Dortmund. Sebastian Kehl setzt beim BVB als Leiter der Lizenzspielerabteilung auf Identifikation. Von den Spielern erwartet er ein neues Bewusstsein.
Am Ende wird es Hans-Joachim Watzke dann doch zu viel. Eine halbe Stunde lang hat der Geschäftsführer von Borussia Dortmund vor allem zugehört – und dabei mehr und mehr das Gefühl bekommen, dass sein Klub von den Journalisten zu negativ bewertet wird. „Wir waren in den letzten drei Jahren Vizemeister, DFB-Pokalsieger, zweimal im Viertelfinale des Europapokal und haben uns jedes Mal für die Champions League qualifiziert“, sagt er. „Unser Fundament ist schon ganz gut.“
Doch auch Watzke weiß, dass sein Klub aus diesem Fundament in der vergangenen Saison viel zu wenig gemacht hat, dass auch eine gehöriges Maß an Glück und die Schwäche der Konkurrenz dafür verantwortlich waren, dass der BVB so eben noch die Champions League erreichte.
Deswegen sitzt der Geschäftsführer jetzt ja im Bauch des Dortmunder Stadions, und deswegen sitzt Sebastian Kehl neben ihm. Der 38-Jährige ist neuer Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, eine Position, die extra für den früheren BVB-Kapitän geschaffen wurde – und die dazu beitragen soll, dass in Dortmund künftig wieder besserer und erfolgreicherer Fußball gespielt wird. Kehl soll als Bindeglied zwischen dem Management um Watzke und Sportdirektor Michael Zorc auf der einen und Trainern, Mannschaft und Funktionsteam auf der anderen Seite fungieren – als erster Ansprechpartner für den sportlichen Bereich.
Große Erwartungen
Die Erwartungen an den neuen Mann sind groß. „Das kann man so sehen“, sagt Zorc, als ein Journalist Kehl als Königstransfer des Sommers bezeichnet. Und Kehl setzt vor allem auf den Faktor Identifikation. „Wir wollen wieder ein Dortmund-Gefühl erzeugen“, sagt der 38-Jährige. Die Spieler sollen ein Gefühl für die Arbeiterstadt Dortmund und das besondere Verhältnis der Fans zu ihrem Klub bekommen. Und Kehl will das Bewusstsein dafür schärfen, welche Verantwortung sich daraus ergibt – auf dem Platz, in der Kabine und in der Außendarstellung.
„Wir werden mit neuen Regeln und deutlichem Fokus auf Disziplin versuchen, eine neue Stimmung zu erzeugen“, sagt Kehl.
Dass es an dieser Disziplin zuletzt mangelte, haben Watzke, Zorc und Kehl bei ihrer Analyse gemeinsam mit dem externen Berater Matthias Sammer als einen entscheidenden Grund für den turbulenten Verlauf der Saison 2017/18 ausgemacht. Ein weiterer Aspekt: dass die Klubführung viel zu spät merkte, wie sehr die Dinge im Argen lagen.
Sportdirektor Zorc war zwar fast täglich auf der B1 zwischen der Geschäftsstelle am Rheinlanddamm und dem Trainingsgelände in Brackel unterwegs. Weil ihn aber andere Aufgaben wie das Transfergeschäft immer stärker in Anspruch nahmen, bekam er viel zu spät mit, wie dem Trainer Peter Bosz die Mannschaft mehr und mehr entglitt. Disziplinlosigkeiten häuften sich, in der Mannschaft taten sich Risse auf – die bis zum Saisonende nicht mehr richtig gekittet werden konnten.
Kehl soll nun mehr Zeit mit der Mannschaft verbringen, er soll näher an den Spielern sein und Fehlentwicklungen schon im Ansatz erkennen und unterbinden.
„Wir erwarten eine professionelle Berufsauffassung, nicht mehr, nicht weniger“, sagt er.
Das Bewusstsein soll sich ändern
„Wir wollen bei den Spielern eine Bewusstseinsveränderung erzielen“, erklärt der 38-Jährige – schränkt aber auch ein: „Es wird nicht alles sofort besser werden, weil ein Neuer hier sitzt. Wir müssen viel Zeit und Kommunikation investieren.“ Auch am Spieltag. Noch ist zwar keine finale Entscheidung getroffen, aber Zorc geht davon aus, dass sein neuer Mitarbeiter neben ihm auf der Bank sitzen wird. „Ich hätte nichts dagegen“, sagt der Sportdirektor.