Dortmund. Borussia Dortmund hat ein fast unglaubliches Jahr bewältigt. Zwei Trainer wurden entlassen, ein Titel gewonnen - doch alles wird vom Anschlag überstrahlt.
In der Nacht zu Montag endet ein Jahr für Borussia Dortmund, das mit einem 2:1-Sieg in Bremen begonnen hatte. Ein Jahr, für das das Adjektiv dramatisch erfunden wurde. Wir haben die Ereignisse aufgelistet.
Die Südtribüne bleibt leer: Dort, wo sonst rund 25.000 schwarz-gelbe BVB-Fans jubeln, schreien, fluchen, singen, herrschte am 18. Februar Leere. Nach den Vorfällen rund um das Heimspiel gegen RB Leipzig (1:0) sperrte der DFB-Kontrollausschuss das Herzstück des Dortmunder Stadions. Für Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke war dies "ein schreckliches Bild". Er meinte: "Wir haben uns schon schwer damit getan, solch eine Kollektivstrafe zu akzeptieren. 24.800 haben ja nichts getan. Der BVB ohne Südtribüne ist wie Fußball ohne Ball." Nur: Die Borussia zeigte im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg trotzdem eine souveräne und starke Vorstellung und gewann verdient mit 3:0. Die Sperrung der Süd soll sich aber trotzdem nicht wiederholen.
Mario Götze ist krank: Im Februar 2017 wurde plötzlich bekannt, dass der Weltmeister an einer Stoffwechselerkankung leidet. Der BVB nahm ihn aus dem Spielbetrieb und Training. Götze fiel lange aus, kämpfte sich aber in der Hinrunde dieser Saison wieder in die Startelf, überzeugte manchmal, manchmal aber auch nicht. In jedem Fall gibt es nun einen Grund, warum Götze, der vor seinem Wechsel zum FC Bayern München bei Borussia Dortmund so durch die gegnerischen Abwehrreihen wirbelte, dass viele in ihm den kommenden besten Fußballer der Welt sahen, nicht mehr an diese Leistungen anknüpfen konnte. Es wäre im zu gönnen, dass er sich 2018 stärker zurückmeldet.
Der Anschlag: Eigentlich freuten sich am 11. April alle auf das Champions-League-Viertelfinale in Dortmund gegen die AS Monaco. Doch als der BVB-Bus zum Stadion fahren wollte, explodierten drei mit Metallstiften bestückte Sprengsätze an der Ausfahrt vom Mannschaftshotel. Marc Bartra erlitt einen Speichenbruch, bei einem begleitenden Motorradpolizisten löste die Explosion ein Knalltrauma aus. Der Grund für den Anschlag: vermutlich die Habgier einer einzelnen Person. Es wurde anschließend viel diskutiert, ob es richtig war, schon einen Tag später zu spielen, über das anschließende Verhalten von Thomas Tuchel, über das Verhalten von Hans-Joachim Watzke, inwieweit der Anschlag immer noch Auswirkungen auf die Leistungen der Spieler hat. Eine Sache steht aber fest: Zum Glück ist nicht noch Schlimmeres passiert.
Die Bender-Grätsche: Für einen kurzen Moment schien alles wie immer. Arjen Robben drehte schon zum Jubeln ab, bereit nach gut einer Stunde Spielzeit das 3:1 im DFB-Pokalhalbfinale gegen Borussia Dortmund zu zelebrieren, wiedermal schien der Niederländer zum BVB-Schreck zu werden. Doch der linke Fuß von Sven Bender machte sich auf den Weg, den Lauf der Geschichte zu verändern und einen Moment zu schaffen, an den sich schwarz-gelbe Anhänger noch in vielen Jahren erinnern und von dem sie ihren gelangweilten Enkeln auch beim 100. Kaffeetrinken mit der Familie noch angeregt erzählen werden. Sven Bender schmiss seinen von so vielen Verletzungen geschundenen Körper auf den Rasen, verhinderte mit einer sensationellen Grätsche den Robben-Treffer, sein linker Fuß kratzte den Ball von der Linie, lenkte ihn an den Pfosten. Die Dortmunder drehten die Partie. Gewannen am Ende mit 3:2. "Diese Spieler sind echte Borussen", meinte Präsident Reinhard Rauball nach dieser Partie. "Manni" Bender bleibt für die Fans auch im Leverkusen-Trikot sowieso ein echter Borusse.
