Bad Ragaz. Der belgische Nationalspieler Axel Witsel ist im BVB-Trainingslager eingetroffen. Im Mittelfeld soll Witsel für Ruhe und Robustheit sorgen.
Über roten Teppich und hellen Marmor ging es hinaus in den Garten. Dort wartete Hans-Joachim Watzke in einem von der Hitze durchweichten Hemd und reckte dem neuen Mann die Hand entgegen. Willkommen bei Borussia Dortmund, Axel Witsel (29). Klick-klick. Belegfoto eines Moments, den es schon länger nicht gegeben hat: Der BVB verpflichtet einen ausländischen Star für seine Fußball-Mannschaft. Der Coup des Bundesliga-Sommers? „So vermessen wäre ich nicht, das zu sagen“, meint Sportdirektor Michael Zorc. Aber wenn es andere sagen…
Witsel erhält beim BVB einen Vierjahresvertrag
Der belgische Nationalspieler lächelte, als er um 14.35 Uhr in einem silbernen Volvo entstieg, in dem er vor das Mannschaftshotel in Bad Ragaz chauffiert worden war. Auf dem Flughafen Zürich war er zuvor von Düsseldorf aus kommend gelandet. Begrüßung im Garten, dann verschwand Favres Wunschspieler in seinem Einzelzimmer. Danach: Essen, Vermessung und Einkleidung. Witsel erhält die Rückennummer 28 – und will sie alsbald tragen.
„Nach unseren ersten Gesprächen musste ich nicht mehr lange überlegen, denn Borussia Dortmund ist für mich einer der besten Klubs auf dem Kontinent“, schwärmt Witsel: „Ganz ehrlich: Ich kann es gar nicht erwarten, vor 81 000 Zuschauern aufzulaufen.“
Die Trainingsklamotten kamen direkt zum Einsatz. Der zentrale Mittelfeldspieler quetschte seinen üppigen Afro-Look unter einen Helm und begab sich keine zwei Stunden nach seiner Ankunft mit dem Fahrrad auf den Weg zum Training. „Axel, Axel“ riefen ihm die Fans am Sportplatz Ri-Au entgegen. Als er auf den Platz lief, bekreuzigte er sich und schickte einen Gruß in den Himmel. Trainer Lucien Favre nahm ihn kurz zur Seite, danach lief er Runden um den Platz. Individualtraining nach drei Wochen WM-Urlaub. Applaus von den Fans.
Witsel erhält einen Vierjahresvertrag, der Transfer muss aber in den kommenden Tagen noch über das elektronische System der Fifa final abgeschlossen werden. Der Spieler machte Gebrauch von seiner Ausstiegsklausel in seinem Vertrag beim chinesischen Erstligisten Tianjin Quanjian. Ablöse: 20 Millionen Euro. Vor zwei Wochen hatte diese Zeitung exklusiv vom Masterplan mit Witsel berichtet, den der BVB zum Geheimplan deklarierte und nicht kommentierte. Bis Witsel in Bad Ragaz eintraf.
Sein resolutes Einsteigen verändert Witsels Leben im August 2009
„Axel Witsel hat große internationale Erfahrung und strahlt Ruhe aus. Er bringt eine Qualität und Erfahrung mit, die wir so in der Mannschaft nicht haben“, sagt Michael Zorc: „In der Analyse der vergangenen Saison haben wir festgestellt, dass es in einigen Spielen zu einfach war, uns zu schlagen. Da hatten wir zu wenig Gegenwehr auf dem Platz. Und zu wenig Führungsfiguren, die gesagt haben, Jungs, reißt euch zusammen, sonst geht das in die falsche Richtung. Das erwarte ich mir von Axel Witsel.“
Allerdings: Sein sehr resolutes Einsteigen veränderte im August 2009 sein Leben. Beim Spiel seines Klubs Standard Lüttich gegen den RSC Anderlecht trat Witsel seinem Gegenspieler Marcin Wasilewski das Schien- und Wadenbein durch. Die Bilder gingen um die Welt, riefen Empörung hervor. Fans protestierten vor seinem Elternhaus, ein Ausrüster beendete die Zusammenarbeit, der Verband sperrte Witsel für acht Spiele. In der Heimat konnte er nicht bleiben, obwohl er sich entschuldigte. Der „böse Bube“ zog mit 20 Jahren aus, spielte in Portugal, Russland, China. Und bald in Deutschland.