Dortmund. Ousmane Dembélé will zum FC Barcelona wechseln. Dabei möchte man ihm zurufen: Entwickle dich doch erstmal in Ruhe in Dortmund. Ein Kommentar.
Am liebsten würde man jeden aktuellen Report über den FC Barcelona ins Französische übersetzen und dem wechselwilligen Dortmunder Angriffsspieler Ousmane Dembélé zum Lesen empfehlen. Der Franzose soll mit eigenen Augen erkennen, worauf er sich mit seinen 20 Jahren bei den Katalanen einließe. So sehr Doppelpässe mit Messi, das Gehalt und die Mittelmeer-Brise locken – Spaniens gewaltiger Fußball-Gigant steht auf tönernen Füßen.
Anders Borussia Dortmund. Am Mittwoch übersprang die BVB-Aktie erstmals die Marke von sieben Euro. An der Börse sind sie offenbar der Meinung, dass der Klub erstens die Dembélé-Posse gut händelt und zweitens kein Kapital verschleudert. Steigender Aktienkurs bedeutet: Die Zukunft sieht gewinnbringend aus.
Noch am Vorabend hatten sich die Fandelegierten aus aller Welt im Stadion getroffen, um von ihrem neuen Trainer Peter Bosz aus erster Hand zu erfahren, dass ein Dembélé-Abgang zwar ärgerlich, aber nicht existenzbedrohend ist. Applaus war ihm gewiss. Wer seine Zukunft nicht nur auf die Lauf- und Leistungsbereitschaft eines einzelnen Fußballers baut, verteilt sein Risiko auf viele Beine.
Ein Dembélé kann nicht für Irritationen sorgen
Der BVB hat monatelange Ausfälle seiner Starspieler Götze und Reus kompensiert – da kann ein Dembélé nicht für Irritationen sorgen. Sollten Spielweise und Ergebnis im Saisonverlauf trotzdem schwächeln (und das kann auch nach einem 3:0 in Wolfsburg passieren), dann aus anderen Gründen. Das Umfeld in Dortmund ist so stabil, dass man Dembélé sagen möchte, gerne auf Französisch: Nun entwickle dich in Dortmund erst mal in Ruhe, bevor die Abenteuer in Barcelona oder sonstwo beginnen - es wird nicht zu deinem Schaden sein. Sein Arbeitsvertrag beim BVB läuft bis 2021. Er ist suspendiert und soll bis zum Wochenende sagen, wohin die Reise aus seinem Refugium in Paris geht. Barca oder doch BVB: Vielleicht kapiert der französische Nationalspieler noch, was er an Dortmund hat.
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Die BVB-Bosse machen jedenfalls nicht den Eindruck, dass die vertrackte Situation den Verein verrückt macht. Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer, saß bei der Fandelegiertenversammlung im Signal-Iduna-Park wie schon beim Sieg in Wolfsburg in der Nähe von seinem Trainer und lächelte wie einer, der die Tabellenführung nach dem ersten Bundesliga-Spieltag genießt. Ja, er genießt die Situation, aber nicht nur den flüchtigen Tabellenstand. Endlich hat er wieder einen Trainer, mit dem er so über Fußball reden kann, wie er es liebt. Gespräche über Konterspiel sind ihm wichtiger als Kulturbeispiele.
Bosz denkt pragmatisch
Und Bosz beklagt sich nicht, dass ihm Dembélé für seine offensiv ausgerichtete Spielweise fehlt. Er denkt pragmatisch und lässt eben Christian Pulisic im Angriff ran. Den "Anti-Dembélé" nennt das Internetportal Sport1 den jungen Amerikaner. Daran erkennt man schon: Dembélé zu Barca oder doch beim BVB - man ist auf alles vorbereitet. Die Börse dankt. Notfalls auf Französisch.
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