Das Tuchel-Aus: Wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den Dortmunder Verantwortlichen und Trainer Thomas Tuchel war, wurde für die breite Öffentlichkeit zum ersten Mal deutlich, als Watzke im Interview mit dieser Zeitung einen Dissens mit Tuchel nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus bestätigte. "Teilweise irritiert" habe den BVB-Geschäftsführer die heftige Kritik Tuchels am Spieltermin nach dem Attentat. Watzke sprach von Vertrauensbruch. Es folgte ein riesiger Aufschrei, der die Fanszene bis heute spaltet. Ein Teil hält zu Watzke, der andere Teil wirft ihm vor, seine persönlichen Befindlichkeiten über den Verein zu stellen. Fest steht: Auch wenn die Elf unter Tuchel anschließend alle Ziele erreichte, begeisternden Fußball spielte, war im Grunde nach diesem Interview klar, dass sich Wege von Tuchel und dem BVB im Sommer 2017 trennen werden. Fest steht aber auch: Der Streit und die Schlammschlacht nach dem Rauswurf haben Narben auf beiden Seiten hinterlassen.
Der DFB-Pokalsieg: Durch die vielen dramatischen Ereignisse im Jahr 2017 geht fast unter, dass die Dortmunder durch den 2:1-Finalsieg über Eintracht Frankfurt im Mai nach fünf Jahren wieder einen Pokal in die Luft stemmen konnten. Es war der erste Titel für Trainer Tuchel und gleichzeitig sein letztes Spiel für den BVB. Im Grunde war es eine unglaubliche Leistung dieser Mannschaft, nur wenige Wochen nach dem Anschlag den Pokal nach Dortmund zu holen, doch der besondere Erfolg wurde durch den Streit zwischen den Verantwortlichen und Tuchel getrübt. Schade!
Marco Reus: Da wäre noch Marco Reus, der eigentlich auch 2017 ein für ihn so typisches Jahr erlebte. Will sagen: Der Dortmunder Dauerpatient saß vor allem auf der Tribüne, verbrachte seine Zeit in der Reha. Aber trotzdem war 2017 ein besonderes Jahr für den mittlerweile 28-Jährigen. Denn der Ausnahmefußballer gewann endlich seinen ersten Titel - und in seinen wenigen Spielen überzeugte er wirklich jeden davon, dass er mittlerweile zum Führungsspieler gereift ist, der, wäre er nicht so häufig verletzt, vermutlich zu den absoluten Spitzenspielern in Europa zählen würde. Es bleibt spannend, ob er 2018 nach seinem Teilriss des hinteren Kreuzbandes im rechten Knie wieder ähnlich stark zurückkommt.
Wo ist Dembélé: Ja, wo ist er denn? "Ich kann Ihnen das auch nicht sagen", meinte Peter Bosz, als er Mitte August noch BVB-Trainer war und einer seiner Leistungsträger einfach nicht beim Training erschien. Kurze Zeit später wurde klar, dass jener Ousmane Dembélé zum FC Barcelona wechseln wollte, dies nicht durfte - deswegen streikte er. Es folgte eine zähe Posse, bis der Wechsel Ende August als perfekt vermeldet wurde. Die Ablösesumme: bis zu 140 Millionen Euro. Puh.
Das Bosz-Aus: Die Zeit von Tuchels Nachfolger Peter Bosz kann man in zwei Hälften unterteilen. Zunächst stürmte der BVB auf den ersten Tabellenplatz, wurde als Meisterschaftskandidat gehandelt, auch wenn da bittere Niederlagen in der Champions League die Schwachstellen schon andeuteten. Dann verloren die Schwarz-Gelben am achten Spieltag zu Hause gegen RB Leipzig (2:3) - und es folgte ein sagenhafter Absturz. Bosz sollte nur noch das DFB-Pokalspiel gegen Magdeburg gewinnen, ehe er nach der Pleite gegen Bremen im Dezember gehen musste. "Für uns war es unter dem Strich in der Retrospektive eine falsche Entscheidung, sonst hätten wir sie nicht korrigiert. Es hat einfach nicht gepasst, auch wenn mir das menschlich sehr leidtut", meinte Rauball im Kicker. Stimmt.
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Peter Stöger übernimmt: Die Fans haben ihm schon ein Lied gewidmet, die ersten beiden Bundesligapartien unter Stöger hat der BVB gewonnen, allerdings sind die Dortmunder im DFB-Pokal gegen den FC Bayern ausgeschieden. Wie dem auch sei, die Anhänger mögen den coolen Stöger, doch der muss jetzt beweisen, dass er eine Spitzenmannschaft formen kann. Sonst geht er im Sommer 2018 wieder. Aber das ist eine Geschichte für den nächsten Jahresrückblick.