Dortmund/München. . Mit Erleichterung registriert der BVB nach schwierigen Wochen das 3:1 gegen Stuttgart. Doch Bayern zieht vorbei - und scheint besser in Form.

Ausgerechnet um 16.04 Uhr war es so weit. Die 04 ist mit großem Abstand die unbeliebteste Zahlenkombination bei Borussia Dortmund, steht sie doch für den ungeliebten Revierrivalen Schalke 04. Um 16.04 Uhr also drang die Kunde aus München nach Dortmund, dass der FC Bayern das 1:0 gegen den VfB Wolfsburg erzielt hatte und damit in der Blitztabelle am BVB vorbeigezogen war. Und obwohl die Dortmunder am Ende selbst mit 3:1 (0:0) gegen den VfB Stuttgart gewannen, blieben sie auch nach dem Schlusspfiff Tabellenzweiter – denn die Bayern überrollten Wolfsburg mit 6:0 (2:0) und haben nun die um zwei Treffer bessere Tordifferenz. Erstmals seit dem sechsten Spieltag am 29. September steht der BVB nicht an der Spitze der Fußball-Bundesliga.

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Und doch tanzte die gesamte Mannschaft nach Abpfiff vor der Südtribüne. Denn die Erleichterung war groß, endlich wieder einmal gewonnen zu haben nach zuvor nur einem Sieg in acht Pflichtspielen – und sie hielt auch am Sonntag an: „Das Erfolgserlebnis ist sehr wichtig“, erklärte Sportdirektor Michael Zorc im Gespräch mit dieser Zeitung. Für die Tabelle, um nach Punkten mit den Bayern mitzuhalten. Vor allem aber für die Köpfe. „Es war enorm wichtig, die drei Punkte zu holen, damit auch mal wieder ein bisschen Ruhe einkehrt“, meinte Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung.

Ein fußballerisches Feuerwerk brannten die Dortmunder allerdings nicht ab. „Es war lange ein sehr zähes Spiel“, urteilte Kehl, Zorc sprach von einem Arbeitssieg. „Natürlich haben wir noch Luft nach oben“, meinte der Sportdirektor. „Es ist eben schwierig, wenn du gegen so einen tiefstehenden Gegner spielst. Da geht es um Esprit und absolute Kreativität. Beides war in Vollendung aber auch nicht unbedingt zu erwarten nach den letzten Wochen.“

Wieder ein BVB-Gegentor nach Standardsituation

Stuttgart verrammelte sich mit Fünferkette und dicht gestaffeltem Mittelfeld am eigenen Strafraum, dem BVB fehlte meist die Präzision im letzten Pass, um gefährlich zu werden. So brauchte es einen vom Ex-Dortmunder Gonzalo Castro an Jadon Sancho verursachten Foulelfmeter, um durch Marco Reus in Führung zu gehen (62.). Doch es kam der postwendende Ausgleich, wieder einmal durch eine Standardsituation: Nach Castros Freistoß köpfte Marc-Oliver Kempf erstaunlich unbedrängt ein, weil Abdou Diallo ihn einfach laufen ließ (71.). „Wir müssen uns besser und cleverer verhalten“, schimpfte Kehl. „Das ist zu leicht, gegen uns in diesen Situationen ein Tor zu erzielen.“

Positiv registrierten die Bosse dann, dass der Nackenschlag die Mannschaft dieses Mal nicht aus der Bahn warf, Paco Alcácer (84.) und Christian Pulisic (90.+2) trafen zum verdienten Sieg. „Wir haben gesehen, dass wir uns die Dinge hart erarbeiten müssen, wir bekommen nichts geschenkt“, sagte Kehl.

Lewandowski jetzt bester ausländischer Torschütze

Das war der große Unterschied zu den Bayern, die locker-leicht zum 6:0-Kantersieg gegen Wolfsburg stürmten. Es trafen Serge Gnabry (34.), James Rodríguez (52.), Thomas Müller (76.), Joshua Kimmich (82.) und Robert Lewandowski (37./85.), der mit seinen Ligatoren 16 und 17 vorerst die Führung in der Torjägerliste übernahm und mit 197 Treffern nun erfolgreichster ausländischer Torjäger der Liga-Geschichte ist – vor dem für Werder Bremen spielenden Claudio Pizarro (195).

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„Zu keinem Zeitpunkt waren wir in Schwierigkeiten“, konstatierte Bayern-Trainer Niko Kovac. „Wir hätten noch mehr Tore schießen können und auch müssen.“ Ein Satz, der nach dem höchsten Saisonsieg durchaus als Ansage an die Konkurrenz verstanden werden durfte – die aber gar nicht mehr nötig gewesen wäre. Die Bayern aus dem Frühjahr 2019 sind längst wieder die Bayern, die die Liga kennt und fürchtet: Von den zurückliegenden 13 Bundesligaspielen wurden zwölf gewonnen, die Schwächephase aus der Hinrunde ist längst vergessen. Im Eiltempo hat der Rekordmeister die zwischenzeitlich neun Punkte Rückstand auf Dortmund egalisiert, er hat den bisherigen Tabellenführer nicht nur ein-, sondern jetzt auch überholt. Auf der Zielgeraden der Saison scheinen die Münchener die größeren Kraftreserven zu haben.

Reus nimmt Führungswechsel hin

Beim BVB aber müht man sich um Gelassenheit: „Das ist mir wurscht“, sagte Kapitän Marco Reus zum Führungswechsel an der Tabellenspitze. „Entscheidend ist, wer am Ende Erster wird.“

Das Wort Meisterschaft nehmen sie in Dortmund zwar noch immer nicht in den Mund – sie lassen aber inzwischen keinen Zweifel mehr, dass nur sie das Ziel ist: „Ich will maximalen Erfolg“, forderte Kehl.