Frankfurt. In Frankfurt überzeugte Julian Weigl in der BVB-Innenverteidigung. Er ist ein weiteres Beispiel für die gute Personalpolitik von Trainer Favre.

Es war ein geradezu erschreckendes Zeugnis, das sich Julian Weigl selbst ausstellte: „Es war recht schwierig, ich hatte gefühlt keine Ahnung, in welchen Räumen ich mich aufhalten muss“, sagte der Profi in Diensten von Borussia Dortmund nach dem 1:1 (1:1) bei Eintracht Frankfurt. „Ich war relativ hilflos.“

Was wie eine schonungslose Selbstgeißelung klang, war nur der Rückblick auf den Oktober 2017, als der BVB zuletzt in Frankfurt gespielt hatte, der gelernte Mittelfeldspieler Weigl erstmals als Innenverteidiger aufgelaufen war und miterleben musste, wie Dortmund eine 2:0-Führung noch verspielte und in der Folge einen beispiellosen Absturz unter dem damaligen Trainer Peter Bosz hinlegte.

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Seitdem hat sich viel getan beim BVB und bei Weigl. Bei der Rückkehr nach Frankfurt spielte der 23-Jährige erneut im Abwehrzentrum, zum nun vierten Mal nacheinander – und war bester Dortmunder Feldspieler. „Jule hat es heute wieder sehr gut gemacht“, meinte Sportdirektor Michael Zorc. „Er klärt in einer ruhigen Art, er hat bei Balleroberungen und beim Aufbauspiel ein gutes Auge.“

Phasenweise mitreißendes Spiel

Weigl war Teil eines phasenweise mitreißenden Spiels zweier dynamischer Mannschaften, die ständig den Weg nach vorne suchten – Frankfurt über das ganze Spiel hinweg sogar konsequenter als der Spitzenreiter. Dennoch war zunächst der BVB erfolgreich: Raphael Guerreiro setzte sich nach feinem Doppelpass mit Marco Reus gegen mehrere Frankfurter durch und gab den Ball dann in die Mitte, wo der mitgelaufene Reus zum 1:0 einschob (22.). Der Kapitän hätte sogar noch erhöhen müssen, ließ aber gleich drei gute bis sehr gute Chancen liegen (24./25./29.).

Das rächte sich, weil auch auf der Gegenseite eine hervorragende Offensive spielte. Bestehend aus Sebastian Haller, der unermüdlich rackerte und viele Bälle verarbeitete und verteilte, aus Ante Rebic, der mehrfach am glänzend aufgelegten BVB-Torhüter Roman Bürki scheiterte, und aus Luka Jovic, der den Schweizer nach Flanke von Danny da Costa doch überwand (36.).

Am Ende stand ein leistungsgerechtes 1:1, was die Dortmunder sehr unterschiedlich aufnahmen: „Wir haben über weite Strecken ein gutes Spiel gemacht“, lobte Sportdirektor Michael Zorc, während Bürki mit dem Ergebnis haderte – und sich auch nicht dadurch trösten ließ, dass die Tabellenführung gegenüber dem FC Bayern München nach dessen 1:3-Niederlage bei Bayer Leverkusen auf sieben Punkte ausgebaut wurde: „Wir schauen nur auf uns, deswegen sind wir ein bisschen enttäuscht, dass wir heute nicht gewonnen haben“, meinte Bürki. Wir schauen nur auf uns – das ist der Satz, mit dem die Dortmunder seit Wochen alle Fragen nach dem Titelkampf abbügeln. Auch Weigl benutzte ihn, nachdem er sich zum eigenen Auftritt geäußert hatte: „Frankfurt hat vorne große Qualität, dagegen mussten wir richtig ankämpfen“, sagte er. „Ich bin nicht so bullig wie die, da muss man clever agieren – und das ist uns gelungen.“

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Dabei wäre im wiedergenesenen Ömer Toprak ja durchaus eine bulligere Alternative verfügbar gewesen. Trainer Lucien Favre entschied sich dennoch für Weigl und untermauerte damit, dass der längst mehr ist als ein Notnagel im Abwehrzentrum, der er nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Manuel Akanji, Dan-Axel Zagadou und eben Toprak einmal war. Weigl ist ein weiteres Beispiel dafür, wie es den Dortmundern immer wieder gelingt, Widrigkeiten scheinbar mühelos zu überwinden – und wie Favre es immer wieder schafft, sein Personal gewinnbringend einzusetzen.

Nächste erfolgreiche Umschulung

Mario Götze hat er nach wochenlangem Reservisten- oder Tribünendasein zum Stürmer umfunktioniert und eine produktive Arbeitsteilung mit Paco Alcácer etabliert. Raphael Guerreiro, der als Linksverteidiger kam und meist im zentralen Mittelfeld spielte, reüssiert als Linksaußen. Marco Reus, jahrelang Außenstürmer, wurde auf die Spielmacher-Position versetzt und spielt stark wie nie. Und schon vor Jahren schulte Favre Lukasz Piszczek bei Hertha BSC vom Stürmer zum Rechtsverteidiger um.

Davon profitiert der BVB noch heute, davon profitieren aber auch die einzelnen Spieler: Weigl etwa war wochenlang außen vor, wollte den Klub im Winter verlassen. Nun spielt er und kann sich noch interessanter machen für potenzielle neue Arbeitgeber. Oder er etabliert sich auf neuer Position, weil es ja längst kein Automatismus mehr ist, dass er seinen Platz räumen muss, wenn die Verletzten zurückkehren. „Von mir aus kann er immer da spielen“, meinte Bürki. „Aber ich stelle ja nicht auf.“