Marbella. Mario Götze hat sich in der Hinrunde seinen Platz im BVB-Team zurückerkämpft. Er hat die Qualitäten, um ihn im neuen Jahr auch zu verteidigen.
Im letzten Moment wird Mario Götze noch abgefangen. Der Angreifer von Borussia Dortmund ist gerade auf dem Weg zur Terrasse des Mannschaftshotels Gran Melia Don Pepe an der Küste von Marbella, da wird er von Mannschaftsarzt gestoppt. Und dessen Ansage ist eindeutig: Rauf aufs Zimmer und dann zur Behandlung. Eine ernsthafte Blessur gibt es zwar nicht, aber dennoch geht die Gesundheit vor. Der geplante Gesprächstermin mit Journalisten muss abgesagt werden.
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Dabei hätte es einiges zu bereden gegeben, denn Götze hat ein turbulentes Jahr hinter sich: die Nichtnominierung für die WM in Russland, die ihn schwer traf – die ihm aber auch eine deutlich gründlichere Saisonvorbereitung ermöglichte, als es in den Jahren zuvor möglich war. Ausgeruht und dennoch topfit erschien er zum Trainingsauftakt in Dortmund. „Ich fühle mich sehr gut, die längere Pause habe ich intensiv für mich genutzt“, sagte er damals. „Ich freue mich auf neue Saison und bin sehr guter Dinge.“
Für Götze war lange kein Platz im BVB-System
Doch die Freude währte nicht lange, Götze musste meist auf die Bank oder die Tribüne. In Favres System war kein Platz für ihn: Als Spielmacher war Marco Reus gesetzt, auf den Außenpositionen waren ihm Jadon Sancho, Jacob Bruun Larsen und auch Christian Pulisic voraus und im zentralen Mittelfeld hatten Axel Witsel, Thomas Delaney und Mahmoud Dahoud die Nasen vorne.
Wohin also mit Götze?
Den entscheidenden Einfall hatte Trainer Lucien Favre Ende Oktober, vor dem Champions-League-Spiel gegen Atlético Madrid: Weil Mittelstürmer Paco Alcácer verletzt fehlte, beorderte er Götze ins Sturmzentrum. Und der war an diesem Abend Teil einer herausragenden Offensivabteilung, die einen 4:0-Sieg herausschoss.
Weil Alcácer nie vollständig fit wurde, kamen viele weitere Auftritte als Mittelstürmer hinzu. Und so wie der Trainer die Rolle vorne drin interpretiert haben will, kommt sie Götze entgegen: Er darf auf die Flügel ausweichen, sich ins Mittelfeld fallen lassen, am Kombinationsspiel mitwirken. So kann er seine größten Stärken ausspielen, die gute Ballbehandlung und die Übersicht und Handlungsschnelligkeit auf engstem Raum.
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Das zeigt sich auch auf dem Rasen des Dame de Noche Training Center in Marbella, wo Favre die seinen auf die Rückrunde vorbereitet. Der Trainer will Lösungen erarbeiten gegen tiefstehende Mannschaften, die am eigenen Strafraum kaum Platz lassen. Deswegen lässt er mit vielen Feldspielern auf ganz kleinen Feldern trainieren. Seine Profis sollen lernen, sich aus engen Situationen zu befreien, mit schnellen Pässen oder Verlagerungen Lücken zu finden. Und das beherrscht kaum einer beim BVB so gut wie Götze. Mit schnellen Drehungen, mit einem einzigen Ballkontakt, findet er immer wieder Lücken, wo eben noch gar keine waren.
Deswegen wird er auch in der Rückrunde wichtig werden, davon ist zumindest Michael Zorc überzeugt: „Mit seiner Art, diese Position zu interpretieren, tut er unserem Spiel gut“, findet der BVB-Sportdirektor. Da wäre es eigentlich langsam Zeit, über eine Verlängerung des 2020 auslaufenden Vertrags zu reden. Doch Zorc bremst: „Dazu gibt es noch keinen Anlass“, sagt er.
Götze fehlt noch die Torgefahr
Offenbar ist die Angst nicht allzu groß, den 26-Jährigen ablösefrei zu verlieren – zumal seinem Spiel noch etwas Entscheidendes fehlt: die Torgefahr. In 15 Pflichtspielen kommt er auf einen Treffer und drei Vorlagen, für einen Angreifer eine sehr dünne Bilanz. Deswegen bleibt die Frage, ob er die Ideallösung für eine der Planstellen im Sturm ist – und zu welchem Preis. Denn Götze, der 2016 vom FC Bayern zurückkehrte, gehört zu den Topverdienern im Dortmunder Kader. Und vor einer Vertragsverlängerung würden die Bosse gerne abwarten, ob sich die Leistungen dauerhaft auf einem Niveau einpendeln, dass dies in Zukunft gerechtfertigt.