Dortmund. BVB-Profi Manuel Akanji spricht im Interview über das Derby gegen Schalke, die Freundschaft zu Breel Embolo und ein ungewöhnliches Talent.

Auf die Minute passend fährt Manuel Akanji zum Interview vor. Man könnte nun das alte Klischee von den Schweizern und der Pünktlichkeit bemühen, doch der Innenverteidiger von Borussia Dortmund lässt sich nicht in die üblichen Schubladen zwängen. Das beweist er im Interview vor dem Derby gegen Schalke am Samstag (15.30 Uhr/Sky) – nicht zuletzt mit einem ungewöhnlichen Talent.

Was ist 39 x 15?

Manuel Akanji: 585.

Wow, das kam ohne jede Verzögerung. War die Aufgabe zu einfach?

Akanji: Nein, das weiß ich auswendig

Echt? Wie kommt das?

Akanji: Ich kann schon seit langem sehr gut Kopfrechnen. Ich habe für früher sehr, sehr viele Kopfrechenübungen gemacht, mich mit immer höheren Zahlen gesteigert. Und jetzt kann ich einige Rechnungen auswendig.

Ein ungewöhnliches Hobby.

Akanji: Heute ist es kein Hobby mehr, heute kann ich es einfach. Aber ich trainiere es nicht mehr.

Können Sie ausrechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der BVB Meister wird?

Akanji: Nein, kann ich nicht. Aber ich kann sagen, dass ich alles dafür tun werde.

Ich hatte befürchtet, Sie würden sagen: Wir schauen von Spiel zu Spiel.

Akanji: Das ist auch gar nicht falsch. Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen und wir müssen vor allem Gas geben, so wie bisher. Natürlich ist es schön, Erster zu sein, aber noch bringt uns das nichts. Es zählt, wer am Ende der Saison oben steht. Dafür wollen wir alles geben und das tun wir auch in jedem Spiel.

Als nächstes geht es gegen Schalke. Was bedeutet Ihnen das Derby, für die Fans eines der wichtigsten Spiele. Und für Sie?

Akanji: Natürlich freue ich mich sehr auf das Spiel. Ich habe bislang noch kein Derby gespielt, beim letzten saß ich auf der Bank, weil ich mich kurz vorher verletzt hatte.

Die Erinnerungen an das Spiel sind auch nicht ganz so gut, es gab ein 0:2.

Akanji: Das war wirklich nicht unser bestes Spiel, aber seitdem haben wir viel verbessert – und das wollen wir auch jetzt im Derby zeigen. Wir wollen natürlich gewinnen.

Was sagt es aus, dass Sie 19 Punkte Vorsprung auf Schalke haben?

Akanji: Nicht viel, in einem Spiel kann immer alles passieren. Nehmen Sie den DFB-Pokal, da haben wir zweimal gegen Zweitligisten gespielt und mussten zweimal in die Verlängerung. Es waren knappe Spiele, die wir auch hätten verlieren können. Das zeigt, dass die Tabelle nichts aussagt. Jedes Spiel fängt bei Null an.

Ihr guter Freund, Schalkes Stürmer Breel Embolo, fällt verletzt aus. Bedauern Sie das?

Akanji: (lächelt) Jetzt fehlt ihnen Gott sei Dank ein guter Stürmer. Aber im Ernst: Ich hätte gerne gegen ihn gespielt, denn ich messe mich gerne mit guten Spielern. Ich habe bisher erst einmal gegen Breel gespielt, als ich noch bei Winterthur war und er bei Basel.

Das war vor vier Jahren, er schoss drei Tore und gewann 4:0.

Akanji: Seitdem wollen wir gerne wieder gegeneinander spielen, aber irgendwie ist es nie dazu gekommen. Letztes Jahr war er ebenfalls verletzt und ich nur auf der Bank. Jetzt ist er leider wieder verletzt. Vielleicht ist es ja in der Rückrunde endlich soweit.

Wie ist der Kontakt zwischen Ihnen?

Akanji: Wir sehen uns eigentlich jede Woche oder jede zweite Woche und telefonieren immer wieder.

Auch vor dem Derby, oder ruht da die Freundschaft?

Akanji: Nein, das Derby hat keinen Einfluss auf unsere Freundschaft. Wir sind vorher genauso befreundet wie hinterher. Vielleicht werde ich nach dem Spiel auch etwas mit ihm unternehmen. Natürlich kämpft auf dem Platz jeder für seinen Verein. Aber wir können neben dem Platz trotzdem gute Freunde sein.

Er hat uns mal verraten, dass er gerne Wetten abschließt. Hat er schon eine angeboten?

Akanji: Nein. Wenn einer von uns nicht spielt, macht die Wette nicht so viel Spaß. Dann könnte ich ihn danach nämlich nicht damit aufziehen (grinst).

Sie sind recht zuversichtlich. Das hat sicher auch mit all dem zu tun, was seit dem bislang letzten Derby in Dortmund passiert ist. Wie würden Sie das beschreiben?

Akanji: Ich war zwar nur ein halbes Jahr hier, aber die letzte Saison war wirklich keine einfache. Wir haben keinen guten Fußball gespielt, wir waren nicht so erfolgreich wie in diesem Jahr. Es gab zwar auch einen guten Start, aber danach wurden viele Spiele in Folge verloren oder zumindest nicht gewonnen. Jetzt gewinnen wir fast jedes Spiel und spielen guten und auch attraktiven Fußball, von dem ich glaube, dass er auch den Fans gefällt. Wir haben eine sehr gute Mannschaft und das zeigt sich auch auf dem Platz.

