Dortmund. . Der Japaner schien beim BVB schon wieder abgeschrieben zu sein. Trainer Tuchel würde ihn nun sogar nachts wecken: für Elfmeter gegen Bayern.

Was Shinji Kagawa so in der Nacht treibt, gehört erfreulicherweise noch zu den Geheimnissen des Profi-Fußballs. Was theoretisch mit ihm anzustellen wäre, ist nun allerdings bereits dokumentiert. Man könne ihn bedenkenlos „nachts um drei Uhr wecken, in die Münchener Arena bringen – und dann schießt er dir den ersten Elfmeter rein“, berichtete Thomas Tuchel. Kagawas Trainer bei Borussia Dortmund war zum Zeitpunkt dieser Worte noch höchst erfreut vom 3:0-Sieg gegen den Hamburger SV, dachte aber offenbar auch schon an die kommende Aufgabe.

Die führt den BVB in der Bundesliga am Samstag (18.30 Uhr/Sky) in jene Arena der Bayern, in die Kagawa jederzeit bereit wäre, transportiert zu werden, um unter Druck seine Leistung abzuliefern. Das ist, was Tuchels Bild ausdrücken will. Das ist, worüber Tuchel derzeit so erfreut ist.

Jetzt ist die Zeit, in der es um alles geht

Denn jetzt ist die Zeit, in der es in jedem Spiel um fast alles geht, selbst beim unangefochtenen Tabellenführer darf sich Schwarz-Gelb kaum eine Niederlage leisten, weil es sich mit RB Leipzig und der TSG Hoffenheim um die höchst begehrten Tabellenplätze zwei und drei balgt, die sicher in die Champions League führen. Es folgen Duelle mit Monaco in der Königsklasse und das erneute Aufeinandertreffen mit den Bayern im Pokal. Jetzt ist’s wichtig. Und gerade jetzt befindet sich jener Shinji Kagawa im Land der aufgehenden Wonne.

Gegen den HSV holte er den Freistoß heraus, der die Führung brachte, traf zum vorentscheidenden 2:0 und bereitete den Endstand mit einem feinen Pass vor. Und zwischen all diesen statistischen wichtigen Einträgen schuf der Japaner ästhetische Werte wie fast zu besten Zeiten, bereitete Chancen vor, mit der Hacke, mit Übersicht, mit Geschwindigkeit. Seit einigen Spielen befindet sich der 28-Jährige auf dem Weg zurück zu alter Stärke.

„Shinji ist gerade in einer Topform. Er ist einer der besten Profis, die man sich wünschen kann, weil er sehr gut mit Druck, aber auch mit Kritik umgehen kann“, lobt Tuchel: „Er hegt nie Groll, auch wenn er mal hinten dran ist. Er steckt das weg.“

Lange Zeit hinten dran

Hinten dran war Kagawa in dieser und der vergangenen Saison häufig. Einst stand er für den erfrischenden Fußball, mit dem Dortmund die nationale Herrschaft für ein, zwei Jahre an sich riss. Es war die Zeit, in der Menschen mit japanisch anmutendem Phänotypus an schwarz-gelben Spieltagen automatisch von den Fans gefeiert wurden. Dann ging er zu Manchester United – und kam als scheinbar anderer zurück.

Wo er sich früher mit seinen Pirouetten um die Gegenspieler herumgewickelt hatte, fand er selbst nach seiner Rückkehr an den westfälischen Wohlfühlort nicht dauerhaft zu Leichtem zurück. Beleg dafür: Der Treffer gegen den HSV war sein erster in der Bundesliga in dieser Saison. Auf Listen, auf denen Namen von Spielern vermerkt waren, die keine Zukunft in Dortmund hätten, tauchte auch Kagawa auf. Gespräche über eine Verlängerung des bis 2018 gültigen Vertrages hat es offenbar noch nicht gegeben.

Kagawa sammelt gerade Argumente für sich. Der Lohn für Beharrlichkeit, wie der Trainer findet. „Die ganze Südtribüne feiert ihn ab. Das hat er sich verdient, weil er immer alles gibt.“

Offenbar auch nachts, wenn es sein müsste.