei bereits starke Männer in der DFL werden künftig mit noch mehr Machtfülle ausgestattet sein. Christian Seifert, der Geschäftsführer, wird Sprecher des Präsidiums. Und Peter Peters, der Finanzvorstand des FC Schalke 04, bisher DFL-Vizepräsident, kandidiert für den Aufsichtsratsvorsitz und den Posten des stellvertretenden Präsidiumssprechers.
Rauball, der Dortmunder, singt auf Peters, den Schalker, ein Loblied, er sagt ihm volle Unterstützung zu: „Seine Arbeit war von tiefster Loyalität geprägt. Er ist derjenige, der von uns allen im Präsidium die meiste Arbeit gemacht hat.“
„Klarer Verfechter“ der 50+1-Regel
Man fragt sich allerdings auch, wie Reinhard Rauball das bisher alles geschafft hat. Den Beruf als Anwalt, das Amt des BVB-Präsidenten, die Sitze in Aufsichtsräten und Stiftungen – und dann noch die Verantwortung als Ligapräsident, die weitere Verpflichtungen mit sich brachte: Vizepräsident des DFB, Delegationsleiter bei vielen Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft. Jetzt zieht er sich bei der DFL zurück, und seine Bilanz lässt keinen Raum für Missmut: „Ich habe das gerne gemacht, die Aufgabe hat mich mit Zufriedenheit ausgefüllt. Es bleibt nichts, das ich als unangenehm empfinden würde.“
Als er 2007 an der DFL-Spitze Nachfolger des verstorbenen Werner Hackmann wurde, war der VfB Stuttgart Deutscher Meister, und Rauballs BVB wurde noch von Thomas Doll trainiert. Seitdem habe sich vieles „dynamisch entwickelt“, Rauball verweist auf die hohen Erlöse durch die TV-Vermarktung und auf 18 Millionen Ticket-Verkäufe pro Saison. Es habe auch schwierige Zeiten gegeben, auch interne Auseinandersetzungen, bei denen es hoch her ging, da 36 Profi-Klubs natürlich unterschiedliche Interessen vertreten. „Die 50+1-Regel zum Beispiel war in all den Jahren immer ein Thema“, sagt Rauball, dem es persönlich am Herzen liegt, dass dieser Sockel des deutschen Fußballs nicht mit dem Presslufthammer bearbeitet wird. Er sei „ein ganz klarer Verfechter“ dieser 50+1-Regel, die garantiert, dass die Stimmenmehrheit beim Verein bleibt und Investoren einen deutschen Klub nicht komplett übernehmen können.
Keine Sorgen um deutschen Fußball
Rauball erkennt natürlich die Gefahr, dass der deutsche Vereinsfußball international weiter abgehängt, dass die Kluft zu England und Spanien größer werden könnte. „Immer die Nummer eins zu sein, ist nicht das allein selig Machende“, entgegnet er. „Die Art, wie der deutsche Zuschauer den Profifußball annimmt, macht mir keine Zukunftssorgen.“
In anderen Ländern gibt es auch die zentrale Vermarktung nicht, ein Kernstück der DFL. Um sie zu erhalten, brauchte es einen verbindenden Vermittler wie Reinhard Rauball, der den Großen immer wieder erklären musste, dass es durchaus sinnvoll ist, den Kleinen etwas abzugeben. „Man braucht Überzeugungskraft“, sagt der scheidende DFL-Diplomat.
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Warum eigentlich benötigt die DFL dann künftig keinen Präsidenten mehr? Dieser Frage weicht Reinhard Rauball aus, er sagt: „Wir haben uns darauf verständigt, das mehr auf die operative Ebene zu verteilen, und wir sind einhellig der Meinung, dass das ein gutes Konzept ist.“
Mag sein, dass die neue Struktur erfolgreich sein wird. Die Wahrscheinlichkeit aber dürfte groß sein, dass Reinhard Rauball, der am Mittwoch zum Ehrenpräsidenten der DFL ernannt wird, als integrative Kraft, als vereinende Stimme, als Mann des Ausgleichs fehlen wird. Alle wichtigen Entscheidungen, darauf ist er stolz, seien am Ende einstimmig getroffen worden. „Dafür habe ich sehr gekämpft“, erzählt er. „Bei Mehrheits-Entscheidungen besteht immer die Gefahr, dass Verlierer produziert werden.“ Zwölf Jahre lang konnte er das vermeiden.
Zwölf Jahre. „Wie viele Kilometer ich da allein nach Frankfurt gefahren bin“, sagt Reinhard Rauball und lacht. Er geht ja nicht so ganz, bei Borussia Dortmund wird er sich im November als Präsident zur Wiederwahl für drei weitere Jahre stellen. Der BVB ist und bleibt sein Herzensklub, mit Rauballs Worten klingt das so: „Die emotionale Kraft beim BVB ist die höchste, die ich außerhalb meiner Privatsphäre empfinde.“
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Der schwarz-gelben Vereinsfamilie versichert er, noch „voller Tatkraft und Leidenschaft“ zu sein. Die nötige Fitness bringt er allemal mit. „Nur so sind hohe berufliche Leistungen zu schaffen“, sagt er. „Ich mache Sport, so oft es geht. Einmal in der Woche Fußball, einmal in der Woche Tennis – beide Taschen liegen gepackt im Kofferraum. Meine vier Sekretärinnen wissen genau, zu welchen Stunden sie meinen Terminkalender frei zu halten haben.“
Reinhard Rauball schmunzelt. Dann verrät er, was er für seine „größte Lebensleistung“ hält: „Vier Sekretärinnen eingestellt zu haben, die auch noch blendend miteinander auskommen.“