Welche Rolle spielt Trainer Lucien Favre?

Akanji: Eine sehr große natürlich. Er ist ein wirklich sehr, sehr guter Trainer, er hilft vielen Spielern dabei, sich weiterzuentwickeln, sich nicht auszuruhen auf dem, was sie bisher erreicht und wie sie gespielt haben. Er macht immer deutlich, dass man weiter machen muss, dass noch nichts erreicht ist. Mir sagt er beispielsweise, dass ich in der einen oder anderen Situation meinen ersten Kontakt verbessern muss. Oder die Passgenauigkeit. Oder die Art, wie ich die Pässe spiele.

Ist er wirklich so detailversessen, wie alle sagen?

Akanji: Ja. Wenn er in Interviews sagt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, dann meint er das auch wirklich so.

Ist es schwer, ihn zufrieden zu stellen?

Akanji: Nein, das nicht. Er lobt uns durchaus auch. Aber er zeigt auch immer auf, dass wir uns noch weiter verbessern können.

Sie sind inzwischen mit 23 meist der ältere der beiden Innenverteidiger…

Akanji: Ja, und ich übernehme da auch gerne mehr Verantwortung. Mir gefällt das und ich schätze auch das Vertrauen, das ich vom Trainer und meinen Mitspielern bekomme.

Sie sind jung und erst ein knappes Jahr in Dortmund. Sie könnten sich auch zurücklehnen und erst einmal die anderen machen lassen.

Akanji: Aber ich lehne mich nicht gerne zurück.

Warum nicht?

Akanji: Schwer zu sagen, ich bin einfach so. Viele sagen, dass ich auf dem Platz eine sehr gute, sehr ruhige Ausstrahlung habe. Ich kann auch nicht sagen, warum es so ist. Das ist einfach mein Naturell.

Sie haben sich den Spruch „Prove them wrong“ tätowieren lassen, also: Zeig ihnen, dass sie falsch liegen. Ist das ein starker Antrieb, es den Kritikern zu zeigen?

Akanji: Auf jeden Fall. Deswegen habe ich mir das Tattoo ja auch gemacht.

Und wann ist es endlich gelungen, es allen zu zeigen?

Akanji: Es wird immer Kritiker geben, auch Ronaldo und Messi haben noch Kritiker. Das hört nie auf

Aber man kann durch Titel Argumente sammeln. Ist das ein Antrieb?

Akanji: Natürlich will ich Titel gewinnen, das will jeder in seiner Karriere.

Wie realistisch ist das in Dortmund?

Akanji: Das werden wir sehen. Wir werden alles dafür tun, dass es in diesem Jahr mit einem Titel klappt. Welcher auch immer. Man kann nie wissen, was am Ende rauskommt, aber ich werde alles dafür tun, dass wir in diesem Jahr eine Trophäe gewinnen können.

Sie wirken sehr zielstrebig. Ihre Schwester Sarah hat sich ebenfalls im Fußball gegen viele Widerstände durchgebissen, jetzt kandidiert sie für die Wahl zum Kantonsrat. Wurde Ihnen das in die Wiege gelegt?

Akanji: Wenn wir uns etwas in den Kopf setzen, dann wollen wir das auch so durchziehen, das ist schon so. Das haben uns unsere Eltern sicher auch ein Stück weit mitgegeben. Meine Mutter hat diese Einstellung auch, mein Vater vielleicht etwas weniger. Aber er hat uns auch immer klar zu verstehen gegeben, was er von uns erwartet. Und dann wollten wir ihn natürlich zufriedenstellen.

Wenn Sie Zeit mit ihren beiden Schwestern verbringen, reden Sie dann über Fußball, über Politik, oder über ganz andere Dinge?

Akanji: Natürlich reden wir auch mal über Fußball, aber das ist nicht das Hauptthema. Beide haben ja ein Leben neben dem Fußball. Sarah mit ihrer Kandidatur zur Kantonsrätin, Michelle arbeitet im Bereich Kultur. Ich interessiere mich für das Leben meiner Schwestern, deswegen geht es nicht nur um Fußball.

Sind Sie ein politisch denkender Mensch?

Akanji: Nicht so sehr. Ich versuche mich immer darüber zu informieren, wie es gerade so bei meiner Schwester aussieht – aber das ist es dann auch schon.

Sie sind Schweizer durch und durch, sehen aber wegen Ihres nigerianischen Vaters nicht so aus, wie sich manche den typischen Schweizer vorstellen. Erleben Sie im Alltag Rassismus?

Akanji: Nein, eigentlich nicht. Manchmal kommt es vor, dass Leute meine Teamkollegen auf Deutsch ansprechen und mich auf Englisch. Da gebe ich sofort einen Spruch zurück, mache aber niemandem einen Vorwurf. Irgendwann lernt man damit umzugehen und sich auch dagegen zu wehren, wenn es einen stört.

Dann bleiben wir beim Sport: Haben Sie einen Karriereplan?

Akanji: Man kann eine Karriere nicht planen. Es kann immer etwas dazwischen kommen, etwa Verletzungen. Ich versuche einfach, an dem Ort, an dem ich gerade bin, möglichst gute Leistungen zu zeigen.

Zum Beispiel bei Manchester United, Ihrem Lieblingsklub?

Akanji: Es stimmt, dass ich von klein auf Fan von Manchester United war. Aber momentan schaue ich da auch nicht so genau auf die Spiele, weil mir nicht gefällt, wie sie unter José Mourinho spielen. Keine Ahnung, woran das liegt, ich bin ja im Training nicht dabei. Momentan bin ich sehr glücklich in Dortmund.