Dortmund. . Mit einem 2:1 gegen Hoffenheim kommt der BVB dem Saisonziel erheblich nahe. Doch die Dissonanzen zwischen Trainer Tuchel und Boss Watzke wiegen schwerer.
Dort, wo gerade noch sportliche Hektik herrschte, war es schnell still geworden. Die Spieler hatten den Trainingsplatz am Sonntagmittag verlassen, während Thomas Tuchel noch einsam über den Rasen trottete und Trainingsmaterial einsammelte. Anschließend schlenderte er herüber zu Arno Michels, seinem Co-Trainer, seinem Vertrauten. Sie unterhielten sich. Dann verschwanden auch sie.
Kein Idylll in Gelb
Am Tag nach dem 2:1-Heimsieg von Borussia Dortmund gegen die TSG Hoffenheim könnte alles so schön sein im schwarz-gelben Fußball-Kosmos. Durch die drei Punkte gegen den direkten Konkurrenten in der Rangelei um die Teilnahme an der Champions League hat der BVB Platz drei eingenommen, im Stadion feierten die Menschen den Erfolg so laut, dass die Farbe von den Wänden abzuplatzen drohte, und auf dem Rasen lieferte sich die Mannschaft eine ausgelassene Wasser- und Hüpfschlacht.
Ein Idyll in Gelb. Beinahe.
Schon am Samstag stand Trainer Thomas Tuchel deutlich einsamer da als zuvor. Sein Vorgesetzter war ihm öffentlich erheblich von der Seite gewichen. In einem Interview mit dieser Zeitung hatte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke klar zu verstehen gegeben, dass es rund um das Attentat auf die Mannschaft Anfang April und die Neuansetzung des zunächst abgesagten Champions-League-Viertelfinals zu einem deutlichen Dissens zwischen Vereinsspitze und dem Trainer gekommen war. Der unausgesprochene Vorwurf: Vertrauensbruch, mangelnde Loyalität.
Tuchel reagierte auf die Worte seines Chefs angesäuert. „Großes Thema für einen Spieltag, drei Spieltage vor Schluss in einem direkten Duell um die Champions League. Da erlaube ich mir als Trainer, das als zu großes Thema für diesen Zeitpunkt anzuerkennen“, sagte Tuchel bei Sky: „Ich verbiete mir als Trainer, darüber nachzudenken und darauf einzugehen. Es stehen so viele wichtige Spiele an, wir können uns nicht mehr ablenken lassen. Das ist heute noch ein bisschen schwerer als sonst.“ Beim BVB soll man diese Replik als typisch für Tuchel gewertet haben: höchst uneinsichtig, subtil konfrontativ.
Mannschaft ließ sich kaum beeinflussen
Die Mannschaft ließ sich von dem Geschehen kaum beeinflussen. Sie lieferte eine engagierte und konzentrierte Leistung ab, zu der sich das Glück bei Entscheidungen von Schiedsrichter Felix Brych gesellte. Dem Führungstreffer von Marco Reus (4.) ging eine Abseitsposition und dem verschossenen Handelfmeter Pierre-Emerick Aubameyangs (13.) ein Handspiel von Reus voraus. Aubameyang traf später zum 2:0 (82.), ehe Andrej Kramaric per Strafstoß den Endstand erzielte (85.). Tuchel warnte nach der Partie: „Es war kein Endspiel. Die Saison ist noch nicht vorbei, Platz drei ist noch nicht sicher. Es ist elementar, nicht das Gefühl zu haben, es geschafft zu haben.“
Das Sportliche war damit abgehandelt, doch alles andere schwelt in diesen Tagen weiter vor sich hin. Das macht die letzten drei Wochen der Saison, die noch drei Spiele vorsieht, zu einer Belastungsprobe für alle Beteiligten.
Der Vertrag des Trainers besitzt noch bis Juni 2018 Gültigkeit. Seine Zukunft – so haben es die Beteiligten verabredet – wird nach der laufenden Saison besprochen. Atmosphärische Störungen wurden und werden dem Trainer auch im Verhältnis mit der Mannschaft nachgesagt, zudem kam es zu einem Konflikt mit Chefscout Sven Mislintat. Daher galten die theoretischen Möglichkeiten im Sommer als in etwa gleich wahrscheinlich: Vertragsverlängerung, Vertragserfüllung, Trennung im Sommer. Doch das war vor Watzkes öffentlichem Misstrauensvotum.
Tiefe Gräben
Und nun? Wie geht es weiter? Die Gräben scheinen tief. Tief genug, dass sie sich möglicherweise auch nicht mit reichlich sportlichem Erfolg zuschütten lassen. Die Chancen stehen gut, dass der Trainer Tuchel wieder in die Champions League einzieht und am 27. Mai im Finale gegen Eintracht Frankfurt als Gewinner des DFB-Pokals in die Vereinshistorie eingeht. Das würde nach derzeitigem Stand die verworrene Lage zusätzlich verkomplizieren.